Hefe
Hefe der Bio-Bewegung
90 Jahre Forschung zur Biodynamischen Landwirtschaft
Der historische Beitrag der Demeter-Bewegung und der biodynamischen Forschung zur Entwicklung des Ökolandbaus ist unbestritten. Aber wie sieht es mit der Zukunft aus? Dieser Frage nach Impulsen der aktuellen biodynamischen Forschung und Praxis ging eine wissenschaftliche Tagung am 6. bis 7. Juni in Bonn Poppelsdorf nach.
Mehr als ein Dutzend Forscher präsentierten Ergebnisse, Methoden und kritische Anstöße. An Pfingsten vor 90 Jahren gab Rudolf Steiner mit seinem Landwirtschaftlichen Kurs in Koberwitz den Impuls für die Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise, Geburtsstunde von Demeter und Anstoß für die gesamte ökologische Bewegung.
Demeter-Vorstand Alexander Gerber charakterisierte das Biodynamische als Hefe der Bio-Bewegung und betonte, dass grundlegende Prinzipien des Ökolandbaus von biodynamischen Landwirten und Forschern entwickelt wurden. Als Beispiele nannte Gerber die Kreislaufwirtschaft, das Prinzip des Betriebsorganismus, die Zertifizierung des Erzeugungsprozesses und die Vermarktung unter einem eigenen Warenzeichen. Innovationen und Forschung seien von Beginn an Bestandteile der biodynamischen Landwirtschaft gewesen und prägten den gesamten Ökologischen Landbau.
In einer Videobotschaft würdigte EU- Agrarkommissar Dacian Ciolos die Pionierarbeit der biodynamischen Landwirtschaft für den gesamten Ökolandbau. Professor Ulrich Köpke, Universität Bonn, zeigte in seinem Beitrag die Aktualität, Vielfalt und weltweite Praktikabilität des Konzepts von Landwirtschaft als Organismus auf. Er leitete daraus mit Perpetuity – Dauerfähigkeit - einen Maßstab ab, der über die Nachhaltigkeit hinausgeht.
Weitere Beiträge aus der Wissenschaft widmeten sich dem Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit, wie Machtheld Huber aus den Niederlanden, die unterschiedliche Immunreaktion des Körpers auf Lebensmittelqualitäten aufzeigte und Ton Baars, der die Bedeutung von Rohmilch zur Gesundheitsvorsorge belegte. Einen anderen Begriff von Wirtschaft trug der Inhaber des Lehrstuhls für Sozialorganik an der Alanus Hochschule, Götz Rehn (Alnatura) bei: Arbeitsteilung erfordere Sinn-Stiftung in der Arbeit. Aktuell sieht er die Mündigkeit des Konsumenten und Bürgers durch die Überwachungs-Ökonomie der Industrie-Giganten bedroht.
Nach einem Blick auf die Wirkung biodynamischer Besonderheiten, wie der Präparate, durch Georg Meissner und Jürgen Fritz, oder der Pflanzenzüchtung nach biodynamischem Leitbild durch Hartmut Spieß, widmete sich die nächste Sektion einem weiteren Augenmerk bei Demeter: Der explizit gepflegten Mensch-Tier-Beziehung. Silvia Ivemeyer vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FIBL) zeigte, wie Eutergesundheit durch ein gutes Verhältnis des Melkers zu den Kühen verbessert wird und Antibiotika reduziert oder ganz darauf verzichtet werden kann. Landwirtin Mechthild Knösel berichtete von dem in der Praxis entwickelten Verfahren der muttergebundenen Kälberhaltung auf dem Demeter-Hofgut Rengoldshausen und einer neuen artgemäßen Methode zum Umgang mit Kühen.
Agrarwissenschaft braucht als Technik- und Lebenswissenschaft Erweiterungen über die Naturwissenschaften hinaus: So stellte Uwe Geier vom Forschungsring die im Rahmen biodynamischer Forschung entwickelten Methoden dar, darunter aktuelle Forschung zur Wirksensorik, der Beschreibung psychologisch-leiblicher Wirkung von Lebensmitteln.
Der Darmstädter Philosoph Gernot Böhme verwies darauf, dass naturwissenschaftliche Erkenntnis beschränkt auf bestimmte Bereiche ist, wobei ihr die Phänomenologie der Natur und des Leibes sowie die Wirkung des Atmosphärischen entgeht. Torsten Müller, Hohenheim, gab den Forschern einen kritischen Blick auf die Statistik mit auf den Weg, während Prof. Urs Niggli vom Schweizer FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) eine Vision des Ökolandbaus jenseits der Nische anmahnte.
Aus den Arbeitsgebieten gesunder Betriebsorganismus, Biodynamische Präparate, Steigerung der Qualität pflanzlicher Lebensmittel, Öko-Lebensmittel und Gesundheit und respektvolle Tierhaltung sind auch künftig Anregungen für Praxis und Forschung des Ökolandbaus zu erwarten, einschließlich methodischer Erweiterung der Agrarwissenschaften. Ein hinreichender Grund für Alexander Gerber, von der Politik Geld auch für die biodynamische Forschung zu fordern, denn ihre Ergebnisse kommen der Entwicklung der gesamten Landwirtschaft unmittelbar zu Gute.