Start / Ausgaben / BioPress 76 - Juli 2013 / Ökodorf Brodowin expandiert

Ökodorf Brodowin expandiert

Ostdeutscher Demeter-Betrieb entwickelt sich zum nationalen Lieferanten

Das Ökodorf Brodowin, ein Demeter-Betrieb in Brandenburg, hat vor zwei Jahren eine neue Molkerei errichtet und die Kapazität vergrößert. Die Brodowin Meierei kann dank der Erweiterung weitere Milchlieferanten aufnehmen und hat die Produktion von der weißen Linie auf Käse ausgeweitet. Das Vertriebsgebiet ist erweitert worden. Es passt nicht mehr alles auf den wachsenden Berliner Bio-Markt. Das Ökodorf Brodowin besteht aus den drei Betriebszweigen Landwirtschaft, Meierei und Direktvermarktung. Jeder Teil trägt rund ein Drittel zum Umsatz von neun Millionen Euro bei.

Geschäftsführer Ludolf vom Maltzan ist auch Inhaber von Brodowin. Er hat den Betrieb 2006 erworben und bewirtschaftet ihn mit 85 festangestellten Mitarbeitern und 30 Saisonkräften. In Brodowin, einem Ortsteil von Chorin, leben 430 Menschen.

Das Ökodorf ist bedeutendster Arbeitgeber im Dorf. 1990 nach der Wende wurde der Demeter-Betrieb gegründet. Ohne den Bio-Betrieb wäre das Dorf verödet.

Die Fläche wäre Teil einer konventionellen Agrar-Fabrik. Die Menschen wären gen Westen gezogen. Das Ökodorf Brodowin war und ist ländliche Entwicklung. Nur fünf Prozent sind dort arbeitslos. Im Bundesland Brandenburg sind es 13 Prozent.   

Bio-Milch ist ein Schlüsselsortiment. So zählt frische Trinkmilch zu den beliebtesten Bio-Produkten im Handel. Das Ökodorf vereinigt hier mit Erzeugung und Verarbeitung zwei Stufen in einer Hand. Unter dem Dach seiner Lagerhalle aus DDR-Zeiten hat Brodowin 2011 die alte Hofmolkerei durch eine modernere Anlage ersetzt.

Eine Glasfassade macht sie zur Schaumolkerei. Die Besucher, 50.000 sind es pro Jahr, können den Molkern durch die Scheiben bei der Arbeit zu sehen. Der Betrieb ist nicht vollautomatisiert. Da sind noch Menschen am Werk.

Berlin wichtigster Markt

Den Vertrieb der Molkerei leitet Reinhard Manger. Der  wichtigste Absatzmarkt ist das 70 Kilometer südlich gelegene Berlin mit einem Einzugsgebiet von 4,5 Millionen Menschen. Der Handel wird über den Naturkostgroßhändler Terra versorgt. „Jedes Berliner Naturkostgeschäft hat unsere Milch“, weiß Manger.

Aber die regionalen Schuhe werden zu klein. Der im Vergleich zur Milch länger haltbare Käse eröffnet die Chance zum Sprung über die Grenzen des Berliner Stadtgebietes. Durch die regionalen Naturkostgroßhändler ist Brodowin national vertreten.

Grell im Norden, Naturkost West, Ökoring in Bayern, Bodan und Rinklin in Baden-Württemberg machen die Demeter-Produkte aus Bandenburg in der Republik bekannt. „Wir haben eine enge Beziehung zu Naturkost Erfurt.

Wir wollen in den neuen Bundesländern stark sein und haben eine schöne  Entwicklung in Thüringen“, berichtet Manger über die Aktivitäten außerhalb Berlins. Über den Großhandel gelangt Brodowin vereinzelt zu selbstständigen Einzelhändlern (SEH). 

Mit der Veredelung der hofeigenen Demeter-Milch und der Milch von Nachbar-Betrieben stellt Brodowin ein regionales Produkt her. Hauptlieferant sind die hofeigenen 180 Milchkühe der holstein-friesischen Rasse. Die biologisch-dynamischen Kühe überzeugen mit einer jährlichen Milchleistung von beachtlichen 8.000 Liter.

Gegenüber der Molkerei ist der Laufstall mit der Melkstation und zwei 6.000 Liter Tanks. Über eine Milchbrücke laufen die Leitungen in die Molkerei. Dort wird die Rohmilch tagesfrisch verarbeitet. Große Molkereien sammeln heute alle drei oder vier Tage ein. Der Frische-Vorteil liegt hier bei Brodowin.

Die Fremdmilch von benachbarten Demeter-Bauern wird im Zwei-Tages-Rhythmus angeliefert. Bei 43 Cent liegt die Auszahlung an die Milchbauern augenblick- lich. Rund ein Euro muss der Handel im Einkauf für Demeter Frischmilch hinlegen. Im Berliner Naturkostfachhandel steht die Brodowin für 1,39 Euro im Regal. 

Qualitätsmilch gefordert

Ein eigenes Labor untersucht die Milch nach Hygiene-Keimen. „Wir brauchen eine Top-Rohmilch für die Käserei. Die Qualität beginnt bei der Weidepflege“, erläutert Manger. In einer Zentrifuge wird die Rohmilch entrahmt und im Pasteur haltbarer gemacht.

In der Baktofuge werden die Clostridien entfernt. Das sind Bakterien, die die Käsereifung beeinträchtigen. Die unerwünschten  Mikroorganismen können durch das Silo-Futter in die Milch gelangen.

Trinkmilch, Quark, Butter und Käse stellen die Molker aus der Kuhmilch her. Die Milch wird als Vollmilch mit 3,7 Prozent Fettgehalt oder als fettarme Milch mit 1,5 Prozent abgefüllt. Brodowin macht nur Frischmilch. ESL- und H-Produkte passen nicht zur Demeter-Philosophie. Homogenisiert wird ebenfalls nicht. Die ursprüngliche bekömmliche Fettstruktur bleibt so erhalten.

Brodowin füllt in die Mehrwegflasche und den Ecolean-Standbeutel ab. Ecolean ist ein schwedisches Verpackungsunternehmen. Der Beutel besteht aus einer Kunststoff-Folie (Polypropylen) und enthält zu 40 Prozent Kreide (Calciumcarbonat). Ein Beutel wiegt nur 16 Gramm.

Energie-Einsatz, Abfallmenge und Wasserverbrauch sind bei Ecoclean recht gering. Entsprechend klein ist der CO2-Fußabdruck. Der Beutel ist ein Markenzeichen von Brodowin. Dadurch hebt sich das Produkt im Regal hervorragend ab von der Konkurrenz. In Deutschland gibt es nur zwei Unternehmen, die die Folie nutzen.

Erklärungsbedürftige Milchflasche

Daneben wird in die bewährte braune Pfandflasche abgefüllt. Im Hof werden die zurück gegebenen Milch-Flaschen gelagert. „Wir müssen einen erheblichen Aufwand betreiben, um sie wieder in einen sauberen Zustand zu bringen“, sagt Manger. Die braune Milchflasche ist das Zugpferd und hat eine große Schar an Stammkunden. „Wir machen jedes Jahr eine Kampagne für die Flasche“, berichtet Manger. 

Nach Inbetriebnahme der neuen Molkerei ist Brodowin in die Käseproduktion eingestiegen. „Ein Motiv war die Absicht, das Sortiment zu erweitern. Es soll zum Frühstück, Mittagessen, Zwischenmahlzeit und Abendessen etwas von Brodowin geben“, sagt Manger. Vorher wurde nur die weiße Linie produziert.

So hat die Hofmolkerei 2012 mit der Weichkäse-Herstellung begonnen und wenig später Schnittkäse eingeführt. Die Milch wird mit mikrobiellem Lab dickgelegt. „Heute wird zu 90 Prozent mikrobiell gekäst statt mit dem traditionellen Lab“, erläutert Manger.

Der Bruch wird in die Käse-Formen gefüllt, aber nicht gepresst. Dafür ist Brodowin nicht ausgerüstet. Das starke Auspressen der Molke aus dem Bruch ist Voraussetzung, um Hartkäse herzustellen.

Weichkäse mit Rotschmiere entsteht in der kleinen Käserei; außerdem der Brodowiner Bauernkäse, ein Schnittkäse mit Naturrinde. Es gibt ihn mit Karottensaft, Basilikum und grünem Pfeffer. Der Käse reift sechs Wochen und wird von Hand gepflegt.

Unter die Mozzarella-Macher ist Brodowin ebenfalls gegangen. Der Pasta filata Käse mit Ursprung in Italien zeichnet sich durch ein gesondertes Verfahren aus. Es bedarf eines Mozarella-Fertigers. Diese Maschine schreddert den Bruch.

Dann wird er mit Dampf überbrüht, danach zu einem Teig gerührt und geknetet. Die geschmeidige Masse  lässt sich zu bekannten Mozarella-Kugeln formen. Der Demeter-Betrieb macht auch Stangen und Platten. Beim Mozzarella zählt vor allem die Frische.

Der Demeter Mozzarella verlässt am gleichen Tag die Molkerei und liegt am nächsten Tag in den Kühlregalen der Bio-Supermärkte Berlins. „Bei uns wird nicht auf Vorrat produziert“, erläutert Manger. Genusskunden wissen solche Frische zu schätzen.

Bio-Ziegenmilch hat Zukunft

Auf Brodowin lebt auch eine Ziegenherde. Deren Milch wird zu Trinkmilch, Frisch- und Schnittkäse verarbeitet. Die 220 Ziegen liefern mit 120.000 Litern im Jahr gerade mal drei Prozent der Milchmenge von 3,5 Millionen Litern, aber die Produkte sind Aufsteiger. „Ziege hat Zukunft“, sagt von Maltzan.

Die gelbe Linie wird in Käsetheken verkauft. Geschnittene SB-Artikel macht Brodowin nicht.
Der Demeter-Betrieb vertreibt über den Handel und per Direktvermarktung. Der Brodowiner Öko-Korb ist ein Lieferservice des Unternehmens.

Die Abo-Kisten werden in Brodowin gepackt und mit acht eigenen Lieferwagen im Großraum Berlin ausgefahren. Im Online-Shop kann der Kunde unter 1.000 Produkten wählen. Das Sortiment reicht bis zu Naturkosmetik und Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln. Nicht alle Produkte stammen aus Brodowin, sondern zum Teil von nationalen Herstellern und Betrieben aus der Nachbarschaft.

Neben der individuellen Bestellung gibt es Standard-Kisten wie den Regionalkorb oder den Bürokorb. Den Bürokorb beziehen vor allem Firmen für ihre Mitarbeiter. Die Körbe gibt es in verschiedenen Größen. So den Obstkorb in fünf Abstufungen.

„Wir versuchen andere Landwirte aus der Region einzubeziehen und kaufen dazu, damit wir Vielfalt haben. Wir bereiten das Gemüse auf  und sind dann In-Verkehr-Bringer“, teilt von Maltzan mit.

Auch einen Hofladen mit Café gibt es auf dem Demeter-Hof. Maltzan hat zudem ein Bio-Café im Kloster Chorin eröffnet. Die Anlage ist heute Ausflugsziel und Veranstaltungsort. Die Gastronomie in Berlin ist ebenfalls ein Markt für Brodowin. „40 Cafés kaufen bei uns mittlerweile ein“, so Manger.

Brodowin kein Gunststandort

Der Landkreis Barnim, in dem Brodowin liegt, ist eine Bio-Hochburg. Im 50 Kilometer Umkreis werden 20.000 Hektar biologisch bewirtschaftet. „Der Bio-Anteil ist hoch hier. Wir haben sehr viele Bio-Nachbarn“, erzählt von Maltzahn.

Ein Gunststandort ist Brodowin nicht. „Wir haben sandige Böden, Frühjahrstrockenheit und weniger als 500 Millimeter Niederschlag pro Jahr“, klagt von Maltzan. Wasser für die Beregnung des Gemüses auf 25 Hektar Freiland-Anbau kann allerdings aus dem Weißen See entnommen werden. Unter Glas wachsen biologisch-dynamische Salate, Tomaten und Gurken.

„Rinder sind hier ein großes Thema. Das ist lohnender als Ackerbau“, erläutert Landwirt von Maltzan. Hühnerhaltung ist ebenfalls gut möglich. Ein Hühnermobil mit 400 Legehennen steht gegenüber dem Hofladen.

Dieser Betriebsteil wird nächstes Jahr aufgestockt auf 1.600 Tiere. Bio-Eier sind gefragt. Sie werden direkt über die Abo-Kisten und den Hofladen vermarktet. Einen Standortvorteil hat Brodowin: Die Nähe zur Hauptstadt. Hier kann Bio regional vermarktet werden. In Berlin ist die Marke Ökodorf Brodowin ein Begriff.

Anton Großkinsky

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