Getreide
Mit Bio-Getreide zurück zum Ursprung
{mosimage}Getreide satt – das gab es vor einigen Jahren nur im Bio-Laden. Jetzt erobert diese Warengruppe zunehmend den traditionellen Einzelhandel, sei es in Form verschiedenster Körner oder als nährstoffreiche Verarbeitungsprodukte.
Immer mehr Händler erkennen, dass zu einer glaubwürdigen Sortimentspolitik mit Bio-Produkten auch die Listung von Grundnahrungsmitteln gehört. Eines dieser Basics ist Mehl. Mit diesem, ebenso wie mit den unverarbeiteten Getreidekörnern und anderen Mahlprodukten wie Flocken, Grieß oder Kleie kommt man gleich mehreren Trends entgegen: Zum einen dem Wunsch nach einer sauberen, ökologischen Erzeugung und einer Verarbeitung, bei der keine Rückstände von Pestiziden, Halmbehandlungs- oder Lagerschutzmitteln drohen. Da die klassischen Getreidesorten bevorzugt von deutschen Feldern stammen, entsprechen sie zugleich der Vorliebe für regionale Lebensmittel.
Ein weiteres Argument, das für eine Listung spricht, ist das wachsende Gesundheitsbewusstsein. Hier glänzt ein Bio-Angebot aus Vollkornmehl, Kleie, Flocken und ähnlichem mit komplexen Kohlenhydraten, Mineral- und Ballaststoffen. Nicht zuletzt ist die Auswahl im Bio-Bereich einfach enorm, was erfahrene Bio-Käufer genauso zu schätzen wissen wie kreative Hobbyköche.
Getreidevielfalt von nah und fern
Die „grünen Körner-Esser“ werden schon lange nicht mehr belächelt. Stattdessen greifen auch neue Verbrauchergruppen gern zu den vielseitig verwendbaren und lange haltbaren Produkten. Mal vermahlen sie das Getreide in einer kleinen Haushaltsmühle, um damit je nach Bedarf Brot oder frische Kuchen zu backen. Mal dient es auch anstelle von Kartoffeln und Co. als leckere und sättigende gekochte Beilage. Kein Wunder, dass sogar schon Norma und weitere Discounter ihre Regale mit den, übrigens auch optisch ansprechenden, Körnern schmücken.
Foto: Bohlsener MühleBio-Getreide im Angebot haben vor allem die etablierten Bio-Mühlen. Zum großen Teil verarbeiten sie ihre Produkte vor Ort gleich weiter und vermarkten selber. Die Antersdorfer Mühle bietet beispielsweise sämtliche klassischen Getreidesorten, das heißt Weizen, Roggen, Gerste und Hafer, an. Dazu kommen der nach wie vor gefragte, bio-typische Dinkel und Grünkern.
Über den Tellerrand hinaus schauen die Niederbayern mit den nicht nur für Allergiker interessanten Alternativen Amaranth, Quinoa, Hirse oder Buchweizen. Mais und Reis, die zwar botanisch nicht zum Getreide gehören, ergänzen das Programm. Fündig wird man bei ihnen außerdem auf der Suche nach Mehl aus Weizen, Roggen, Dinkel und Mais in unterschiedlichen Ausmahlungsgraden. Flocken, Grieße, Kleie und Graupen komplettieren die Range, welche die Antersdorfer Mühle auf Wunsch auch als Eigenmarken herstellt.
Bei anderen Bio-Pionieren wie der Bohlsener Mühle, Bauckhof, Davert und Rapunzel, die bislang aber bevorzugt den Fachhandel bedienen, sieht das Sortiment sehr ähnlich aus. Etwas weniger vielseitig präsentiert es sich dagegen bei der Schapfenmühle, die nichtsdestotrotz zu den größten Anbietern von Bio-Mehl und Cerealien in Deutschland gehören. Mit der Marke biokorn versorgt die Mühle den LEH und Großverbraucher. Ihr bewusst schmal konzipiertes Sortiment umfasst gängige Artikel wie Weizen-, Roggen- und Dinkelmehl, Haferflocken und -kleie sowie Grieß.
Bio-Gourmet ist einer derAnbieter, die Bio-Getreide im LEH-Sortiment führen, allerdings nur mit vier Produkten. Cous-Cous, Polenta und Goldhirse habe man bei der Sortimentsgestaltung ausgewählt, weil diese die Top-Getreidesorten der Mutterfirma Rapunzel seien. Anders beim Dinkelgrieß, heißt es weiter in der Marketingabteilung. Dieser gelte als klassisches Bio-Produkt, das es in konventioneller Qualität kaum gibt.
Alles andere als altbacken
Alle gemeinsam stehen die Bio-Hersteller für Einfallsreichtum und absoluten Qualitätsanspruch. Aber auch für Zeitgeist! So verrät beispielsweise Bio-Gourmet, dass sich die Polenta am besten verkaufe. Schließlich werde der traditionelle Maisgrieß aus Norditalien momentan von Jung und Alt als raffinierte, schnelle Beilage entdeckt. Das gleiche trifft für Bulgur und Cous-Cous zu.
Anfangs kannten die Menschen diesen schonend vorgekochten Hartweizengrieß nur aus Urlaubsländern wie der Türkei oder Tunesien. Dank Betrieben wie Bio-Gourmet, Antersdorfer und Bohlsener Mühle, Davert, Bauck sowie dem LEH-Versorger BAK Kadesler aus Mannheim stehen die vielseitigen Körnchen jetzt auch im Bio-Regal. Oft auch in der Vollkornvariante.
Foto: Bohlsener MühleDie weizenfreien Getreidealternativen wie Amaranth oder Quinoa wurden erst durch die Bio-Branche in Deutschland bekannt. Dazu hat unter anderem Davert beigetragen, der Marktführer bei Getreide und Getreideprodukten in Fachhandel. Die Auswahl der Sendener Mühle reicht von A wie Amaranth über Dinkel, Gerste, Quinoa bis zu W wie Weizen. Entsprechend umfangreich sieht das Angebot an Flocken und Grieß aus. Der Amaranth kommt aus Peru, Quinoa aus Bolivien, Hirse aus China. Insofern kann man diese Getreidevarianten durchaus als Exoten bezeichnen.
Ihren Weg in den konventionellen Einzelhandel fanden und finden sie nicht selten in Form von Keksen oder Müsli. Einen vergleichbaren „Umweg“ gehe man jetzt mit anderen Getreideprodukten wie Bulgur und Cous-Cous, sagt Johann Priemeier von der Antersdorfer Mühle. Er will Neueinsteiger daher mit pfiffigen Convenience-Produkten gewinnen, und die erfreuliche Nachfrage nach den aromatisch gewürzten Pfannengerichten spricht für sich. Davert hat ebenfalls solche teilfertigen Gerichte im Programm, wobei ihre Marokko-Pfanne sogar Renner des Jahres auf der letzten BioFach wurde. Der Handel erhält diese Produkte beim Bio-Großhandel für den LEH, der bioVLog, die ein breites Vollsortiment von Getreideprodukten aus einer Hand bereit hält.
Viele Verbraucher scheuen den Zeitaufwand oder trauen sich aus Unkenntnis nicht, mit Getreide ihren Speiseplan aufzuwerten. Abhilfe verspricht hier die praktische Bio-Convenience, etwa die 1-Minuten-Polenta und fertig gemischter Nockerlgrieß als typische bayerische Suppeneinlage im Portefolio der Antersdorfer Mühle. Davert kommt den Verbraucherwünschen mit Inka-Quinoa, Feinkornhirse und Zart-Dinkel entgegen. Angeboten im Kochbeutel, sorgen die drei Varianten für ein schnelles, feinkörniges Kochergebnis ohne Anbrennen.
Der Bauckhof schließlich, führt schon seit mehreren Jahren neben vielen anderen Getreideprodukten sogenanntes Kornfix. Dabei handelt es sich um Schnellkochgetreide, das im Steinofen geröstet und dadurch aufgeschlossen wurde. Der Mühlenbetrieb, der in diesem Jahr 40jähriges Bestehen feiert, stellt es aus Roggen, Dinkel oder Gerste in Demeter-Qualität her und empfiehlt es besonders für Bratlinge, Aufläufe und ähnliche vollwertige Speisen. Außerdem hat der Bauckhof mehrere garantiert glutenfreie Produkte im Angebot. Zusammen mit der Bohlsener Mühle, Werz und anderen Kollegen kommen sie damit der großen Gruppe an Zöliakie-Betroffenen entgegen.
Auch mit wenigen Bio-Produkten kann man Erfolg haben. Zufrieden äußern sich jedenfalls die Gebrüder Leimer, die ihre bekannten Paniermehle im Einzelhandel erfolgreich um Bio-Semmelbrösel und -Semmelwürfel erweitert haben. Um sie herzustellen, verbackt das Unternehmen regional bezogenen ökologischen Weizen mit Bio-Hefe erst zu Brot, das sie dann frisch weiterverarbeiten.
Die Urväter des Weizens
Auch bei nicht Bio-Stammkäufern dürfte die Beliebtheit von Dinkel bald noch zunehmen, da immer mehr praktische Verarbeitungsprodukte auf den Markt kommen.
Dazu gehört zum Beispiel Kochdinkel von der Bohlsener Mühle oder von der Antersdorfer Mühle. Durch schonendes Schleifen behalten die Körner hier ihren hohen Nährwert, sehen aber aus wie Reis und werden deshalb auch als Dinkelreis bezeichnet.
Bei Einkorn, Emmer und Khorasan-Kamut handelt es sich um noch wesentlich ältere Urformen des Weizens. Auch sie verdanken der Biobranche ihre Renaissance.
Sowohl die Körner als auch die Verarbeitungsprodukte punkten mit aromatischem Geschmack, wertvollen Inhaltsstoffen sowie abwechslungsreichem Aussehen. Im konventionellen Handel findet man sie jedoch noch selten.
Die besten Chancen hat Bio-Kamut, dessen historische Spuren bis ins alte Ägypten reichen. 1990 als neue Sorte anerkannt und seither überwiegend in den USA angebaut, wird der Khorasan-Weizen unter dem Markennamen Kamut mit viel Erfolg verkauft. Auch auf der diesjährigen BioFach stieß man immer wieder auf die auffällig großen Körner und daraus hergestellte Flocken, Grieß, Brot oder Nudeln.
Entsprechend lang präsentiert sich die Liste der Firma Kamut international, die Adressen von Händlern mit Bio-Kamut vermittelt. Aufgelistet sind dort beispielsweise die Antersdorfer Mühle, Davert mit ihrer LEH-Marke Davita, die Bohlsener Mühle, Neuform, Stirper Mühle, Meyermühle oder Gut Rosenkrantz.
Lohnenswerte Lohnverarbeitung mit Bio-Getreide
Anders als die anfangs genannten Unternehmen platziert Primavera Naturkorn aus Mühldorf bei München keine eigenen Marken im Handel, sondern produziert nur für andere Unternehmen. Das Angebot umfasst Getreide in allen möglichen Vermahlungsgraden sowie die Pendants aus Mais, Hirse und Reis.
Einen festen Abnehmer hat der Mühlenbetrieb in Ceralia gefunden, deren Dienstsitz nur ein paar Straßen weiter liegt. Sie gehören zu denen, die besonders von steigendem Interesse des Einzelhandels profitieren, indem sie unter anderem die Bio-Getreideprodukte von Rewe und Edeka verpacken.
Die Meyermühle und Gut Rosenkrantz konzentrieren sich im B2B-Bereich auf das Bäckerhandwerk, das ebenfalls regelmäßig Nachschub braucht. Bei beiden handelt es sich um sehr erfahrene Bio-Betriebe, die mit modernster Mühlentechnik wie einer computergesteuerten Vermahlung oder vollständig eingehausten Getreideannahme arbeiten.
Die Meyermühle stellt zum Beispiel zwei Mehllinien her. Zum einen Mehl nach der EU-Bio Verordnung, zum anderen Mehl in Bio-Premium-Qualität mit Getreide, das ausschließlich aus Rohware der Bio-Verbände stammt. Gut Rosenkrantz besitzt dagegen eigene Felder, auf denen Weizen, Dinkel und Hafer angebaut werden. Um die große Kapazität der eigenen Mühlen auszulasten, kaufen sie auf direkten Wegen weiteres Korn von deutschen Landwirten zu. Zusätzlich zu den Körnern, verlassen dann Mehle, Flocken, Grütze, Grieß, Malze und Stärken das Bioland-Unternehmen.
Sicherheit großgeschrieben
Nicht nur auf dem Feld kommen ökologische Kriterien zum Tragen. So sind bei der Verarbeitung unter anderem Beizen und gefährliche Entgasungsmittel tabu. Bei Betrieben, die nach den Regeln der Anbauverbände arbeiten, herrschen besonders strenge Vorgaben. Bioland-Betriebe verzichten zum Beispiel bei der Herstellung von Mehl auf den Zusatz von Ascorbinsäure oder auf Sojalecithin.
Um die Freiheit von Rückständen und Schadinsekten zu gewährleisten, setzen die Betriebe auf moderne Farbsortiermaschinen und sortieren so Unkrautsamen oder unreife Körner aus. Aus Hygienegründen mahlen sie teilweise aufwändig im geschlossenen System. Außerdem werden die Lager regelmäßig mit Kohlendioxidgas, die Mühlen über Wärme entwest.
Kein Mangel an Nachschub
Sorgen um die Lieferfähigkeit muss sich der Handel nicht machen, obwohl die lange Trockenheit in diesem Jahr sicher auch bei Bio-Bauern zu geringeren Ernten führen könnte. Viele Hersteller arbeiten jahrelang mit festen Partnern zusammen. So nimmt etwa die Antersdorfer Mühle den Bauern die komplette Ernte ab und verzichtet auf Preisspitzen. Dadurch können diese ihr Getreide in siebenjähriger Fruchtfolge und angepasst an das Klima anbauen. Fast das ganze Getreide stammt aus einem Umkreis von maximal 100 Kilometer; selbst der Reis wird von Partnern aus dem nahen Norditalien geliefert.
Gut für Körper und Geist
Viele Verbraucher müssen auf Weizeneiweiß verzichten. Für sie bieten sich aromatischer Amaranth, Quinoa, Buchweizen, Hirse, Mais, Reis und Wildreis an. Andere suchen nach Getreidesorten, die reich an bestimmten Nährstoffen sind. Meist befinden sich diese in den Randschichten der Körner, was Vollkornprodukte besonders wertvoll macht.
Die robusten, jahrtausende alten Urformen des Weizens Emmer, Einkorn und Khorasan bringen zwar geringere Erträge, haben aber neben ihrem kulturellen Wert einiges an Nährstoffen zu bieten. Für die beiden Ersten sprechen zum Beispiel reichlich Magnesium und Zink. Die appetitliche gelbe Mehlfarbe rührt von einem hohen Gehalt an beta-Carotin her, einem Vorläufer von Vitamin A.
Auch Kamut weist viel Magnesium auf, außerdem wertvolles Eiweiß, Aminosäuren oder Vitamin E. Brot und Backwaren aus dem gleichfalls gelben Mehl zeichnen sich durch ihr nussig-süßliches, fast butterartiges Aroma aus. Dazu kommen eine saftige Krume und langes Frischhaltevermögen.