Start / Ausgaben / BioPress 57 - November 2008 / Handel muss aktiver werden

Handel muss aktiver werden

Im Bio-Sortiment steckt ungenutztes Potenzial

Unternehmensberater Christoph Soika hielt ein Plädoyer für mehr Anstrengung in der Bio-Vermarktung im LEH. Die ungenutzten Möglichkeiten und die Dynamik des Marktes verdeutlichte er mit einer Langzeitbetrachtung der Umsatzzahlen. Er kritisiere die zu schmalen Sortimente, die kundengerecht ausgebaut werden müssen.  Der Lebensmitteleinzelhandel soll nach seiner Auffassung den Markt aktiver gestalten, um die Wachstums­chancen zu nutzen.


Impulsvortrag: Christoph Soika
Der Bio-Markt verlief in den vergangenen zehn Jahren  höchst dynamisch, ja geradezu explosiv. Unterneh­mens­­be­rater Christoph Soika zeigte auf dem 3. Bio Handels-Forum die Entwicklung des Marktes auf. Auf der Basis von 1997 wuchs der gesamte Bio-Markt in den fünf Jahren bis 2002 um 103 Prozent; in den nächsten fünf Jahren bis 2007 um 258 Prozent. Bei den Markt­anteilen diagnostizierte Soika deutliche Verschiebungen.

1997 war der Naturkostfachhandel (NFH) mit 31 Prozent bedeutendster Vertriebskanal vor dem LEH mit 28 Prozent. 2002 hatte der LEH mit 35 Prozent Marktanteil den  Fach­handel bereits überholt, der auf 26 Prozent kam. 2007 lie­fen bereits 53 Prozent der Bio-Produkte über den konven­tio­­nellen Kanal. Die ­Markt­­­anteile des Fachhandels schrump­­f­ten trotz starken Umsatz-Wachstums (570 Millionen € im Jahr 2000/1,17 Milliarden € im Jahr 2007) auf 22 Prozent, weil der LEH noch stärker wuchs (680 Millionen € im Jahr 2000/2,8 Milliarden € im Jahr 2007). Für Soika war das durchaus erstaunlich: "Das ist geschehen trotz einseitiger Sortimente in den Supermärk­ten, trotz Mehrfachbelegungen bei vielen Artikeln, trotz überhöhter Preise." Der Un­ternehmensberater schloss daraus "das Potenzial ist grös­ser als vermutet".  


Vom Publikum kam reges Interesse
Bisher kam der Pull (Zug) von Kundenseite. "Es wurden die Umsätze gemacht, die der Han­del nicht verhindern konnte", wurde Soika deutlich. Er empfahl dem Handel, Bio-Lebens­mittel zu pus­hen: "Der Han­del muss aktiver gestalten und mit den Her­stellern zusammenarbeiten". Für Soika zählt nicht was ist, sondern das, was möglich ist. Das Potenzial sieht er bei wei­tem noch nicht ausgeschöpft.
Dazu muss die Fachkompetenz des Verkaufspersonals  im Handel gestärkt werden. Arzt, Apotheke und Reform­haus kommen als Ernährungsberater in Frage. Aber auch dort, wo gekauft wird, im Su­permarkt kann der Allergiker informiert werden. Bei der schwindenden Bedeutung der Reformhäuser ist das eine Perspektive für den qualitäts-orientierten Handel.

An die Bio-Hersteller richtete er die Frage, ob es richtig sei, sich dem LEH zu verwei­gern wegen der Drohung, im Fachhandel ausgelistet zu wer­­den? Das eröffnet den kon­ven­tionellen Markenartiklern mit Bio-Range Marktchancen und schafft Raum für Importe.

Nach wie vor sind die Bio-Sortimente im LEH einseitig. Zum Beispiel fehlt oft frisches Weißbrot, stattdessen wird auf weniger umsatz­trächtiges Vollkorn gesetzt bei Bio. "In den Bio-Süßwaren steckt ein Riesenpotenzial. Bei tagesfri­schen Salate herrscht Fehl­anzeige", nannte Soika die Ver­säumnisse. Kleine nicht wahr­nehmbare Angebote brin­gen keinen Erfolg: "40 Sorten Bio-Käse müssen in die Theke, dann läuft es. Der Kunde kennt das Bio-Siegel.".
Zudem sind Bio-Produkte beim Verbraucher mit dem Image behaftet, teuer zu sein. "Darf Bio wirklich 20 Prozent teurer als die konventionelle A-Marke sein?" 

Für den Bera­ter ist die A-Marke die Schmerz­grenze. Er begründete dies mit den Elementen der Preisgestaltung. Bio-Rohstoffe sind teurer, dafür muss für Marketing und Vertrieb we­niger ausgegeben werden. Die anderen Faktoren wie Arbeit und Verpackung sind bei konventioneller und biologi­scher Produktion gleich. Er plä­dier­te für eine Partnerschaft zwischen Herstellern und Handel. "Wenn mit Herz und Verstand an die Sache heran ge­gangen wird  stimmt die Wert­schöp­fung", schloss Soika.

Anton Großkinsky

 

3bhf_2008_09_17_6_Preisfuehrung.mp3 3bhf_2008_09_17_6_Preisfuehrung.mp3 (5.69 MB)

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