Hieber setzt auf Bio
Sortimentsplatzierung statt Bio-Insel gibt neuen Schub
Mit einem geänderten Konzept forcieren Hieber’s Frische Center aus Binzen in Baden die Vermarktung von Lebensmitteln aus kontrolliert biologischem Anbau. Bis Mitte 2007 präsentierte das Familienunternehmen Bio-Lebensmittel getrennt vom herkömmlichen Sortiment in speziellen Bio-Inseln. Im August 2007 wurde die Blockplatzierung aufgegeben und Bio-Produkte ins Sortiment integriert. Mit der Zuordnung in die Warengruppen wurde eine neue Bio-Ära eingeläutet. Die Geschäftsführer Dieter Hieber und Karsten Pabst sind sich einig, dass der Schritt goldrichtig war und in eine bessere Bio-Zukunft auf der Großfläche führt.
Zehn Frische Center mit rund 19.000 Quadratmeter Verkaufsfläche betreibt der selbstständige Edeka-Händler Hieber in Südbaden nahe der Schweizer Grenze. Mit Dieter Hieber ist jetzt die zweite Generation in die Geschäftsführung aufgestiegen. Er setzt den Weg der Qualitätsorientierung fort, den Unternehmensgründer Jörg Hieber vor 40 Jahren begonnen hat. Im 21. Jahrhundert gehört dazu zwingend Bio-Kompetenz. Geschäftsführer Karsten Pabst, in der Geschäftsleitung zuständig für den Vertrieb, ist der Bio-Pabst in dem Familienunternehmen.
Dieter Hieber, GeschäftsführerAm Ortsrand von Grenzach nahe Basel öffnete am 1. August 2007 ein Hieber’s Frische Center. Hinter der breiten Glasfassade werden auf 3.500 Quadratmeter Lebensmittel zelebriert. Vor den Toren Basels steht der Vorzeigemarkt des Lebensmittelhändlers in Sachen biologische Lebensmittel.
Hieber hatte in der Vergangenheit auf die Blockplatzierung gesetzt und Bio-Inseln aufgebaut. Durch die Teilnahme am Bio-Handelswettbewerb wurde ein Umdenken eingeleitet. Die Geschäftsführung beschloss den Wechsel zur Sortimentsplatzierung. Mit Erfolg, wie sich schnell herausstellte. „Mit den Steigerungen sind wir zufrieden, wir machen einen guten Absatz“, erklärt Hieber. Der Bio-Anteil am Umsatz auf der Großfläche liegt bei 2,5 Prozent.
Anspruchsvolle Präsentation
Bio im Frische Center: Mit Fisch, Wurst und Fleisch demonstriert Hieber Kompetenz
Der Markt ist offen ohne Zugangsschranken, niedrige Regale von 1,60 Meter Höhe gewähren Überblick. Beschriftungen helfen bei der Orientierung. Angenehme Beleuchtung, warme Farben, Service durch freundliche Mitarbeiter schaffen eine Wohlfühl-Atmosphäre. Die Anonymität der Großfläche wird aufgehoben. Eine zeitgemäße Bedienungsinsel für Käse und Spezialitäten vermittelt Hochwertigkeit. Lange Bedienungstheken für Fleisch, Wurst, Fisch, Brot und die großflächige Obst- und Gemüseabteilung machen den Kunden klar: Das ist ein Frische Center.
Frische Bio-Salate aus der Region45.000 Artikel umfasst das Sortiment, 3.500 davon sind in Bio-Qualität. Das sind mehr als bei Tegut. Vor fünf Jahren war diese Fülle weder möglich noch denkbar. 500 Bio-Produkte waren anno 2003 schon eine erkleckliche Zahl. Der SEH hat mit diesem Umfang das kleine Fachgeschäft schon eingeholt. Vielfalt und Vielzahl sind allerdings nicht identisch. Geschäftsführer Karsten Pabst bereinigt das Sortiment aktuell, Dubletten müssen raus und Lücken geschlossen werden. „Wir hatten unzählige Bio-Müsli. Da ist weniger mehr“, meint der Bio-Pabst.
Originalität und Regionalität sind gefragt. „Wir müssen nach Bio-Produkten suchen, die es noch nicht gibt, gerade in der Frische“, erklärt Pabst. Das kann zum Beispiel Bio-Paprika von der Insel Reichenau sein. Das ist zwar kein typisches, aber ein regional erzeugtes Produkt, das vom Bodensee zu Hieber geliefert wird.
Am Backstand signalisieren grüne Leisten Bio-Brot!Auch die Markenartikler wie Hengstenberg mit Sauerkonserven, Dr. Oetker und Ruf mit Desserts zum Anrühren wie Panna Cotta, Griesbrei und Milchreis haben sich in dem Vorzeigemarkt bereits durchgesetzt. „Bio läuft hier. Das ist keine Diskussion“, gibt Pabst zu erkennen. Mit den Bio-Sortimenten will die Industrie zusätzlichen Platz in den Märkten erobern. Das Interesse des SEH ist da oft gegenläufig. Er möchte konventionelle durch Bio-Artikel ersetzen.
Leitsystem für Bio-Produkte
Der Bio-Käse wird in der Theke durch Klebebänder hervorgehobenDie Bio-Produkte sind am grün umrandeten Regaletikett erkennbar. Bei O+G signalisieren Teppiche auf dem Boden dem Kunden: Hier gibt es biologische Produkte. Dieter Hieber denkt aber über ein erweitertes Leitsystem nach, um die Bio-Kompetenz noch mehr zu betonen. „Wir müssen das stärker kommunizieren und im Eingangsbereich bereits sichtbar machen“. Die elektronischen Regaletiketten, könnten hierfür noch stärker genutzt werden, etwa durch Einspielen des Bio-Siegels. Die Stärken des Händlers liegen in der Frische. 52 Prozent beträgt der Anteil am Umsatz. Das gilt noch nicht für das Bio-Sortiment, das im LEH lange Jahre trockenlastig war.
Empfangen wird der Kunde mit dem bunten Obst- und Gemüse-Markt, der für gute Einkaufslaune sorgt. Je nach Saison sind 70 bis 80 Bio-Produkte vorhanden. Dazu zählenBlattsalate, vor denen der LEH noch oft genug zurückschreckt. Auch Gemüse wie Mangold und Kohlrabi, die nicht ganz oben in der Verbrauchergunst stehen, werden dem Kunden angeboten. Die Abteilungsleiterin für Obst und Gemüse hatte es schwer mit dem Aufbau des Bio-Sortiments. Die Kunden kauften schneller als Platz zur Verfügung gestellt wurde. Mit viel Durchsetzungsvermögen hat sie mehr Fläche für eine breitere Bio-Präsentation erkämpft.
Naturkostfachverkäufer M. Danker kann Fragen kompetent beantworten. Das Edeka-Fruchtkontor beschafft das Grundsortiment, das von Hieber durch eigene regionale Beschaffung ergänzt wird. Heimische Bio-Gärtnereien, die sich zum Ökoring zusammengeschlossen haben, liefern Gemüse. Diese Initiative hat der selbstständige Einzelhändler ins Leben gerufen. Mit diesem grünen Bio-Sortiment kann Hieber gegenüber der Konkurrenz punkten. Das kann der Discounter gegenüber nun mal nicht bieten.
Mehr als die Großhandlung bietet
Yannick & Fee und Ritter Sport sind neu auf dem Bio-Markt
„Meine Vision ist soviel als möglich aus der Region zu holen. Wir brauchen Vielfalt und Abwechslung. Was Edeka für uns leistet ist sehr gut, aber wir brauchen noch mehr“, erläutert Geschäftsführer Hieber. Den Kaufmann stört im grünen Sortiment die verpackte Bio-Ware. Er bevorzugt lose: „Plastik steht im Widerspruch zur Ökologie. Verlusten durch Verwechslungen beugt er durch gleiche Preise etwa bei konventionellen und Bio-Kiwi vor.
Im Kühlregal der O+G-Abteilung hat er die frischenBio-Soja-Produkte platziert. Drei Lieferanten für die Fleischersatzprodukte bringen Schwung ins Sortiment. Darunter auch die Hexerküche aus dem benachbarten Lörrach. Der Edeka-Händler hat die Produkte eingeführt, als Soja im LEH noch nicht gängig war: „Das dauert eine Weile, bis die Dinge funktionieren. Da muss man am Anfang die Zähne zusammenbeißen“.
An der Spezialitäten-Theke bekommt der KundeBio-Delikatessen vom Parma-Schinken bis zur italienischen Salami. An der Fleischtheke gibt es Bio-Rind von einer regionalen Erzeugergemeinschaft. Der Lebensmittelhändler gibt der Fleisch-direktvermarktung Gersbach und Wies aus dem Schwarzwald eine Abnahmegarantie. So sichert Hieber die eigene Versorgung und fördert gleichzeitig die biologische Landwirtschaft. Die Mitarbeiter des Edekaners besuchen die Bio-Bauernhöfe regelmäßig und sind dadurch mit dem Thema Bio-Fleisch vertraut. Bio-Wurst hergestellt von Rack & Rüther aus Fuldabrück wird in Bedienung angeboten. 25 Sorten an Roh-, Brüh-, und Hochwurst aus Schweinefleisch bieten die Hessen dem Handel an.
An der Fischtheke werden Pangasius, Forelle und Lachs aus biologischer Aquakultur und Bio-Feinkostsalate verkauft. Die Deutsche See liefert die Premium-Produkte für anspruchsvolle Kunden. Ohne das tägliche Brot ist keine Bio-Mahlzeit komplett. Am Backstand werden Bio-Backlinge von Pan Expert fertig gebacken und die Bioland Bäckerei Schneider aus heimischen Gefilden liefert frisches Brot.
Bio-Käse-Spezialitäten in Bedienung
In der Käse-Theke werden Bio-Spezialitäten präsentiert. Von zwei bis 3,50 Euro sind sie über dem SB-Sortiment positioniert. Die Fachgroßhändler Jäckle, Haider, Fromi und die Chäschuchi (badisch für Käseküche) aus Gersbach liefern 40 Bio-Käse. Zusätzlich gibt es acht Bio-Käse im Prepacking. Im Kühlregal werden neben den etablierten Bio-Molkereiprodukten auch innovative Sortimente wie frische Teigwaren von Hilcona aus der benachbarten Schweiz mit Erfolg abgesetzt.
Wein wird mit Fachberatung verkauftDie Weinabteilung mit 2.500 Sorten ist gut mit Bio-Tropfen besetzt. Eine Weinberaterin verkauft aktiv. Neben internationalen Bio-Weinen von Mack & Schühle kommen die heimischen badischen Bio-Winzer zum Zug. Die Weingüter Kauffmann, Zähringen und das Hofgut Sonnenschein stehen zum Beispiel in den Regalen. Mit dem Pfaffenkeller ist noch ein regionaler handwerklicher Hersteller unter anderem mit Edelbränden und Likören vertreten.
Im Trockensortiment gibt es regionale Produkte der Dösserich Mühle in Binzen und der Birlin Mühle in Rheinfelden. Mit Steck Bio-Feinkost aus dem Schwarzwald und Mayka aus dem nahen Schliengen mit Bio-Knabberartikeln sind Hersteller aus der Region gelistet, die national agieren. Di Gennaro, der Großhändler aus Stuttgart, liefert italienische Feinkost und der Bio-Hersteller Isana ist ebenfalls mit mediterraner Feinkost vertreten.
Panificio Italiano bietet verpacktes hochwertiges Brot an. Mit „Unser Brot“ zum Fertigbacken sind zeitgemäße bequeme Produkte in Bio-Qualität vorhanden.
Die etablierten Lieferanten wie Bio-Zentrale und Rinatura sind mit ihren breiten Trockensortimenten vertreten. Bei einigen Warengruppen hat Hieber ein kompetentes Sortiment zusammengestellt: So bei den vegetarischen Aufstrichen unter anderem mit Verival aus Österreich und Bionor, einer Marke von Cosa-Naturprodukte aus Freiburg. „Die Aufstriche sind durch die Bio-Branche erst salonfähig geworden“, bemerkt Pabst.
Guter Start für Ritter Bio
Küchenmeiser {_umbruch_}Rafaela Solito bietet selbstgemachte Spitzenteigwaren in Zukunft auch in Bio-QualitätBei den Süßwaren ist Ritter Sport Bio-Schokolade mit den kleinen Quadraten nach dem Start im April gut angelaufen. Bei der Tafelschokolade dominiert weiter die Gepa mit ihrem breiten Sortiment. Ökovital Bonbons und Bärchen hat Hieber ebenfalls viel Platz eingeräumt. Süßwaren in Bio-Qualität sind im Kommen. Im Juli startete der Edeka-Händler ein Kinder-Projekt mit 50 Bio-Produkten, die Mehrwert und Nährwert bieten. Himbeer-Marmelade kindgerecht ohne Kerne hergestellt gehört dazu, um die Kleinen für Bio zu gewinnen. Mit Yannick & Fee, Bio-Gourmet, Stellisch Trockenfrüchten und den Ecoland Gewürzen wird die Premium-Schiene bedient.
In der Pastaküche im Hieber's Frische Center in Grenzach stellt Küchenmeister Raffaele Solito Pasta selbst her. Die handgemachten Spitzenteigwaren werden an der Spezialitäten-Theke verkauft und im Bistro mit passenden Soßen serviert. „Wenn Sie wieder kommen, gibt es Pasta in Bio-Qualität“, kündigt er an. Die veränderten Rohstoffe und Zertifizierung würde er auf sich nehmen, wenn das noch mehr Aufmerksamkeit verheißt.
Der Rundgang in Hieber’s Frische Center zeigt, wie Bio-Produkte die Regale beleben. Immer wieder ist der Ruf nach Innovation im Handel zu hören: Bio-Hersteller können sie liefern. Müsli, Soja, Dinkel, vegetarische Aufstriche, Malz-Limonade à la Bionade, Reiswaffeln, gelatinefreie Fruchtgummis, alternative Süßmittel sind Produkte, die durch die Bio-Branche populär oder sogar erfunden wurden.
Anton Großkinsky