Editorial
Editorial Ausgabe 55/Mai 2008
Liebe Leserin, lieber Leser!
Die Phase der rundum Unterstützung für Bio durch die deutsche Politik ist schon einge Zeit her. Statt dessen hat die konzertierte Gegenbewegung Fahrt aufgenommen. Politik ist schrecklich anzuschauen, wenn sie gegen den Strom zieht. Unvernunft wirkt dann kaum noch erträglich.
Nachdem es zum guten Ton gehört, für Bio überall positive Stimmung zu erzeugen, ist das Wetter jetzt wechselhafter. Zur Rettung der Welt ist neuerdings die grüne Gentechnik unausweichlich. So jedenfalls ist es im öffentlich rechtlichen TV zu sehen und zu hören. Und sie schlagen kräftig auf die Pauke, die Gen-Kommunikationsberater. Auch wenn die Manipulation für manche Ohren leicht durchschaubar ist und sich anhört wie böse Angstträume, ist nicht zu verhehlen, dass allein die Stimme zu bester Sendezeit bei vielen ihre Wirkung nicht verfehlen wird.
Wer es versteht, sich an Argumente zu halten, spürt sofort, dass wahrhaftige Leute für viele positive Eigenschaften bei Bioprodukten kämpfen. Das lässt auch für die Zukunft hoffen. Noch neigt sich die Waage zu Gunsten der Natur und deren Regenerationskraft. Die Umwelt mag belastet werden durch egoistische Profitgier und Angst im Kampf ums Überleben und doch kommt die Vernunft immer wieder zum Vorschein.
Neuerdings werden Fragen gestellt wie: "Was ist eigentlich anders an Bio?" Und es kommen positive Antworten: Nicht nur der "gefühlte bessere Geschmack" auch die Wissenschaft wird mit großem Millionenaufwand auf die Probe gestellt. Von ihr kommen die Aussagen, die von der Biobranche aus gutem Grund eher zurückhaltend behandelt wurden. Mehr Inhaltsstoffe und höherwertige Eigenschaften stehen im Fokus. Im Gegensatz zur laschen Geschmackslosigkeit gedopter Lebensmittel, die nun auch noch gentechnisch mit fremdartigen, ja unanständigen "Funktionen" belastet werden sollen.
Wer angesichts einer Realität der flächendeckenden GVO-Ablehnung vom Rettungsanker der Welt spricht und dabei doch nur neue Monopole in die Welt setzen will, zeigt die pure Arroganz. Sie ist ein Relikt des vorletzten und allenfalls des letzten Jahrhunderts. Sie wollen nicht das Beste für die Menschheit sondern den höchstmöglichen Gewinn für eine kleine Clique von Profiteuren.
Um das nicht misszuverstehen. Unsere Wirtschaft ist abhängig von Gewinnen. Auch die Biobranche lebt gut vom Mehrwert und nur durch ihn ist sie in der Lage, Bio für ALLE überhaupt realisieren zu wollen. Nicht der Gewinn an sich wird in Frage gestellt, sondern die Verteilung dieser Gewinne. Anstelle von wenigen Zentralen sollen Viele (mit)gewinnen. Dezentrale Vernetzungen mit überschauberen Strukturen sind gefragt. Die Biobranche ist in dieser Hinsicht ihrer Zeit voraus.
Gerade die Lebensmittelversorgung gehört aus vielerlei Gründen nicht in die Hände von Wenigen. Der Weg in den Mainstream heißt nicht, dass Masse die Klasse ersetzen soll. Auch nicht Klasse statt Masse. Massenhaft Klasse ist gefragt! Und das möglichst für jeden bezahlbar.
Bio als Marketinggag und das noch zentral gesteuert? Ein gutes Marketing bewegt den Biomarkt. Klar! Wo aber das Marketing nur noch aus Ehrgeiz bei höchstmöglicher Anpassung oder Unerfahrenheit besteht, gehen die eigentlichen Ziele verloren. Bio für Alle geht nur mit Allen. Auch klar! Das heißt jedoch nicht, dass die Biovermarktung auf das Niveau der Bildzeitung absacken oder die Bäckerblume die Führungsrolle übernehmen muss. Zwei Seiten Bio im wöchentlichen Werbeblatt sind auch nicht unbedingt zielführend.
Die Bionachfrage in allen Supermärkten bringt einige Gemüter zum Kochen. Und nicht Wenige verlieren ihre Souveränität an die Angst vor dem eigenen Erfolg. Es gibt Mahnungen, dass "echt" Bio nur von hier sein darf. Der Rest der Welt ist ungeeignet, weil eben zu weit weg oder doch einfach nur Konkurrenz? Tun wir uns einen Gefallen, wenn wir andere diskreditieren? Oder gehen wir besser den Weg zu 100 Prozent Bio?
Wir brauchen Bio aus der Region und aus Italien oder Spanien. Der Markt besteht aus dem Fachhandel und dem herkömmlichen Handel mit seinen mehr als 20 Lebensmittel-Vermarktungswegen.Geliefert wird heute von Markenanbietern wie von klassischen Bioherstellern aus dem In- und Ausland.
Bioprodukte finden viele Wege in den Einkaufskorb und auf den Teller: Eigenmarken über Zentrallistungen, Dachmarken auf Strecke und neuerdings auch breite Vollsortimente von unterschiedlichen Großhändlern. O+G, Käse, Fleisch- und Wurstwaren, TK oder Getränke müssen nicht mehr fehlen, weil die Vorstufe nur beschränkt liefern kann. Wer über Marketing hinaus auch Wege in die Regale kennen lernen will, findet im September Antworten auf dem 3. Bio Handels-Forum in Köln.
Erich Margrander
Herausgeber