Start / Ausgaben / BioPress 53 - November 2007 / Bio-Aufbruch im Weinregal

Wein

Bio-Aufbruch im Weinregal

Die Zeit ist reif. Immer häufiger sind zertifizierte Bio-Weine im LEH anzutreffen. Auch bei Discountern werden erste Exemplare gesichtet. Früher war dieses Angebot fest in der Hand des Bio-Handels.


Professionelle Weinvermarktung im Bio-Supermarkt im Füllhorn Heidelberg.
Von den Messen zu Jahresbeginn ging ein klares Signal aus: Bio-Wein ist mehr denn je gefragt. Es begann mit großem Andrang bei der Millésime Bio in Narbonne (Südfrankreich) im Januar, setzte sich mit Rekordbesuch bei der BioFach in Nürnberg im Februar fort, und auch im März bei der Prowein in Düsseldorf war Bio-Wein eines der großen Themen. Doch stellt sich die Situation in den verschiedenen Marktsegmenten unterschiedlich dar. Der Bio-Handel arbeitet meist mit größeren Weinangeboten und macht etwa drei Prozent seines Umsatzes damit. Gerade die besonders erfolgreichen Bio-Supermärkte zeigen mit ihren umfangreichen und attraktiven Weinabteilungen die Richtung an. Der LEH gibt nun allmählich seine bisherige Zurückhaltung auf. Weinfachhandel und Gastronomie haben noch den größten Nachholbedarf.

Geringes Bio-Wein-Angebot

Dass Bio-Wein mit erheblicher Verzögerung im LEH Einzug hält, hat Ursachen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Zunächst hält sich das Angebot durch die relativ geringe Bio-Quote beim Wein in Grenzen. Zum Beispiel beträgt der Bio-Anteil an der deutschen Weinbaufläche gerade mal 2,5 Prozent gegenüber knapp fünf Prozent in der gesamten Landwirtschaft. In Italien, dem weltweit größten Bio-Wein-Produzenten sind die entsprechenden Zahlen vier Prozent gegenüber acht Prozent. Zusätzlich wird das Angebot dadurch begrenzt, dass die Erträge bei den Bio-Winzern geringer sind als bei ihren konventionellen Kollegen. Deutliches Wachstum gibt es zurzeit vor allem in Frankreich, Griechenland, Österreich und Chile.

Aber auch auf der Nachfrageseite gab es lange Zeit Hindernisse. Die Themen Bio und Alkohol waren früher wenig kompatibel. Die Sensibilität für Bio-Produkte war bei den Verbrauchern zunächst am höchsten bei Obst, Gemüse, Getreide- und Milchprodukten. Durch die erfolgreiche Verknüpfung von Bio mit Themen wie Genuss und Wellness hat sich das allerdings grundlegend geändert. Bio-Produkte dringen nun in immer mehr Segmente des Lebensmittelhandels ein, zum Beispiel Fleisch und Wurst, Getränke und eben auch Wein.

Wein profitiert vom Bio-Boom


Gondelkopf im Edeka-Center Osnabrück
Als einzige der LEH-Ketten ist die Firma Tegut schon seit vielen Jahren in Sachen Bio-Wein aktiv. Ihre 310 Filialen befinden sich in Hessen, Thüringen und Nordbayern. Mehr als eine halbe Million Flaschen wurden im letzten Jahr verkauft. Das Angebot umfasst bereits 140 Sorten und soll nach Angaben von Ralf Schwarz, Fachleiter für Getränke und Mitglied der Geschäftsleitung, weiter ausgeweitet werden. In den Globus-Verbrauchermärkten werden inzwischen immerhin 43 Bio-Weine angeboten. Sie stehen im geschlossenen Block und sind deutlich markiert. Die Umsätze stiegen dadurch deutlich. Das Bio-Wein-Angebot in den Märkten von Kaiser`s Tengelmann ist im Jahr 2006 auf zehn Sorten angewachsen. Neu ist zum Beispiel ein Prosecco Frizzante. Insgesamt wurden etwa 400.000 Flaschen abgesetzt. Der Umsatz stieg um 35 Prozent. In Märkten mit ausreichend Platz wird mit einer Zweitplatzierung in einem Holzständer gearbeitet. Auch bei Metro sind stattliche 30 Prozent Zuwachs zu verzeichnen. Sechs Sorten Bio-Wein werden derzeit angeboten. In den real- und Metro-Märkten sowie in den Kaufhof-Häusern gingen etwa 500.000 Flaschen über den Scanner.

Erste Bio-Weine im Discount zu Tiefstpreisen

Bei den Discountern wird Bio-Wein bisher nur punktuell angeboten. Aldi hatte im Jahr 2006 für einige Monate einen Montepulciano d’ Abruzzo DOC für 1,99 Euro (!) im Angebot, Plus hat derzeit einen Chardonnay IGT aus Sizilien für 2,79 Euro und Lidl einen Inzolia aus Sizilien für 2,49 Euro. Norma hat einen sizilianischen Nero d’ Avola fest im Sortiment und fuhr darüber hinaus im letzten Jahr Aktionen mit Bio-Wein. So etwa mit einem Sangiovese aus der Region Marken oder eine Deutschland-Aktion mit Riesling und Grauburgunder sowie mit Bio-Glühwein.


Es ist sicher kein Zufall, dass die Discounter vor allem mit italienischen Gewächsen in den Bio-Wein-Markt einsteigen. Vor allem in Süditalien wird nach wie vor ein erheblicher Teil des zertifizierten Bio-Weins konventionell vermarktet, Spätfolge der EU-Subventionierungspolitik der 90-er Jahre, die zwar die Umstellung förderte, aber nichts für die Vermarktung tat. Dadurch sind manche Produzenten mit einem relativ geringen Bio-Aufpreis zufrieden. Für den Bio-Wein-Markt sind solche Angebote aber problematisch, da sie dem Verbraucher den Eindruck vermitteln, dass Bio fast ohne Aufschlag zu haben ist.

Größter Lieferant für Bio-Weine im LEH ist die Peter Mertes Weinkellerei in Bernkastel-Kues. Sie ist schon seit einigen Jahren in diesem Marktsegment aktiv. Geschäftsführer Michael Willkomm denkt langfristig: „Der Bio-Anbau ist die Zukunft des Weinbaus." Bei der Zusammenarbeit mit den deutschen Bio-Winzern setzt man inzwischen zunehmend auf Fünf-Jahres-Verträge. In der Bio-Range gibt es sechs deutsche und sieben Importweine. Im letzten Jahr erhielt die gesamte Range ein neues Outfit.

Im Gegensatz zur Firma Mertes arbeitet die Saarbrücker Firma Pistorius, die zur Herzberger-Gruppe gehört, ausschließlich mit Erzeugerabfüllungen. Dem LEH werden derzeit 40 Sorten Bio-Wein angeboten. Christof Pistorius zeigt sich sehr zufrieden: „Wir haben im letzten Jahr um mehr als 20 Prozent zugelegt, und konnten mit 700.000 Flaschen etwa drei Millionen Euro umsetzen." Auch für die Zukunft ist Pistorius optimistisch: „Die Offenheit bei den LEH-Einkäufern wächst deutlich."20 Prozent Umsatzzuwachs meldet Wolfgang Zähringer, geschäftsführender Gesellschafter der Firma ‚Biovin-Kontor’ im südbadischen Hei- tersheim, Sie bietet sowohl die Gewächse der angeschlossenen Erzeugergemeinschaft an, als auch eine Reihe von Importweinen. Insgesamt werden etwa 600.000 Flaschen an den LEH geliefert. Von Umsatzzuwächsen berichtet auch Alois Scholler, Vertriebsdirektor bei der Firma Schenk in Baden-Baden. Zwei Weine aus Italien wurden neu ins Bio-Programm genommen, das jetzt insgesamt sieben Sorten umfasst.


Seit letztem Jahr beliefert auch die Radolfzeller Firma ‚Bionisys’ den LEH mit Bio-Weinen. Hier kooperieren die Firmen Peter Riegel, die für Beschaffung und Qualitätssicherung zuständig ist, sowie ‚Mack und Schuehle’, die sich um den Vertrieb kümmert. Als besonderen Service trägt jede Flasche auf dem Rückenetikett eine Codenummer, über die Kunden und Händler ausführliche Produktinformationen im Internet abrufen können. Zusätzlich werden die Weine nach einem Ranking in drei Stufen eingeteilt, wobei sowohl die Weinqualität als auch das ökologische und soziale Engagement der Produzenten bewertet wird. „Wir setzen auf die Wertigkeit unserer Weine", erklärt Vertriebsleiter Dirk Haux und zieht eine positive Zwischenbilanz: „Unser Qualitätskonzept hat beim Handel eine positive Resonanz gefunden."

Im Sommer 2005 führte die BremerFirmengruppe Eggers & Franke die Bio-Weinlinie ‚La Natura’ ein. Dem LEH werden vier, dem Fachhandel fünf Weine angeboten. Im Jahr 2006 konnte man bereits 110.000 Flaschen Bio-Wein absetzen.

Bio-Wein gibt’s noch gar nicht


Das Buch von Wolfram Römmelt kommt gerade zur rechten Zeit. Es erklärt vom Weinberg bis zur Flasche alles, was die Bio-Winzer tun und was sie bewegt.
Bei allem Optimismus bleiben aber doch noch einige branchenspezifische Probleme. Genau genommen gibt es überhaupt noch keinen Bio-Wein. Die EU-Bio-Richtlinie 2092/91 regelt nämlich nur die Arbeit im Weinberg, nicht aber die im Keller. Deshalb lautet die offizielle Sprachregelung: „Wein aus biologisch angebauten Trauben". Und genau so lautet auch die Botschaft des Bio-Weins: ‚Er ist gut für den Boden und gut für die Umwelt, aber im Keller gibt es keine großen Unterschiede zum konventionellen Wein. Genau dies entpuppt sich aber gegenüber dem LEH-Kunden als Mangel. Während gut informierte Kunden wissen, dass die Arbeit im Weinberg einen wesentlichen Beitrag zur Qualität ihres Lieblingsgetränks leistet, glauben viele Normalverbraucher, dass Wein hauptsächlich im Keller „gemacht" wird. Sie machen den Kellermeister für den Wohlgeschmack und vor allem auch für die Bekömmlichkeit ihres Weins verantwortlich. Deshalb braucht Bio-Wein auch eine Botschaft aus dem Keller, etwa derart: mit wenigen Eingriffen schonend erzeugt, wenig manipuliert und besonders bekömmlich.

EU-Richtlinie für den Keller in Arbeit

Im Jahr 2009 will die EU Richtlinien für die Arbeit im Bio-Weinkeller einführen. Derzeit sind Arbeitsgruppen auf nationaler und internationaler Ebene mit den Vorbereitungen beschäftigt. Damit besteht jetzt die Chance, die bisher noch fehlende Botschaft aus dem Keller nachzuliefern. Noch sind sich jedoch die verschiedenen Erzeugerländer nicht darin einig, wie die zukünftigen Bio-Kellerrichtlinien aussehen sollen. Und wie am Ende die EU die Interessen von Erzeugern, Verbrauchern und Handel unter einen Hut bringt, steht in den Sternen.

Entscheidend für die Zukunft des Bio-Weins wird sein, ob es ihm gelingt, ein positiv besetztes Image in der breiten Öffentlichkeit aufzubauen. Dazu könnten die immer zahlreicher werdenden Bio-Spitzenbetriebe wesentlich beitragen, doch fällt auf, wie defensiv viele von ihnen mit der Bio-Botschaft umgehen. Manche möchten am liebsten gar nicht darüber kommunizieren. Dahinter steht die Befürchtung, mit dem früheren Negativ-Image in Berührung zu kommen. Dieses stammt aus einer Zeit, als nur wenige Unentwegte das Risiko eingingen, ohne Beratung und ausreichende Erfahrung auf den chemischen Pflanzenschutz zu verzichten. Die Kellerarbeit stand bei diesen Pionieren nicht im Mittelpunkt. Heute ist die Situation aber ganz anders: Die Effizienz des Pflanzenschutzes bei den Bio-Winzern und bei ihren konventionellen Kollegen ist absolut vergleichbar. Jetzt besteht die Chance, dem Bio-Wein auch in Sachen Kellerarbeit eine unverwechselbare Identität zu geben.

Wolfram Römmelt

[ Artikel drucken ]


Das könnte Sie auch interessieren

Fachmesse für Herkunftsweine Vinvin lädt nach Mainz

‚Maxime Bottleshow‘ und ‚Nahe goes Mainz‘ bündeln Kräfte

Fachmesse für Herkunftsweine Vinvin lädt nach Mainz © Weinland Nahe e.V., Maxime Herkunft Rheinhessen e.V.

Mehr als 100 Weingüter aus Rheinhessen und der Nahe werden sich am Samstag, 26. April, ab 14 Uhr zur neuen Fachmesse Vinvin im Alten Postlager in Mainz präsentieren. In Aussicht stehen die exklusive Verkostung seltener Kabinett-Versteigerungsweine, Masterclasses mit Sommeliers und Weinexperten, eine Weinbar und Aftershowparty für Austausch und Genuss in entspannter Atmosphäre.

24.04.2025mehr...
Stichwörter: Wein

Grünes Licht für alkoholfreien Bio-Wein

EU ergänzt Öko-Verordnung um Vakuumdestillation

Grünes Licht für alkoholfreien Bio-Wein © stock.adobe.com/ZoomTeam

Ab dem 18. März darf entalkoholisierter Bio-Wein in der EU wieder als Bio ausgelobt werden. Dann tritt die Neu-Zulassung des Vakuumdestillationsverfahrens durch die EU-Kommission in Kraft. Dadurch wird eine Rechtslücke, die seit 2023 aufgrund eines Versäumnisses in der EU-Öko-Verordnung bestand, geschlossen.

04.03.2025mehr...
Stichwörter: Wein

Eurovino 2025: Nachhaltiger Bio-Wein im Fokus

40 Jahre Ecovin, Nachhaltigkeitscheck und Trendthema alkoholfrei

Eurovino 2025: Nachhaltiger Bio-Wein im Fokus © Messe Karlsruhe / Lars Behrendt

Am 9. und 10. März öffnen sich zum zweiten Mal die Türen der Wein-Fachmesse Eurovino in Karlsruhe. Über 400 Weinerzeuger und -vermarkter werden Besuchern aus Handel, Gastronomie und Hotellerie ihre Neuheiten und Highlights präsentieren, darunter über 30 Bio-Weingüter. Der Bioweinbauverband Ecovin zeigt im Jubiläumsjahr erneut mit einem Gemeinschaftsstand Präsenz. Neben dem Schwerpunktthema Nachhaltigkeit rückt die Eurovino 2025 auch das Trendthema ‚alkoholfrei‘ in den Fokus.

27.02.2025mehr...
Stichwörter: Wein