Rewe
Post von Caparros
Rewe Scholand in Mülheim an der Ruhr erregt mit Bio-Preis Aufmerksamkeit
Rund 1.000 Bio-Produkte vermarktet Selly-Preisträger Rewe Scholand mit 48 Mitarbeitern auf 750 Quadratmeter in Mülheim an der Ruhr. Auf die Selly ist Inhaber Kai Scholand besonders stolz, wie er erzählt. Warum, dazu später mehr. Der Supermarkt macht einiges anders als andere. Konsequente Sortimentsplatzierung und Kennzeichnung mit Regalstoppern akzentuieren Bio-Lebensmittel deutlich. Scholand fordert moderne Produkte für den Supermarkt-Kunden von heute. Obst und Gemüse ist ein Schwerpunkt im Bio-Sortiment, wie meist im klassischen Supermarkt. Daneben hat er ein hervorragendes Trockensortiment, während Kühlprodukte und Bedienungsware nur spärlich vorhanden sind.
An der Hauptverkehrsader Essener Straße, die Mülheim an der Ruhr vierspurig durchzieht, liegt Rewe Scholand umgeben von Parkplätzen und mit einem Aldi nebenan. Fast unvermeidlich am Sitz des Discount-Riesen, der den Einwohnern hier als lokaler Händler gilt. 2001 hat Kai Scholand, 37, den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Die Geburtswehen waren heftig. „Heute macht die Obst- und Gemüseabteilung mehr Umsatz als im ersten Jahr der gesamte Markt", berichtet der Einzelhändler von der Aufwärtsentwicklung.
Statt Sonderangebote zu machen ging er in die Qualitätsoffensive. Der deutsche Fruchtpreis wurde anvisiert und 2004 eingestrichen. Supermarkt des Jahres 2007 und die bronzene Selly 2007 im Bio-Handelswettbewerb der CMA sind weitere Preise, die der Aufsteiger unter den Rewe-Kaufleuten gewonnen hat. Das dient nicht der Befriedigung der Eitelkeit des Inhabers, sondern ist Bestandteil des Vermarktungskonzepts. Plakatwände in Mülheim künden von den Preisen. „Das lockt mehr Kunden in den Markt als jedes Sonderangebot", freut sich der Reweaner.
Stolz auf die Selly
Obwohl er schon erste Plätze bei anderen Handelswettbewerben im Trophäen-Schrank hat, ist er auf Bronze beim Bio-Handelswettbewerb besonders stolz. Rewe-Vorstandsvorsitzender Alain Caparros schickte ein Dankesschreiben. Es kam während des bioPress-Besuchs mit der aktuellen Post. „Das habe ich so noch nicht erlebt," erzählt Scholand. Wettbewerbe nimmt die Supermarkt-Belegschaft zum Anlass, sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen. Die Auseinandersetzung wird nach der Vergabe der Preise dauerhaft weiter geführt.
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir eine Selly bekommen. So weit vorne sehe ich uns bei Bio noch nicht", bleibt Scholand bescheiden. So war die Mannschaft auch auf Bronze stolz, zumal in der Kategorie bis 800 Quadratmeter Silber und Gold nicht vergeben wurden. „Wenn keiner die Kriterien erfüllt, ist die Entscheidung der Jury positiv und glaubwürdig".
Scholand macht einiges erfrischend anders als seine Kollegen. Verrückte Werbeaktionen bis an die Grenze zur Satire werden gefahren. Als „bekloppte" Supermarkt-Mannschaft haben sie sich in der Stadt einen Namen gemacht. Aber da wird nicht nur geklappert, da wird auf der Fläche auch solides Handwerk gemacht und Bio-Kompetenz aufgebaut.
Der SEH kommt um das Thema Bio nicht herum. Der Blick in den heimischen Kühlschrank hat es dem Händler vor Augen geführt: „Wenn dort zu 70 Prozent Bio-Produkte stehen, muss ich mich auch beruflich damit beschäftigen". Aus dem Angebot der Rewe Dortmund hat er ein sinnvolles Sortiment zusammengestellt: „Ich muss aus dem, was mir zur Verfügung steht, das Beste machen".
Insgesamt stehen 14.000 Produkte auf der Fläche, davon etwas mehr als 1.000 in Bio-Qualität. Der Bio-Umsatzanteil dürfte bei fünf Prozent liegen. Das Warenwirtschaftssystem macht eine Auswertung aktuell nicht möglich. Aber eine Bio-Kennzeichnung wird eingeführt.
Bio will er schick und stylisch präsentieren. Altbackene Verpackungen mag der Selbstständige gar nicht: „Mir geht es um den konventionellen Kunden. Wir wollen die Leute dazu bringen, sich mit Bio zu beschäftigen".
Befreiung aus dem Bio-Block
Vor einem Jahr wurde der Bio-Block aufgelöst und die Sortimentsplatzierung eingeführt. Nach drei Monaten stand ein Umsatzplus von 35 Prozent zu Buche. Doch nicht nur wirtschaftliche, auch konzeptionelle Gründe sprachen gegen den Block: „Ich will keine Kunden in eine Ecke abschieben". Der Durchschnittskunde passiert auf seinem Lauf durch die Gänge solch ein Bio-Ghetto, ohne nach den Produkten zu greifen.
Der Bio-Block brachte kein Wachstum mehr und ist irgendwann auch nicht mehr erweiterbar. In der Sortimentsplatzierung können neue Artikel leichter integriert werden, indem ein schwacher konventioneller Artikel herausgenommen wird.
„Bei Obst und Gemüse hat die Zuordnung nicht funktioniert", erklärt der Kaufmann. Gleich am Eingang hat er deshalb einen Bio-O+G-Block auf Strohballen geschaffen. „Das kommt besonders bei Kindern gut an". In der rot-grünen Abteilung sind die meisten Artikel noch einmal zugeordnet.
Bei Bio-Obst und -Gemüse sind je nach Saison 30 bis 40 Artikel im Regal. Kompetenz zeigt er bei Bio-Topfkräutern. Hier sind neben den Standards Petersilie, Basilikum und Schnittlauch auch Koriander, Estragon, Salbei, Minze und mehr im Sortiment. Teamleiter Markus Gros vermisst die Bio-Exoten im Sortiment. Die sind nicht im Ordersatz der Rewe-Dortmund.
8.500 Euro werden in der Essener Straße pro Quadratmeter umgesetzt. „40 Prozent unserer Kunden legen mehr als sieben Kilometer zurück. Das sind im Ruhrgebiet große Entfernungen. Deshalb bringen uns auch Handzettel nichts. Wo sollen wir die streuen?" fragt sich der 37-jährige. Die Auto-Kundschaft hat Platz für große Einkäufe und sorgt für einen Durchschnittsbon von mehr als 20 Euro. Rund 1.500 Kunden passieren täglich die Kassen, trotz oder wegen eines Aldi nebenan. Dessen Eröffnung hat Scholand zuerst Kopfzerbrechen bereitet: „Als eine Umfrage ergab, dass 97 Prozent unserer Kunden auch bei Aldi kaufen, waren meine Bedenken zerstreut."
Regalstopper als Leitsystem
Dem Kunden-Ansturm wird mit reichlich freundlichem Personal begegnet. Die Begrüßung er-weist sich als einfaches und wenig kostenintensives Kundenbindungsmittel, das im Handel teilweise verloren gegangen ist. Bio wird auffällig präsentiert. Regalstopper mit dem Bio-Siegel fungieren als Leitsystem. Im Backshop im Vorkassen-Bereich liefert der regionale Bio-Großbäcker Backbord frisches Brot. Frische Bio-Backwaren in Selbstbedienung stehen noch auf der Wunschliste von Scholand.
Der Jung-Unternehmer geht seinen eigenen Weg mit der Rewe. Er vergleicht seine Preise nicht mit der Konkurrenz und besichtigt keine fremden Märkte. Das hat zum Ergebnis, dass er mehr Bio wagt als andere und weniger gleichförmig daher kommt. Bei Bio-Backmischungen bleibt er nicht im Bio-Vollkornbrot-Klischee stecken, sondern hat den Mut zu Waffel- und Pfannkuchen-Mischungen. Neben den etablierten Gut&Gerne und Organic farm gibt er zum Beispiel dem neuen Bio-Sortiment der Marke Ruf eine Chance.
Bei den Desserts zum Anrühren hat er Alternativen zum konventionellen Produkt: Puddingpulver, Griesbrei und Milchreis unterschiedlicher Hersteller wie Bode und BioVita bereichern das Sortiment. Im Sommer wurden Bio-Backzutaten eingeführt. Vor Weihnachten wird sich zeigen, ob die Kunden sie annehmen. Orangeat, Zitronat, Sahnesteif, Vanillezucker, Speisestärke, Nüsse, Kerne aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) warten darauf zu Gebäck oder Kuchen zu werden. Bei den Süßmitteln bietet Scholand den Kunden ebenfalls Alternativen aus kbA. Neben dem Rohrohrzucker von der Gepa kann mit Rübenkraut der Bio-Zentrale, Apfel-Dicksaft von Rinatura oder Honig von Käfer gesüßt werden.
Ein buntes Bio-Bild
Im Nudelregal wird Abwechslung geboten, hell, dunkel und Dinkel, rot und grün geben ein buntes Bio-Bild ab. Beim Reis geht Scholand in die Tiefe: Langkorn, Basmati, Milchreis und Wildreis verschiedener Hersteller sind vorhanden. Hülsenfrüchte als fester Bestandteil des Vollsortiments werden auch in Bio-Qualität abgebildet. Kichererbsen, Erbsen, Linsen, Bohnen von Bode und Müllers Mühle werden geführt.
Bio-Gewürze halten langsam aber sicher Einzug in den LEH. War das Angebot bisher be-schränkt auf Kräutersalze und wenige Basis-Artikel wird immer mehr die ganze Breite gezeigt. Der Mülheimer Markt bietet zum Beispiel das umfangreiche Wagner Gewürzregal.
Auch bei den im LEH oft vernachlässigten Konserven zeigt der Selly-Preisträger Bio-Kompetenz: Die Gurke ist in den vier Varianten Gewürz, Scheiben, Sticks und Senf im Sorti-ment. Neben dem Standardartikel Sauerkraut bietet Scholand seinen Kunden Hokaido-Kürbis, Sellerie, Rotkohl, Paprika und Mais im Glas. Bei den Fruchtkonserven stehen Apfelmark, -mus, Pflaumen und Sauerkirschen zur Wahl. Und fast eine Seltenheit im LEH: Bio-Champignons gibt es als Konserve.
Convenience muss nicht unbedingt aus dem Kühlregal kommen: Kartoffelpüree und -knödel von Gut&Gerne versprechen Erfolg, da sie Zeit sparen in der Küche und eine gewisse Gelingsicherheit bieten. Die berühmten konventionellen Varianten zeigen das wirtschaftliche Potenzial, das in den Produkten steckt.
Ein Blick ins Kühlregal und die Bedienungstheken offenbart, warum die Jury beim Bio Han-delswettbewerb kein Silber gab. „Bei Bio-Fleisch sind wir auf der Suche nach einem Lieferanten und bei Bio-Käse in Bedienung sieht es schlecht aus", und zeigt auf die drei vorhandenen Sorten.
Bei den Getränken gibt es die üblichen Obst- und Gemüsesäfte. Bionade zählt natürlich auch an der Ruhr zu den Rennern. Ein Bio-Weinangebot mit einer zweistelligen Artikelzahl läuft prächtig, auch wenn der Außenstehende im Ruhrgebiet nur Pils-Trinker vermutet. Flensburger Bio hat der Kaufmann trotz des gehobenen Preises von 4,99 Euro für den Sechser-Pack mit Erfolg eingeführt. „Probieren lassen", heißt das Motto. Ein Probeschluck überzeugt manchen Bio-Skeptiker. Mit Bier und Bionade neue Bio-Kunden generieren. Für Rewe Scholand ist das im Moment ein erfolgreicher Weg.
Anton Großkinsky