Ernährung

Zucker im Kopf

Wie Ernährung das Gehirn krank machen oder fit halten kann

Zucker im Kopf © TATJANA BAIBAKOVA / stock.adobe.com_bis24

Zucker, Fett und Fertiggerichte: Die moderne, westliche Ernährung steht zunehmend in der Kritik – nicht nur wegen Übergewicht, sondern auch wegen der Folgen für die mentale Gesundheit, ein höheres Risiko für Demenz, Depressionen und Schlaganfälle. Die gute Nachricht: Mit einer vollwertigen, pflanzenbetonten Kost lässt sich gegensteuern und das Gehirn bis ins hohe Alter unterstützen. Unter dem Motto ‚Besser essen – klar im Kopf‘ beleuchtet die Fachzeitschrift für Gesundheitsförderung UGBforum in ihrer August-Ausgabe das Thema ‚geistige Fitness durch Ernährung‘. Ein Überblick. 

Weckamine, Methylxanthine oder Ginkgo biloba-Präparate: ‚Hirndoping‘ ist im Trend. Nach einer Studie der Universität Bielefeld haben sieben von zehn Befragten im vergangenen Jahr mindestens ein Mittel zur Leistungssteigerung genommen – wobei auch koffeinhaltige Getränke dazugerechnet wurden. 

Marco Weiergräber, Fachphysiologe und Professor an der Universität zu Köln, lehnt die Einnahme von sogenannten ‚Neuroenhancern‘ – Substanzen, die die kognitiven Fähigkeiten gezielt verbessern sollen – ab. „Da bei Gesunden keine medizinische Indikation im Sinne des pharmakologischen Neuroenhancement vorliegt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis zwangsläufig negativ“, schreibt er. Außerdem stehe eine Vielzahl risikofreier Alternativen zur Stärkung der geistigen Leistungsfähigkeit und Stimmung zur Verfügung. Wie man seine Ernährung mit Blick aufs Gehirn optimieren kann, ist Thema der neuen UGBforum-Ausgabe.

Der süße Teufelskreis

Die schädlichen Auswirkungen von zu viel Zuckerkonsum hat dabei Frank Erbguth dargelegt. „40 Prozent aller Demenzfälle und 90 Prozent aller Schlaganfälle wären vermeidbar“, schreibt der Präsident der Deutschen Hirnstiftung. Zu den Präventionsmaßnahmen zähle unter anderem die Vermeidung von Zucker als ‚neurotoxischer‘ Substanz. Eine dauerhafte Erhöhung des Blutzuckerspiegels durch zu viele und zu üppige Mahlzeiten sowie ständiges Snacken nebenbei befeuere die Entstehung von neurologischen Krankheiten, allen voran Demenz und Schlaganfälle. Bereits vor 20 Jahren habe eine Studie ergeben, dass eine fett- und zuckerreiche Kost die neuronale Plastizität stört und langfristig die Funktion des Hippocampus, des Gedächtnis- areals im Gehirn, beeinträchtigt. Dabei liege der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker heute immer noch fast doppelt so hoch wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen. „Durch einen dauerhaften Zuckerkonsum wird die kognitive Funktion nachhaltig geschädigt“, warnt Erbguth.

In welchen Teufelskreis zuckerreiche Kost einen befördern kann, erläutern Dieter F. Braus, Universitätsprofessor für Psychiatrie am Uniklinikum Hamburg Eppendorf, und Denise Linsmayer, Ärztin in der Vitos Klinik Eichberg. Nach dem Kohlenhydrat-Insulin-Modell fördern hohe Insulinspiegel nach kohlenhydratreicher Ernährung die Fettspeicherung und reduzieren die metabolische Verfügbarkeit von Energie. Die Folge ist ein stärkerer Genusshunger – Lust auf noch mehr Süßes und Kalorienreiches. 

Bei einer Studie aus Tübingen zeigte sich bei Probanden durch den Verzehr von hochverarbeiteten, kohlenhydratreichen Snacks bereits nach wenigen Tagen eine reduzierte Insulinsensitivität, während das Belohnungssystem vermehrt auf visuelle Reize von hochkalorischen Lebensmitteln reagierte. „Die Daten deuten darauf hin, dass kalorisch hochverdichtete Ernährung die neuronale Kontrolle des Essverhaltens bereits kurzfristig verändert“, folgern die AutorInnen. 

Dabei wurden in epidemiologischen Studien klare Zusammenhänge zwischen bestimmten Ernährungsmustern und dem Risiko für psychische Erkrankungen festgestellt. Die westliche Ernährung – geprägt durch einen hohen Konsum von Zucker, gesättigten Fetten, rotem Fleisch und verarbeiteten Lebensmitteln – werde mit einem erhöhten Risiko für Depressionen, Angststörungen und kognitive Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. Eine mediterrane oder pflanzenbasierte Ernährung dagegen werde mit einem deutlich geringeren Risiko für depressive Symptome assoziiert. Sie fördere die mikrobielle Vielfalt im Darm und antientzündliche Prozesse. Besonders gut belegt sei der schützende Effekt von Omega-3-Fettsäuren bei Depressionen.

Fit bis ins Alter

Auch mit Blick auf Demenz-Erkrankungen rückt die Ernährung als „potenziell modulierender Faktor“ immer stärker in den Fokus der Forschung, wie die Ökotrophologin Julia Katharina Schiele und Christian S. Keßler, Oberarzt für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin, erläutern. 
Die MIND-Diät etwa – kurz für Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay –, die wiederum auf den ‚Dietary Approaches to Stop Hypertension‘ (DASH) – Ernährungsansätzen zur Blutdrucksenkung – beruht, wurde gezielt zur Unterstützung der kognitiven Gesundheit entwickelt. Sie empfiehlt den regelmäßigen Verzehr pflanzenbasierter Lebensmittel wie Gemüse, Beeren, Nüsse/Samen, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte sowie Olivenöl und Fisch. Diese sollen entzündungshemmend und antioxidativ wirken sowie einen positiven Effekt auf vaskuläre (die Blutgefäße betreffende) Risikofaktoren haben. 

Brainfood ist bodenständig

Rundumempfehlungen zu einer ausgewogenen Ernährung für eine optimale Hirnfunktion liefert Ernährungsberaterin Ulrike Rötten. „Der Einfachzucker Glucose ist die einzige Energiequelle, die ins Gehirn gelangt“, schreibt sie. Günstig sei deshalb aber nicht ein hoher Zuckerkonsum, sondern vielmehr die Aufnahme komplexer Kohlenhydrate, die für einen langfristigen und konstanten Zustrom von Zucker zum Gehirn sorgen. Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Gemüse seien ideal für eine dauerhafte Denkleistung.

Auch die Proteinbausteine Aminosäuren sind essentiell, da sie eine wichtige Rolle bei der Synthese von Neurotransmittern im Gehirn spielen. Sie finden sich in Hülsenfrüchten, Nüssen und Saaten, aber auch in tierischen Lebensmitteln. Mit Blick auf Fette haben besonders die langkettigen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren essentielle Aufgaben im Gehirnstoffwechsel. Auch die Bedeutung der sekundären Pflanzenstoffe werden laut Rötten durch immer mehr Studien belegt, besonders die der Polyphenole, die sich in farbenkräftigen Gemüse- und Obstsorten und vielen Kräutern finden.

„Ein Kräuterdip aus Magerquark, Leinöl und Kräutern kann geradezu ein Energiebooster für das Gehirn sein“, empfiehlt die Expertin. „Brainfood ist eine bodenständige, vollwertige Ernährung.“ Kurz auf den Punkt gebracht von Julia Schiele: „Wer Körper und Geist täglich nährt, mit buntem Essen, ausreichend Wasser und einem aktiven Lebensstil – legt den besten Grundstein für genussvolle Jahre mit klarem Kopf.“

Lena Renner

 

UGBforum 4/25: Besser essen – klar im Kopf
Leseprobe und Bestellung: www.ugb.de/klar-im-kopf
Preis: 12,90 € (Print oder digital)
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