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Europa braucht Ukraine als Partner

Am 6. Juni 2025 versammelte der ‚Agro Ukraine Summit‘ in Kyjiw erneut zum Austausch der Agro-Food Branche – trotz russischer Großangriffe in der Nacht zuvor

Europa braucht Ukraine als Partner © COA
Im Europaparlament: Vertreterinnen und Vertreter des ukrainischen Parlaments, der ukrainischen Industrie- und Handelskammer, verschiedener landwirtschaftlicher Interessenverbände und der beiden deutschen Projekte: Deutsch-Ukrainischer Agarpolitischer Dialog‘ (APD) und ‚Deutsch-Ukrainische Kooperation Ökolandbau‘ (COA) 

Der ‚Agro Ukraine Summit‘ ist eine wichtige internationale Veranstaltung im Bereich der Landwirtschaft, die alle wichtigen Akteure der ukrainischen Agrar- und Lebensmittelbranche zusammenbringt und eine dynamische Plattform für einen umfassenden nationalen Dialog, Zusammenarbeit, Wachstum und Entwicklung schaffen soll. Mit Blick auf die vielfältigen Herausforderungen und die Notwendigkeit einer geeinten Interessenvertretung sind solche Plattformen von entscheidender Bedeutung. 

Als Reaktion auf die Ausweitung des russischen Angriffskriegs erleichterte die EU 2022 die Importbedingungen für die ukrainische Ernährungswirtschaft, kommuniziert als erster Schritt Richtung vollständige EU-Integration. Jetzt droht ein Rückschritt mit der erneuten Einführung von Importbeschränkungen, wie unter anderem die ukrainischen Medien ‚Kyiv Independent‘ und ‚European Pravda‘ berichten. Die EU-Zölle auf ukrainische Waren kehren nach drei Jahren Krieg zurück und erschweren Kyjiws Weg zur europäischen Integration. Es ist das erste Mal seit der russischen Invasion, dass die EU ein Abkommen über die Aussetzung der Handelsschranken zwischen der Ukraine und Europa nicht erneuern wird. Das Ende des zollfreien Handels kommt inmitten des zunehmenden Widerstands gegen ukrainische Exporte – und den EU-Beitritt der Ukraine – von osteuropäischen Blockmitgliedern, namentlich Polen und Ungarn.

Brückenregelung lässt Tür offen für EU-Freihandel

Am Freitag, den 6. Juni 2025, trat die aktualisierte Handelsregelung zwischen der Ukraine und der Europäischen Union in Kraft. Sie soll die am 5. Juni ausgelaufenen ‚Autonomen Handelsmaßnahmen‘ (ATM) ersetzen und als ‚Brücke‘ zu einer neuen Version der Vertieften und Umfassenden Freihandelszone (DCFTA) im Rahmen des Assoziierungsabkommens dienen, das derzeit zwischen der Ukraine und der EU verhandelt wird. Laut Oleksandra Avramenko, Leiterin des Ausschusses für Europäische Integration der Ukrainian Agribusiness Club Association (UCAB), wurde das Worst-Case-Szenario vermieden: „Es gab keine abrupte Rückkehr zu den Beschränkungen von 2021“. 

Die Übergangsregelung vom 6. Juni erlaubt einen liberaleren Handel als die früheren Regeln. Ab 2026 droht jedoch die Wiedereinführung der Zölle in vollem Umfang. Die Gespräche werden die Fähigkeit der EU auf die Probe stellen, die Bedenken der Mitgliedstaaten mit der engeren Integration der Ukraine in den Handelsblock in Einklang zu bringen.

Gefordert: Zukunftsregelung mit nachhaltigen Perspektiven

Die Integration der starken ukrainischen Agro-Food-Branche erfordert eine umfassende Erneuerung der EU-Agrarpolitik insgesamt. Zukunftsfähige Lösungsansätze bieten sich in der gezielten Förderung und Importerleichterungen für Bioprodukte sowie weiteren Qualitätsprogrammen mit Nachhaltigkeits-Mehrwert. Mit dieser Fokussierung könnte die namentlich in Polen und Ungarn politisch geschürte Sorge vor ‚ukrainischen Billigimporten‘ eingedämmt und relativiert werden. 

Diese Neuorientierung schafft Chancen für die integrierte europäische Versorgung, namentlich mit Lebensmitteln und Futtermitteln in Bioqualität. Denn dafür besteht im wachsenden europäischen Biomarkt ein Nachfrageüberhang. Besonders in Deutschland wird eine wesentliche Ausweitung des Biolandbaus trotz verschiedener Förderprogramme nur langsam erreicht. Die Bioversorgung aus der europäischen Nachbarschaft, sprich Ukraine, passt daher zur allgemeinen Zielsetzung nach nachhaltigen und – im globalen Vergleich – gesicherten Supply Chains. 

Europas Organic Gap – Ukraine kann liefern

Die ukrainische Agro-Food-Branche hat seit rund zehn Jahren und trotz der russischen Aggression und des seit 2022 ausgeweiteten Angriffskriegs den Erhalt und Ausbau der Biolandwirtschaft sogar vorangetrieben. Erfolgreiche Anbauprogramme wie ‚Donau Soja‘ – verankert entlang der Donau von Kroatien bis Ukraine – beliefern heute den europäischen Markt mit Soja ohne GVO, zu einem guten Anteil in Bioqualität. 

Eine wichtige Erkenntnis aus agronomischer Sicht: Die vergangenen drei Jahre haben die Stärke resilienter Anbauformen wie dem Biolandbau aufgezeigt. Bekanntlich wird hier auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Düngern verzichtet – ideal für Ackerkulturen wie Soja, die den Stickstoff eigenständig aus der Luft fixieren können. 

Ukraine in Brüssel 

Trotz allem steht die Ukraine im Spannungsfeld der EU-Politik noch immer zu oft ‚außen vor‘. Das aktive Engagement und der Aufbau von verlässlichen Beziehungen sind daher von existentieller Bedeutung – auch direkt in Brüssel. 

‚Aussichten des Agrarsektors der Ukraine auf dem Weg nach Europa‘, so das Motto einer Mitte Mai 2025 erfolgten Fachinformationsreise von wichtigen ukrainischen Behörden und Stakeholdern nach Brüssel. Organisiert wurde die Vernetzungsreise durch den ‚Deutsch-Ukrainischen Agarpolitischen Dialog‘ (APD) zusammen mit dem Projekt ‚Deutschland-Ukraine Kooperation Ökolandbau‘ (COA). Dr. Stefan Dreesmann, COA-Projektleiter, im Rückblick: „Es war mir wieder eine besondere Ehre, als Leiter des Projekts ‚Deutsch-Ukrainische Kooperation Ökolandbau‘ (COA) auch in diesem Jahr die hochrangige Delegation aus der Ukraine zu unterstützen, ihr Türen zu öffnen und Treffen mit wichtigen Akteuren zu organisieren.“

Die ukrainische Delegation umfasste Vertreterinnen und Vertreter des Ministeriums für Agrarpolitik und Ernährung der Ukraine sowie des staatlichen Verbraucherdienstes der Ukraine, einen Vertreter des Agrarausschusses der Verkhovna Rada der Ukraine und eine Delegation aus einer Reihe ukrainischer landwirtschaftlicher Berufsverbände, der Handels- und Industriekammer der Ukraine. Einen wichtigen Teil der Delegation bildeten zudem ukrainische und deutsche Wissenschafts-Fachleute. 

Kooperations-Netzwerke stärken 

Während des dreitägigen Brüsseler Aufenthalts präsentierte die Gruppe Informationen und führte Gespräche mit einer Reihe von Vertretern der Europäischen Kommission, Mitgliedern des Europäischen Parlaments, der Landwirtschaftsorganisation Copa-Cogeca, Vertretern des deutschen Landes Nordrhein-Westfalen und Mitgliedern der Europäischen Grup-pe für Tierschutz – einer Spitzenorganisation, die mehr als 100 Tierschutzorganisationen in der EU vereint. 

Die Diskussionen konzentrierten sich auf die aktuelle Situation in der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft in der Ukraine, auf die Harmonisierung der ukrainischen Rechtsvorschriften mit EU-Anforderungen, auf Fragen der Freihandels-Regelungen sowie weitere Themenfelder aus Landwirtschaft, Umweltschutz und Tierschutz.

Die Reise gab einen wertvollen Anstoß, um die Ukraine der EU näher zu bringen, vertiefte das gegenseitige Verständnis und betonte die Bedeutung eines laufenden Dialogs in allen Bereichen. Dies ist eine gute Grundlage für den weiteren Übergang der Ukraine in die EU-Mitgliedschaft.

Peter Jossi 

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