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Studie: Falsche Ernährung verursacht Milliardenkosten

Überkonsum von Fleisch und Zucker hat drastische Folgen für Umwelt und Gesundheit

Studie: Falsche Ernährung verursacht Milliardenkosten © Lucas Wahl / Greenpeace

Den Folgen von übermäßigem Zucker- und Fleischkonsum in Deutschland ist eine neue Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace auf die Spur gegangen. Fast 50 Milliarden Euro Umwelt- und Gesundheitskosten werden demnach durch eine entsprechende Fehlernährung im Jahr verursacht. In einer Pressekonferenz klärten Experten über die Hintergründe auf.

Der Zuckerkonsum in Deutschland liege zweimal, der Fleischkonsum sogar dreimal über den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), stellte Marjan Asgari von Greenpeace fest. Dabei führe der Fleischkonsum zu 16 Milliarden Euro Gesundheits- und 21 Milliarden Euro Umweltkosten. Verantwortlich sind etwa Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung, die Luftbelastung mit Feinstaub und Schadstoffen und die Stickstoffbelastung; sowie erhöhte Risiken für Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebs und Typ-2-Diabetes durch den übermäßigen Konsum von rotem Fleisch, Schinken und Wurst.

Ein zu hoher Zuckerkonsum kann wiederum neben Adipositas, Diabetes und Bluthochdruck zu Karies und Parodontose führen und hat laut der Studie zusammengenommen Gesundheitskosten von knapp 12 Milliarden Euro jährlich zur Folge.

Diese externen Umwelt- und Gesundheitskosten des Ernährungssystems werden nicht von den Verursachern getragen und schlagen sich auch nicht in den Verbraucherpreisen nieder, bemängelt Greenpeace. Stattdessen würden Wirtschaft, Sozialversicherungen und Steuerzahler belastet.

Lebensmitteleinzelhandel in der Pflicht

Für „Aufklärung statt Manipulation“ plädiert der Volkswirt und Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht. Man müsse den Verbrauchern gute Angebote machen und Verbraucherpreise so gestalten, dass sie Anreize für gesunde und nachhaltige Lebensmittel bieten. „Die Bundesregierung sollte klimafreundliche Lebensmittel endlich von der Mehrwertsteuer befreien“, so Lambrecht.

Da im Koalitionsvertrag von Bestrebungen in diese Richtung nichts zu sehen sei, betrachtet der Volkswirt Unternehmen nun als besonders in der Pflicht – insbesondere den Lebensmitteleinzelhandel. „Der LEH kann in der Wertschöpfungskette maßgeblich bestimmen, unter welchen Bedingungen produziert wird“, betont Lambrecht.

Unter den vier führenden Händlern seien die Erkenntnis und Bereitschaft zu mehr Nachhaltigkeit schon gewachsen: etwa durch das Haltungsform-Kennzeichen der Initiative Tierwohl und das Bekenntnis zur Klimaneutralität. „Wir fordern eine vollständige Haltungs- und Herkunftskennzeichnung und den Ausstieg aus unteren Haltungsformen“, so Lambrecht. Verlangt wird außerdem der „sofortige Stopp von Werbung für Billigfleisch“, mit dem die Handelsketten ihre Tierwohlbestrebungen und Absichtserklärungen konterkarierten. Das pflanzliche Sortiment sollten die Händler ausbauen und zudem eigene Proteinstrategien entwickeln.

„Wir brauchen eine Präventionswernde!“

„Die Verantwortung für gesunde Ernährung fehlt im Koalitionsvertrag“, bemängelt auch Barbara Bitzer, Sprecherin des Wissenschaftsbündnisses Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), aus der Gesundheitsperspektive. Die neue Studie zeige, dass keine Zeit mehr bleibe, um abzuwarten. Ernährungsbedingte Krankheiten drohten das Gesundheitssystem zu überlasten. Für Prävention müsse die Politik dringend umdenken und etwa beim Thema Werbung Individualinteressen hinter dem Kinderschutz zurückstellen. „Wir brauchen eine echte Präventionswende!“, so Bitzer.

Andere Länder zeigten bereits, wie wirksame Maßnahmen aussehen können. Sei die auf Freiwilligkeit basierende Zuckerreduktionsstrategie in der Bundesrepublik „krachend gescheitert“, so habe Großbritannien es mit Hilfe seiner Softdrinksteuer geschafft, dass eine Cola dort heute halb so viel Zucker enthält wie in Deutschland. In Chile sei der Absatz zuckerhaltiger Softdrinks in Folge einer entsprechenden Steuer bereits im ersten Jahr um 20 Prozent eingebrochen. Auch mit verpflichtenden Warnhinweisen auf der Verpackung und einer Werbebeschränkung für Ungesundes ist der südamerikanische Staat Vorreiter. Bitzer warnte davor, dass Deutschland dagegen als „Präventionswüste“ als Schlusslicht dastehen könnte.

„90 Prozent der Säugetiere der Erde werden geboren, um geschlachtet zu werden“, sagte Eckart von Hirschhausen, Arzt, Wissenschaftsjournalist und Gründer der Stiftung ‚Gesunde Erde – Gesunde Menschen‘. Die Kosten des Nichtstuns würden irgendwann unbezahlbar werden. „Ein lebendiges Mikrobiom wiederherzustellen wird mit keiner Technologie der Welt möglich sein“, so Hirschhausen.

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