Agrarpolitik
Öko-Förderung oder Handbremse für die Agrarwende?
Bios und Grüne kommentieren den Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht. Auf das gestern veröffentlichte Papier unter dem Titel ‚Verantwortung für Deutschland‘ gibt es von Seiten des Öko-Sektors und grünen Politikern gemischte Reaktionen. Die Bio-Branche begrüßt das Bekenntnis zum Ökolandbau, die Gentechnikfrei-Bewegung den Stellenwert von Verbraucherschutz und Transparenz. Insgesamt seien die Weichen für eine zukunftsfähige Agrarwende jedoch enttäuschend, bemängelt Staatssekretärin Ophelia Nick.
„Der Ökolandbau ist ein wichtiges Element einer nachhaltigen und klimaschonenden Landwirtschaft und ein wichtiger Innovationsmotor“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Mit einer Biostrategie werden wir den Ausbau des Ökolandbaus deutlich stärken, indem wir die Mittel für die Forschung und Bildung für den Ökolandbau erhöhen, das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) und Nachfrageimpulse stärken, zum Beispiel durch Standards bei Gemeinschaftsverpflegungen. Gleichzeitig reduzieren wir Hindernisse bei Erhalt und Ausbau des Ökolandbaus.“
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) begrüßt, dass die Nachhaltigkeitsleistungen von Bio im Koalitionsvertrag anerkannt werden und die Ausweitung von Bio-Angeboten in der Gemeinschaftsverpflegung auf der Agenda steht. „Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln wächst, doch die Bio-Fläche stagniert und die mittelständisch geprägte Bio-Verarbeitungswirtschaft kämpft mit den Folgen von Inflation und Marktkonzentration“, stellt die BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres fest. Die Koalition müsse deshalb in ihrer Agrarförder- und Wirtschaftspolitik deutliche Impulse für mehr Bio aus Deutschland setzen und – wie im Koalitionsvertrag versprochen – die Mittel für Forschung und Entwicklung für Bio deutlich erhöhen.
Sehr kritische Worte gibt es von Ophelia Nick, Grünen-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Mettmann und (geschäftsführende) Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die neue Koalition ziehe die Handbremse für eine zukunftsfeste Landwirtschaft. Die schwierigen Fragen der Agrarpolitik würden im Koalitionsvertrag einfach ausgeklammert. Speziell kritisiert sie, dass das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz laut dem Papier nur noch ‚grundsätzlich reformiert‘ statt ausgeweitet werden soll, dass die geplante Förderung der Weidehaltung unkonkret bleibt und Grünland überhaupt keine Erwähnung findet. Ob die Vergabe von Geldern der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden solle, stehe in den Sternen. „Ein wenig Glanz in das sonst so ideenlose Kapitel zu Landwirtschaft und Ernährung“ bringe lediglich das Bekenntnis der neuen Regierung zum Ökolandbau.
Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) zeigt sich zufriedener mit dem Grundlagenpapier der neuen Regierung. Für die gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft und Verbraucher gebe es durchaus positive Signale. Zwar spricht sich der Vertrag dafür aus, dass die Anwendung Neuer Gentechnik „regulatorisch erleichtert“ werden soll, dies sei aber zu erwarten gewesen.
Als wichtiger betrachtet der Verband, dass Transparenz, Vorsorge und Selbstbestimmung für Verbraucher ausdrücklich adressiert würden. „Wir schützen den selbstbestimmten Verbraucher umfassend und vorsorgend“, heißt es im Papier. Und an anderer Stelle: „Verbraucherinnen und Verbraucher sollen selbstbestimmt entscheiden können. Wir unterstützen sie durch starke Rechte, Transparenz und Information, Beratung und Bildung, Schutz und Vorsorge.“
„Wenn die bisherige bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) neue Bundesagrarministerin wird, hat sie mit diesem Koalitionsvertrag eine gute Grundlage dafür, die ,Kennzeichnungspflicht von Pflanzen und Erzeugnissen aller NGT-Kategorien‘ umzusetzen, die sie erklärtermaßen ausdrücklich unterstützt“, erklärt VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting. Eine „vollkommen zügellose Gentechnik-Deregulierung“, wie die EU-Kommission sie wolle, könne die künftige Bundesregierung auf Basis dieses Koalitionsvertrags jedenfalls nicht unterstützen.