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Bio-Senf und -Mayo – mit 100 Prozent Belgien

Das belgische Unternehmen Bionat will sein Sortiment in Richtung bio-lokal verändern

Bio-Senf und -Mayo – mit 100 Prozent Belgien © BIONAT S.A.

Senf in Bio-Qualität können Verbraucher heute im Handel bereits von verschiedenen Anbietern erwerben. Hingegen Bio-Senf aus 100 Prozent heimischen Zutaten? Diesen Schritt, die Nachfrage nach Bio und lokal zu verbinden, ist das Unternehmen Bionat gegangen und hat sich damit in Belgien ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Durch die Kooperation mit der jungen Erzeuger-Genossenschaft ‚Farm for Good‘ kann der Hersteller jetzt unter seiner Traditionsmarke Bister Senf aus belgischen Saaten und Mayo mit belgischem Sonnenblumenöl liefern.

300 Tonnen Bio-Mayonnaise und 2.000 Tonnen Bio-Senf vermarktet Bionat aus der Wallonie jedes Jahr in Belgien und Frankreich. Der Eigentümer Arthus de Bousies hatte zunächst im Jahr 2012 die Marke Natura erworben, unter der Gemüseaufstriche, Mayo, Saucen und Vinaigrettes produziert werden – heute ausschließlich in Bio-Qualität. Im Jahr 2018 entstand mit der Übernahme der belgischen Senf-Traditionsmarke Bister die neue Bionat-Gruppe.

Den Bio-Gedanken hat de Bousies auch ins Sortiment der Marke Bister getragen, die auf den konventionellen Einzelhandel ausgerichtet ist. Insgesamt liefert Bionat heute etwa die Hälfte seiner Produkte in Bio-Qualität und erzielt auch die Hälfte des Gesamtumsatzes von 15 Millionen Euro mit Bio. Das neue Vorzeigeprojekt des Unternehmens: Bio-Mayonnaise und -Senf komplett aus Belgien.

Lokale Senfproduktion: nachhaltig und versorgungssicher

Die Motivation, Senf aus regionalen Zutaten zu produzieren, hatte für Arthus de Bousies neben Nachhaltigkeitsaspekten und der Vermeidung von Transportwegen auch mit der Versorgungssicherheit zu tun. Weltweit die Hauptproduzenten von Senf sind Kanada und die Ukraine. „Sie hatten 2021 eine sehr schlechte Ernte“, berichtet de Bousies. Bei gleichbleibender Nachfrage sei deshalb 2022 eine regelrechte ‚Senfkrise‘ gefolgt. „In Frankreich sind die Vorräte ausgegangen, ebenso in vielen anderen Ländern“, erzählt der Geschäftsführer. Allgemein sei im Segment Senf „die Nachfrage 100 Mal größer als das Angebot“.

Neustart in Namur auf 6.500 Quadratmetern

Im Herbst 2024 hat Bionat einen neuen Standort bezogen, im Industriegebiet von Namur. Inzwischen ist die komplette Produktion für die Belieferung von Belgien und Holland hier konzentriert. Für Frankreich besteht noch ein weiterer Produktionsstandort mit rund 20 Mitarbeitern. In Namur sind es jetzt um die 35.

2022 sei ein „sehr gutes Jahr“ gewesen für den Hersteller. Es wurde genug Überschuss erwirtschaftet, um in die neue Fabrik investieren zu können. 2023 konnten die neu gewonnenen Kunden gehalten werden und es fiel der Startschuss für die Bauarbeiten. 14 Millionen Euro sind am Ende in den 6.500 Quadratmeter großen Gebäudekomplex geflossen; zehn Prozent davon wurden von der regionalen Regierung übernommen. Hinter dem Gebäude sind eigene Senf- und Sonnenblumenfelder angelegt, die sich momentan in Umstellung befinden und bald Bio-zertifiziert werden dürfen.

Traditionelle Rezepte, vollautomatisiert

Nacht- und Wochenendschichten müssen die Produktionsmitarbeiter nicht übernehmen: Es gibt nur zwei Schichten, von 6 bis 14 Uhr und von 14 bis 22 Uhr. Am Freitag ist schon um 17 Uhr Schluss. Die Angestellten arbeiten an drei verschiedenen Produktionslinien, eine für die Marke Bister, eine für Natura und eine für Großgebinde.

In einer Anlage werden die in Belgien bekannten ‚Granaten‘-Behälter der Marke Bister abgefüllt – immer sechs auf einmal –, verschlossen und etikettiert. Große Rührgeräte, wie sie in der Bäckerei verwendet werden, vermischen die Zutaten für die Mayonnaise zu einer homogenen Masse. „Das sind noch dieselben, die Bister ganz am Anfang verwendet hat. Sie schaffen eine bessere Textur“, erläutert Florence Lambermont, Leiterin des Digitalen Marketings.

In einer anderen Halle lagern die Senfsamen, geordnet nach den verschiedenen Senfsorten: weiß, braun oder schwarz. Zwischen zwei großen Mahlsteinen werden sie geschrotet, bevor sie mit den übrigen Zutaten vermischt werden, was vollautomatisch geschieht: Ein Computer kennt das Rezept und die benötigte Menge von Wasser, Essig und Gewürzen. Durch Fermentation erhält die entstandene Maische das typische Senf-Aroma: Je nach erwünschtem späteren Produkt liegt sie zwei bis sieben Stunden im Reifetank.

In der letzten Station wird der Senf heruntergekühlt, indem er durch Rohre läuft, die von zwei bis drei Grad kaltem Wasser umgeben sind: von zuvor 50 auf schließlich 15 Grad Celsius. „So sorgen wir dafür, dass der Senf seine Schärfe länger behält“, erklärt Lambermont.

Eine Lagerhalle bietet Raum für rund ein Dutzend Regalreihen, in denen sowohl Saaten und die übrigen Zutaten als auch die fertig verpackten Produkte aufbewahrt werden. Die angrenzende Ladefläche für LKWs sei jetzt viel größer als im alten Produktionsgebäude, berichtet Lambermont: Vorher gab es nur Platz für ein Fahrzeug, jetzt können die LKWs drei verschiedene Spots nutzen. „Unser Ziel ist es, 100 Tonnen Senf am Tag losschicken zu können“, so die Marketing-Chefin.

Neuer Key Account: deutscher Einzelhandel

Die Hälfte der Produkte liefert Bister in den Einzelhandel, 15 Prozent gehen in Gastronomie und Außer-Haus-Verpflegung, der Rest in Großgebinden an die Lebensmittelindustrie. In Deutschland produziert Bionat bisher unter Private Label für Byodo und die Bio Company. „Jetzt hat ein neuer Key Accounter angefangen, der nur für Bio und Deutschland zuständig ist und unsere Marke in den Einzelhandel bringen will“, berichtet de Bousies.

2022 hat das Unternehmen den ersten Senf aus 100 Prozent regionalen Bio-Zutaten auf den Markt gebracht, 2023 folgte die erste fast ausschließlich regionale Bio-Mayo. „Sie ist zu 99 Prozent belgisch“, erklärt de Bousies. Der verwendete Essig werde momentan noch aus dem Ausland bezogen, aber das Öl stammt bereits aus belgischen Sonnenblumen.

Farm for Good: mehr Wertschöpfung für alle

Der Schlüssel, um ausreichende Mengen an regionalen Bio-Rohstoffen für den Senf zusammenzubekommen, war für Bionat die Zusammenarbeit mit der neuen Kooperative ‚Farm for Good‘. 2020 haben sich vier Höfe zusammengeschlossen, um mit gebündelten Rohstoffen stabile Beziehungen zu Lebensmittelverarbeitern aufzubauen.

Heute ist die Gemeinschaft auf mehr als 90 Betriebe angewachsen, zusammen mit Agrarwissenschaftlern, Koordinatoren und Beratern, einem Logistik-, Marketing- und Finanzen-Team. „Es werden jedes Jahr mehr!“, so de Bousies. Seit 2023 ist das Netzwerk offiziell als Genossenschaft organisiert. Auch Supermärkte unterstützen das Projekt und sind selbst Teil der Kooperative. „Es ist eine Win-Win-Situation für alle!“

Die Non-Profit-Organisation bietet ihren Mitgliedern Schulungen und individuelle Anbauberatung samt Datensammlung vor Ort und dem Monitoring von Fortschritten mit Hilfe von Agrarwissenschaftlern. Es wird Know-how über agrarökologische Praktiken geteilt, über die richtige Wahl der Saaten, umweltfreundliche Unkrautbekämpfung und Möglichkeiten, den Anbau zu diversifizieren.

Die Rückkehr des Senfs

„Senf wurde schon seit Jahrzehnten nicht mehr in Belgien angebaut“, so de Bousies. Die Landwirte mussten daher dazu bewegt werden, es von Grund auf neu zu probieren. Der regionale Senfanbau war das erste Projekt für die Kooperative. Bister teilt ‚Farm for Good‘ jedes Jahr im Voraus die benötigten Mengen mit, sodass die Bauern sich schon bei der Aussaat daran orientieren können.

Die gesammelten Saaten von verschiedenen Erzeugern werden zentral gelagert, gereinigt, verpackt und an Lebensmittelproduzenten versandt. Dadurch können nicht nur größere Mengen angeboten werden, es kann auch eine gute Qualität der Produkte garantiert werden und die Bündelung, gemeinsame Lagerung und Verpackung bedeutet für die Bauern eine große Kostenersparnis.

„Aber am teuersten an einem Produkt ist das Marketing“, stellt de Bousies fest. Durch die gemeinsame Vermarktung können die Landwirte also besonders punkten. Auf einem Label direkt am Produkt macht Bister auf die Herkunft der Zutaten von ‚Farm for Good‘ aufmerksam, zusammen mit dem Appell ‚Unterstützen Sie Ihre Landwirte und den Planeten‘.

Die Genossenschaft sei „hervorragend in der Kommunikation“, lobt der Bionat-Chef – von der Vernetzung der Erzeuger untereinander über das Kontaktknüpfen mit Verarbeitern und dem Handel bis hin zur Außenwirkung, samt Events und dem Generieren von Sichtbarkeit auch auf Ebene der Politik. „Für den regionalen Bio-Senf haben wir viel Aufmerksamkeit von der Presse bekommen und sind ziemlich stolz“, freut sich de Bousies.

ABC: Bio-Anbau plus no till

Mit Blick auf die Anbaumethode strebt die Kooperative nach der sogenannten ‚Agriculture Biologique de Conservation’ (kurz: ABC), also einer Landwirtschaft, die den Bio-Standard mit ‚konservierender‘ Bodenbearbeitung – das heißt etwa minimalem Pflügen, permanenter Bodenbedeckung und vielfältigen Fruchtfolgen – kombiniert.

Ein Großteil der Mitglieder ist bereits Bio-zertifiziert, andere sind auf der ökologischen Reise noch nicht bei der Zertifizierung angekommen, realisieren aber schon Zwischenfrüchte und weniger Pflügen, verwenden Bio-Dünger und fördern die Biodiversität, praktizieren Humusaufbau und Agroforstwirtschaft. Auf der Homepage der Kooperative lässt sich der jeweilige Stand der agrarökologischen Produktionsmethoden transparent nachlesen. Die Idee von ‚Farm for Good‘ ist es, auch Höfe in der Umstellung finanziell zu unterstützen und so das wirtschaftliche Risiko für den Übergangsprozess abzumildern.

In Zukunft will Bionat noch weitere Projekte mit der Genossenschaft starten und zum Beispiel auch die Bio-Gemüse-Aufstriche von Natura mit ihren Rohstoffen herstellen. „Lokal ist für die Konsumenten oft genauso wichtig wie Bio“, stellt de Bousies fest. Fazit: „Bio und lokal zusammen ist das Erfolgsrezept!“ Nach diesem Leitbild will das Unternehmen seine Produkte kontinuierlich weiterentwickeln.

Lena Renner

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