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Envirium: Wertschöpfung im Einklang mit der Natur

Belgische Unternehmensgruppe verbindet Gewinne für Kleinbauern mit dem Schutz der Biodiversität

Envirium: Wertschöpfung im Einklang mit der Natur © Hugh Kinsella Cunningham / Envirium
Kakaobohnen-Ernte für ‚Virunga Origins Chocolate‘ im Ost-Kongo

Vanille, Kakao, Kaffee und Litschi in Bio-Qualität – das bringt das junge Unternehmen Envirium aus dem Kongo, Papua-Neuguinea und Madagaskar nach Europa. Das Besondere an der Mission: Die Produktion findet vor Ort statt, sodass die Wertschöpfung in den Entwicklungsregionen bleibt. Das Projekt der ‚Virunga Origins Chocolate‘ zeigt eine innovative Möglichkeit, den Naturschutz im Nationalpark sicherzustellen und mit Gewinnen für die Kleinbauern und Anwohner zu verbinden. 

Envirium ist eine junge Unternehmensgruppe, die erst 2021 gegründet wurde. „Die Tochterunternehmen in den Ursprungsländern existieren aber schon länger, teils schon 20 bis 25 Jahre“, erklärt Gründer und Geschäftsführer Christian Van Osselaer. Sieben davon gibt es derzeit.

Die Tochter COPAK – Compagnie des Produits Agricoles du Kivu – ist auf Anbau, Verarbeitung und Export von Kakao, Kaffee, Chiasamen und Heilpflanzen aus dem Kongo spezialisiert und arbeitet mittlerweile mit mehr als 10.000 Bauernfamilien zusammen.

Sopral sitzt in Madagaskar und baut bereits seit 1998 Beziehungen zu den Landwirten und Gemeinden vor Ort auf. Produziert werden dort Vanille, grüner Pfeffer, Ananas und Litschi in Dosen und Gläsern. „Die Insel ist eines der ärmsten Länder der Welt. Litschis gehören zu den wenigen wertvollen Exportprodukten und generieren Einkommen für viele tausende Familien“, berichtet Van Osselaer.

Auch das jüngere Kamapim in Papua-Neuguinea, das seit 2018 existiert, hat hochwertige Vanille als Schlüsselprodukt: in den Varianten Echte Vanille (Vanilla planifolia) sowie Tahiti-Vanille (Vanilla tahitensis) – „eine sehr teure und edle Sorte mit Anis-Note“, so der Geschäftsführer. Fast alle Produkte Enviriums sind Bio-zertifiziert verfügbar. Litschi und Ananas gibt es sogar nur mit Bio- und Fairtrade-Siegel im Portfolio.

Mehr Fairness für Kleinbauern

Die Mission von Envirium ist es, die kommerziellen Aktivitäten der Töchter zu entwickeln und gleichzeitig die Kleinbauern, die Gemeinden vor Ort und den Schutz der Biodiversität in den Anbauregionen zu unterstützen.
Die Unternehmensgruppe bietet Schulungen für die Bio-Zertifizierung an, lädt die Zertifizierer ein, gibt den Landwirten eine Abnahmegarantie und sorgt dafür, dass im Zusammenschluss Mengen erreicht werden, die für den internationalen Markt geeignet sind. Mit Laboruntersuchungen wird sichergestellt, dass die Erzeugnisse dem internationalen Standard gerecht werden.

„In Papua-Neuguinea ist die Stellung der Frauen ein Albtraum“, bedauert Van Osselaer. Envirium stellt ihnen Schulungen zur Weiterbildung zur Verfügung und schließt Kinderarbeit auf den Feldern aus. „Wir sind kein Handelsunternehmen“, betont der Geschäftsführer. Envirium sei selbst vor Ort präsent und aktiv, für die Produktentwicklung ebenso wie für den Naturschutz.

4.000 Tonnen Ware werden jedes Jahr aus den Ursprungsländern exportiert. Darüber lassen sich für die Arbeiter höhere Gewinne erzielen. „In den kommenden Jahren wollen wir uns aber auch mehr auf die Märkte vor Ort konzentrieren“, meint Van Osselaer.

Virunga Origins Chocolate: Schokolade direkt von der Bohne

Ein Vorzeigeprojekt in diesem Sinne ist dem Unternehmen im Ost-Kongo, am Rande des Nationalparks Virunga gelungen. Dieser älteste Nationalpark Afrikas, UNESCO-Weltkulturerbe und bekannt als Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Berggorillas, ist voll von fruchtbarer schwarzer Erde – „nicht vergleichbar mit der in Europa“, merkt Van Osselaer an – und seit 25 Jahren Kriegsgebiet. Zwischen kongolesischen Milizen und Tutsi-Rebellen kommt es immer wieder zu bewaffneten Konflikten. Zusätzlich stellt der geforderte Biodiversitätsschutz die Anwohner vor Probleme.

„In den geschützten Zonen mit hoher Artenvielfalt dürfen die Einheimischen weder jagen noch etwas anbauen noch Bäume fällen“, erklärt Van Osselaer. Sich an diese Regeln zu halten, bringe sie allerdings in existenzielle Schwierigkeiten. Der Ausweg von Envirium: erlaubte kommerzielle Aktivitäten entwickeln und die lokale Wertschöpfung mit der Bewahrung von Biodiversität verbinden.

Zusammen mit dem Park (Virunga Foundation) ist das Unternehmen heute Anteilseigner von drei Tochtergesellschaften: Virunga Enzymes, Virunga Chocolat und Virunga Origins. 2019 wurde in der Gegend eine Schokoladenfabrik gebaut – „die erste industrielle Schokoladenproduktion im Kongo“, berichtet Van Osselaer stolz. Das Land habe bisher nur Kakao gekannt – und nicht Schokolade, die sich keiner leisten konnte. Jetzt existiert eine eigene Produktionsanlage direkt dort, wo die Kakaobohnen wachsen. Für das Rezept ist der belgische Chocolatier Dominique Persoone verantwortlich, der das Produktionsteam von ‚Virunga Origins Chocolate‘ auch selbst in die Kunst der Schokoladenherstellung einführte.

Win-win für Kleinbauern, Gemeinden und Biodiversität

„Wegen der Corona-Pandemie war es lange nicht möglich, die Produkte wie ursprünglich geplant zu exportieren“, erzählt Van Osselaer. So wurde stattdessen versucht, die Ware vor Ort zu verkaufen – in kleineren Packungen, um sie günstiger anbieten zu können. Das sei schließlich so gut gelungen, dass am Ende nichts mehr für den Export übrig blieb.

Alle Gewinne werden laut Envirium fair aufgeteilt und kommen neben den Erzeugern dem Erhalt des Parks sowie den umliegenden Siedlungen zugute. Die Kleinbauern profitieren somit ebenso wie die Park-Ranger – und die Witwen der Ranger, die von Rebellen umgebracht wurden.

„Wir sind keine Wohltäter, es ist eine Partnerschaft, ein faires Geben und Nehmen“, betont der Gründer. Teil der Abmachung ist es, dass die Bewohner sich an die Regeln halten und den Biodiversitätsschutz achten. Am Ende lohne sich das für sie finanziell mehr, als die Natur auszubeuten. „Wir nehmen etwas von der Natur, dann wollen wir – so gut wir können – auch etwas zurückgeben“, erklärt Van Osselaer die Motivation des Unternehmens.

Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie findet in Belgien keine Produktion statt – es werden nur die fertigen Produkte vermarktet, die fertig gelabelt im Kongo verschifft werden. Dieses Paradebeispiel der lokalen Wertschöpfung will Envirium weiter verbreiten.

Das weiße Rhinozeros zurück in Zentralafrika

Ein ähnliches Projekt existiert bereits weiter im Norden im Kongo, beim Nationalpark Garamba an der Grenze zum Südsudan. An seinen Rändern werden Kaffee, Kakao und Papaya angepflanzt, um Gewinne zu erwirtschaften und gleichzeitig zur Sicherheit des Parks beizutragen. Nachdem die letzten weißen Rhinozerosse in Zentralafrika verschwunden sind, ist es den Projektpartnern gelungen, sieben Pärchen aus Südafrika wieder im Nationalpark einzuführen.

Aktuell hat Envirium wie viele andere Importeure mit der ab 2025 auch für Drittländern geltenden neuen EU-Öko-Verordnung zu tun. Die dort festgesetzte neue 2.000-Leute-Obergrenze für Gruppenzertifizierungen stellt alle größeren Zusammenschlüsse von Kleinbauern vor Probleme. Insgesamt bringe die Umsetzung Millionen von Leuten in Schwierigkeiten und werde das Bio-Wachstum beeinträchtigen, befürchtet Van Osselaer. Dabei sei die EU eigentlich auf mehr Importe angewiesen. Begünstigt würden durch das neue Modell nur Riesenplantagen, während die Kontrollen bei Kleinbauern eigentlich unnötig seien. „Sie haben überhaupt kein Geld für Pestizide.“

Vertrieben werden die Produkte Enviriums an die Lebensmittelindustrie sowie unter Private Label an den LEH. Ein Hauptkunde der Gruppe ist etwa die Einzelhandelskette Migros in der Schweiz. In Zukunft will das Unternehmen größere Mengen produzieren und sich neue Märkte erschließen: zum Beispiel in Deutschland. Anschließend soll auch das Portfolio auf neue Produkte erweitert werden. Ein paar Kandidaten habe man momentan schon im Auge, so Van Osselaer. „Wir leben eine wunderbare Revolution, aber sie wird noch ein paar Jahre Zeit brauchen.“

Lena Renner

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