Start / Ausgaben / BioPress 51 - Mai 2007 / Drei Mühlen mahlen BioKorn

Drei Mühlen mahlen BioKorn

Traditionsunternehmen haben ihre Bio-Kompetenz zusammengeführt

Die Heimatsmühle aus Aalen, die Schapfenmühle aus Ulm und die Frießinger Mühle aus Bad Wimpfen haben ihr Bio-Geschäft gebündelt. Die drei Mühlen aus Baden-Württemberg gründeten Ende 2006 die BioKorn GmbH & Co KG. Durch die neue Gesellschaft ist einer der größten deutschen Anbieter für Bio-Mühlenprodukte entstanden. 10.000 Tonnen Bio-Getreide werden jährlich zu Mehlen, Backmischungen, Müsli, Flocken und Pops verarbeitet. Kleinpackungen für den Handel und Großgebinde für Backhandwerk und Lebensmittel-Industrie verlassen die Mühlen.


Drei Unternehmen, ein Bio-Sortiment: Im Dezember 2006 unterzeichneten Willi Frießinger, Max Ladenburger (Heimatsmühle) und Heinz Künkele (Schapfenmühle) den Vertrag für BioKorn und kooperieren auf diesem Felde künftig statt zu konkurrieren. Die GmbH hat ihren Sitz in Aalen, wo die Heimatsmühle zuhause ist. Die Schapfenmühle aus Ulm und Heimatsmühle halten je 40 Prozent der Anteile und Frießinger aus Bad Wimpfen 20 Prozent. Die Geschäftsführer der drei Mühlen sind gleichzeitig BioKorn-Geschäftsführer. „Das ist ein Zukunftsgebilde. Wir sind vielseitig und haben eine große Verarbeitungstiefe. Das macht uns stark", nennt Heinz Künkele die Vorteile.

BioKorn wird eine eigene Marke für den LEH aufbauen und Handelsmarken produzieren. „Wir wollen eine nationale mittelständische Marke etablieren. 60 Prozent sollen uns kennen und 20 Prozent kaufen. Wir wollen nicht nur ein Prozent der Bevölkerung ernähren. BioKorn erhebt keinen regionalen Anspruch",
verdeutlicht Maximilian Ladenburger den Anspruch.

Nationale und regionale Schiene existieren

Heimats- und Schapfenmühle fahren unabhängig davon weiter ihre regionalen Bio-Programme zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem mittelständischen Lebensmittelfilialisten Feneberg im Allgäu. „Wir tun das mit großem und weiter wachsendem Erfolg", erzählt Heinz Künkele aus Ulm.

Die neue Marke steht für Getreidekompetenz von bodenständigen traditionellen Mühlen, die den Sprung in die Moderne geschafft haben, und dem LEH Bio-Grundnahrungsmittel zu wettbewerbsfähigen Preisen liefern. „Wir haben klare Vorstellungen von unserem Sortiment und werden uns über den Handelsmarken positionieren," betont Ladenburger.


Jedes der Traditionsunternehmen bringt seine Stärke ein. Die Produktpaletten ergänzen sich, so dass ein breiteres und tieferes Sortiment entsteht, als jeder einzelne Betrieb es bieten könnte. Die Heimatsmühle steuert die klassischen Mahlerzeugnisse bei. Von der Schapfenmühle kommen höher verarbeitete Produkte. Die Frießinger Mühle stellt ihre äußerst leistungsfähige Verpackungstechnik und Logistik zur Verfügung.

Synergieeffekte entstehen durch den gemeinsamen Einkauf. Produkte müssen nicht doppelt entwickelt und an mehreren Betriebsstätten parallel hergestellt werden. Nur eine Marke muss geführt und Werbegelder somit nicht dreifach ausgeben werden. Aus ehemaligen Wettbewerbern sind so Partner geworden.

Auf der BioFach trat das neue Unternehmen erstmals öffentlich in Erscheinung. Den Fachbesuchern wurden
Dummies der Kleinverpackungen vorgestellt. Der optische Auftritt und die geplanten Produkte erweckten Aufmerksamkeit. Der Lebensmitteleinzelhandel bekommt Mehle, Schrote, Flocken, Pops, Müsli und Backmischungen für Brot und Kuchen. Etwa 40 Artikel einschließlich der unterschiedlichen Packungsgrößen soll das Sortiment umfassen.

Stärken ergänzen sich


Bedient werden die Vertriebsschienen Drogeriemarkt, Lebensmitteleinzelhandel und Discount. Auch hier hat jede der drei Mühlen ihren eigenen Schwerpunkt. Die Schapfenmühle ist in den Drogerien stark vertreten. Die Heimatsmühle beliefert den regionalen LEH, und Frießinger ebnet den Weg in den nationalen LEH und Discount. Mit den Discountern werden hauptsächlich Aktionen gefahren. Eine Dauer-Listung wie im klassischen Handel hat sich hier noch nicht etabliert.

Neben dem Handel zählen die Lebensmittelhersteller zu den Kunden. Die Bio-Mühlenprodukte werden in Müsli, Babynahrung und Fertiggerichten eingesetzt. Auch im Ausland steigt der Bedarf an biologisch erzeugten Flocken, Müsli und gepufftem Getreide. In England und Irland ist der Verzehr von Frühstückscerealien um ein Vielfaches größer als in Deutschland, wo das Frühstücksbrötchen hoch im Kurs steht.

Den Bio-Boom schreibt Ladenburger der Ex-Verbraucherschutzministerin Renate Künast zu: „Sie hat mit dem Bio-Siegel etwas erreicht, was in dieser Dimension vorher nicht möglich war." Bio wurde auf die wenigen Worte: „Wo Bio drauf steht, ist auch Bio drin" heruntergebrochen. Ladenburger hält es nicht für möglich, dem durchschnittlichen Verbraucher die unterschiedlichen Richtlinien der Bio-Verbände zu erklären. Daran scheitern nach seiner Ansicht auch viele konventionelle regionale Qualitätsinitiativen : „Bio ist auf einfache Art erklärbar, andere Standards nicht".

Beschaffung am Ursprung

Die Mühlen holen sich den Hauptrohstoff Bio-Korn direkt am Ursprung: Sie schließen mit Landwirten Anbauverträge und können Rückverfolgbarkeit garantieren. Das Getreide stammt aus Baden-Württemberg und den angrenzenden bayerischen Gebieten im Umkreis der Mühlen. Erst wenn die regionalen Kapazitäten erschöpft sind, greifen die Mühlen auf nationale und internationale Ware zurück. Seltener benötigte Rohstoffe werden beim Großhandel eingekauft.

Die Heimatsmühle arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich mit dem Hohenloher Anbauverband Ecoland zusammen. „Das ist unser großer Rückhalt", lobt Ladenburger den Verband. Erst wenn die heimischen Kapazitäten erschöpft sind, wird national oder international dazu gekauft. „Der Handel verlangt eine kontinuierliche Beschickung", erläutert Künkele.

Max Ladenburger beklagt allerdings, dass im Bio-Bereich alles vage sei. „Es gibt keinen transparenten Markt, der eine Einschätzung über die Entwicklung der Preise und der zur Verfügung stehenden Mengen erlaubt. Die entsprechenden Statistiken fehlen". Im letzten Erntjahr wurden die Absprachen mit dem Handel bei sinkenden Preisen getroffen. Danach wurde das Bio-Getreide um ein Drittel teurer. Gleichzeitig traten Lieferengpässe auf.

Knappheit bedeute nicht automatisch, dass die Ware ausverkauft ist. Sie kann aus taktischen Gründen zurückgehalten werden. „Hohe Preise ziehen immer Ware nach sich", lehrt den Müller die Erfahrung. Importeure versuchen dann die deutschen Getreide-Silos zu befüllen. „Das Ausland will den Markt versorgen, wenn von Knappheit die Rede ist". Hier zu wenig, dort zu viel: Da schlägt die Stunde des Händlers, der Überfluss und Mangel ausgleicht.

Bei Lieferschwierigkeiten steht die Verkaufsabteilung der Mühlen dem Handel als Moderator zur Seite. Wenn die gewünschten Mengen nicht zu beschaffen sind, werden keine Aktionen angekurbelt, die den Absatz während der Laufzeit verdoppeln oder verdreifachen. Dem Handel wird von Sonderplatzierungen und Mehrfach-Facings abgeraten, um die Drehzahl etwas zu drosseln.

Alle drei Mühlen haben in den vergangenen Jahren kräftig in Maschinenpark investiert. Zu Reinigungsanlagen gehören heutzutage Farbausleser. Eine Optik mit drei Kameras schaut sich jedes einzelne Korn an uns bläst es bei farblichen Abweichungen aus. „Teure Fotoapparate", nennt Künkele das mit einer sechsstelligen Summe zu Buche schlagende Gerät.

Die Mühlentechnik ist kompliziert geworden. Die Abläufe werden von qualifizierten Müllern gesteuert und überwacht. Nach der Annahme wird das Getreide von Elevatoren, einer Förderlage, in die Silos bewegt. Es durchläuft verschiedene Reinigungsstufen, wird geschält, geschrotet, gemahlen, gesiebt und als Mehl oder Backmischung abgepackt. Flocken werden gepresst und mit anderen Zutaten zu Müsli gemischt usw.

Die Konkurrenz ist groß: 300 Mühlen laufen in Deutschland, allein 86 davon in Baden-Württemberg. Nur mit Investition und Innovation kann sich ein Unternehmen im Markt behaupten. Die drei württembergischen Mühlen haben sich für die Zukunft neu aufgestellt. Sechs Millionen Euro Umsatz erwartet BioKorn im ersten Geschäftsjahr. Schon im zweiten Jahr soll er sich im zweistelligen Millionen-Bereich bewegen. Die Bio-Mahlwerke drehen sich kräftig.

Anton Großkinsky

 

 

Schapfenmühle

Die Schapfenmühle als eines der ältesten Ulmer Unternehmen existiert seit 1452. Die Mühle hat den ursprünglichen Standort an der Blau, einem Nebenfluss der Donau, längst verlassen. Heute steht sie auf der grünen Wiese vor den Toren Stadt.

Untergebracht ist sie seit 2004 in einem imposanten 115 Meter hohen Turm, der in nur neuen Monaten erbaut wurde. Verkleidet ist der Wolkenkratzer mit Solarzellen, die bis zu 70 Kw/h Strom liefern.

Bereits seit Jahren 1990 ist Geschäftsführer und Müllermeister Heinz Künkele im Biosegment tätig.

Die Ulmer Schapfenmühle erzielten den größten Teil ihres Umsatzes von zuletzt 35 Millionen Euro mit stärker verarbeitete Mühlenprodukten wie Backmischungen für Brot, Pizza und Kuchen, Flocken und Pops, weniger mit den klassischen Mehlen.

Zehn Prozent der eingesetzten Rohstoffe stammen aus kontrolliert biologischem Anbau.

Frießinger Mühle

Die Frießinger Mühle in Bad Wimpfen am Neckar stellt neben Mahlerzeugnissen auch Zutaten für das Bäckerhandwerk, Industrie und Haushalt her. Die Familie Frießinger ist seit 1889 im Müllerhandwerk tätig. 1998 siedelte die Mühle von Kirchberg an den jetzigen Standort um.

Geschäftsführer Willi Frießinger hat das Unternehmen zu einem modernen Industriebetrieb entwickelt. Die leistungsfähige Verpackungsanlage bietet alle technischen Möglichkeiten. Außerdem steht eine ausgefeilte Logistik für einen internationalen Vertrieb zur Verfügung.

Heimatsmühle

Die Heimatsmühle in Aalen am Kocher besteht seit dem zwölften Jahrhundert und befindet sich seit 1808 im Besitz der Familie Ladenburger. 1967 brannte die Mühle kurz nach einem umfangreichen Umbau nieder.

Der Wiederaufbau erfolgte in einem modernen Turmkonzept. 50 Meter ragt die Mühle in die Höhe. Max Ladenburger, der 1998 die Geschäftsführung übernahm, investiert permanent in die Modernisierung der Traditionsmühle.

Der Bio-Anteil am Umsatz von 15 Millionen Euro liegt bei zehn Prozent. Seit 1994 wird Getreide aus biologischem Anbau gemahlen und regional im Handel abgesetzt.

Die Mühle ist Mitglied der AOEL (Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller), einer Interessenvertretung von Bio-Unternehmen.

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