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Bio-Brot von glücklichen Bäckern

Für BioKaiser-Geschäftsführer Volker Schmidt-Sköries gehört Sozialethik zum Bio-Gedanken

Bio-Brot von glücklichen Bäckern © Lisa-Marie Kaspar / BioKaiser
Von einem Kollektiv der Brotherstellung hat sich das Unternehmen BioKaiser seit den 70er Jahren zu einem Mittelständler mit 20 eigenen Filialen und rund 90 verschiedenen Backwaren-Artikeln gewandelt: von Roggenmisch- und Körnerbrot über Süßgebäck bis zu pikanten Snacks.

Ein wertschätzender Umgang mit Mitarbeitern und Lieferanten, Transparenz, Ehrlichkeit und Fairness in der Zusammenarbeit mit Handelspartnern: Das sind für Volker Schmidt-Sköries Zutaten, um eine ‚Wirtschaft mit Herz‘ in der Unternehmenswelt zu etablieren. Der geschäftsführende Gesellschafter der Bäckerei BioKaiser aus Mainz-Kastel ist seit über 40 Jahren mit seiner sozial-ökologischen Mission unterwegs und wünscht sich auch in der Bio-Branche einen größeren Fokus auf Mensch statt Kapital.

„Ich bin ein klarer Gegner einer neoliberalen Philosophie. Die egozentrische Sichtweise der FDP hat nichts mit meinem Verständnis von Unternehmertum zu tun“, stellt Schmidt-Sköries klar. Dabei sei Sozialethik im Betrieb nicht mit wirtschaftlichen Abstrichen verbunden, sondern heute vielmehr ein „echter Wettbewerbsvorteil“. 22 Azubis hat BioKaiser im vergangenen Sommer neu eingestellt – inmitten von Zeiten des Handwerker-Fachkräftemangels. „Sie fühlen sich hier wertgeschätzt, nicht funktionalisiert.“ Zu dem „mittelalterlichen“ Arbeitsverständnis, das teilweise in der Bäckerbranche immer noch vorherrsche, möchte der Geschäftsführer eine Alternative bieten.

Alle zwei Wochen kommt ein Körpertherapeut in die Firma, bei dem Mitarbeiter sich behandeln lassen können. Außerdem gibt es zwei Fitnessräume im Haus. In einer Führungswerkstatt, die an zwölf Tagen im Jahr stattfindet, können Mitarbeiter ihre Leitungskompetenz verbessern. 2025 werden unter dem Jahresmotto Resilienz fünf Entwicklungstage veranstaltet, bei denen die Angestellten lernen sollen, besser mit Herausforderungen umzugehen – mit Inputs von Philosophen und Psychologen. BioKaiser verspricht unbefristete Arbeitsverträge, Gehälter nach Tarif und auch in der Backstube eine Fünftagewoche, die weitestgehend ohne Nachtschicht auskomme.

Wirtschaft nach dem Prinzip Hoffnung

Die Unternehmensphilosophie hat ihren Ursprung im Prinzip Hoffnung von Ernst Bloch. Der Namensgeber Theo Kaiser, der die Bio-Bäckerei 1976 mit einem Kollektiv von Gleichgesinnten gründete, gehörte zu einer der alternativen Gruppen der Frankfurter Schule in den 70er Jahren. Blochs Ansatz einer Arbeit ohne Entfremdung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, stand von Anfang an als Leitbild über dem Kollektiv der Brotherstellung.

Volker Schmidt-Sköries studierte zu dieser Zeit Pädagogik, ließ das Studium dann aber für das Unternehmen sausen und blieb dabei, als sich die Gruppe der Initiatoren nach drei Jahren auflöste. Mit dem späteren Moin-Gründer Hans-Paul Mattke leitete er BioKaiser weiter und wurde 1987 zum alleinigen Geschäftsführer. Seit 2021 wird er in der Führung von der nächsten Generation, seinem Schwiegersohn Yasar Sköries, unterstützt.

Rohstoffqualität bestimmt die Sauerteigführung

Der sozialethische Gedanke der Bio-Bäckerei zeigt sich nicht nur intern, sondern auch mit Blick auf die beliefernden Bauern. Im Zuge einer Wertschöpfungspartnerschaft bezieht BioKaiser sein Getreide von den Kornbauern, einer Erzeugergemeinschaft aus Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland. Knapp 80 Bioland-Landwirte sind dort versammelt und beliefern den Bäcker jährlich mit rund 3.000 Tonnen Bio-Getreide.

Nach jeder Ernte setzen sich für BioKaiser Landwirte, Müller, Bäcker, Ernährungs- und Produktionsexperten zusammen und reden neben Preisen vor allem über Qualitäten, erklärt der Geschäftsführer. „Weizen ist nicht immer gleich Weizen“, so Schmidt-Sköries. Mit Hilfe von Backversuchen werde ermittelt, ob und wie die Sauerteigführung für ein bestmögliches Resultat angepasst werden muss, etwa durch andere Mehlmischungen oder längere Gehzeiten. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal des Bio-Produzenten: Der Backprozess wird immer wieder ernteabhängig neu definiert und auf die jeweilige Rohstoffqualität abgestimmt.

„Komplexität in der Wirtschaft zu reduzieren stärkt nur die Kapitalseite“, weiß der Unternehmer. Die regelmäßigen Gespräche mit den Lieferanten seien zwar aufwendig, stellten aber gleichzeitig Authentizität und Transparenz sicher.

Ziel ist es, am Ende ohne künstliche Zusätze hochwertige und schmackhafte Backwaren herzustellen. Auf Enzyme, Emulgatoren, Stabilisatoren oder Fertigmischungen wird bei BioKaiser schon seit der Anfangszeit verzichtet. Die Sauerteige dürfen mindestens 18 Stunden reifen.

Immer noch wird auf handwerkliche Arbeitsweisen Wert gelegt, gleichzeitig ist der Bio-Pionier mit insgesamt 350 Mitarbeitern zu einem Großunternehmen geworden. 80 davon sind in den 4.000 Quadratmeter großen Produktionshallen in Mainz-Kastel tätig, darunter 15 Bäckermeister. 45 Führungskräfte stehen im Moment 38 Azubis gegenüber.

Öffnung für Kaufleute von Rewe und Edeka

Im Sortiment hat der Bio-Hersteller heute an die 90 verschiedenen Backwaren-Artikel: von Körner- und Roggenmischbrot über verschiedene Brötchen, Brezeln und pikante Snacks wie Quiches bis hin zu Süßgebäck wie Croissants, Kuchen oder Weihnachtsplätzchen.

Zu finden sind die Produkte vor allem im Raum Mainz, Frankfurt und Mannheim, von Gießen in Mittelhessen bis Karlsruhe in Nordbaden. 20 eigene Filialen unterhält der Bio-Bäcker, die beste mache momentan 1,2 Millionen Euro Umsatz, die kleinste 400.000. Mit Blick auf die Standorte sei langfristig eine Verlagerung zu beobachten: aus der Innenstadt in gut situierte Stadtteile.

Dazu beliefert der Hersteller täglich 160 bis 180 Handelskunden. 19 eigene Sprinter verlassen dafür jeden Morgen die Produktion in Mainz-Kastel und bringen Bio-Backwaren im Wert von 100.000 Euro unter die Kundschaft.

BioKaiser gehört zu den ältesten Alnatura-Partnern – „wir waren damals schon in Mannheim dabei“, so Schmidt-Sköries – und ist auch heute noch der größte Backwaren-Lieferant der Bio-Kette. Auch denn’s wird mit großen Mengen beliefert. Allerdings sei beim Geschäft in den klassischen Bio-Supermärkten eine Stag-  nation zu beobachten. Die Bäckerei hat sich nun auch für neue Absatzkanäle geöffnet und ist erste Wege in Richtung von Edeka- und Rewe-Kaufleuten gegangen.

„Mit Zentralen reden heißt über Prozente reden“, so die Erfahrung von Schmidt-Sköries. Das sei im Naturkostfachhandel oft nicht anders als im LEH. Dabei sollte die Bio-Branche in seinen Augen eigentlich partnerschaftlich unterwegs sein.

Die bisherige Kooperation mit Kaufleuten stuft er dagegen sehr positiv ein: Das sei ein Geben und Nehmen, im direkten Kontakt von Unternehmer zu Unternehmer. BioKaiser investiert viel in den neuen Kanal und stellt etwa selbst Fachpersonal für den Verkauf in Edeka-Theken zur Verfügung. Der Aufwand beginne sich langsam auszuzahlen, mit aktuell knapp 800 Euro Umsatz pro Tag, Tendenz aufwärts.

Verantwortungseigentum und Gewinnbegrenzung

Für 2025 plant der Hersteller einen Gesamtumsatz von 27 Millionen Euro (Bilanzumsatz: 34 Millionen Euro). „Viele Bio-Bäcker sind gerade wirtschaftlich am Kämpfen“, stellt Schmidt-Sköries fest. BioKaiser selbst schreibe nicht dieselben Zahlen wie 2021, habe aber keine existenziellen Probleme und noch Luft, um Branchenkollegen zu unterstützen.

In puncto Rendite orientiert sich der Bio-Bäcker an der Idee des Verantwortungseigentums: Die Firmenanteile sind an eine sozialethische Grundhaltung gebunden, der Gewinn muss geteilt werden. „Wirtschaften hat mit Balance zu tun“, betont der Geschäftsführer.

Alles, was eine Rendite von fünf Prozent übersteigt, wird bei BioKaiser aufgeteilt: 35 Prozent bleiben zur Eigenkapitalbildung im Unternehmen, 35 Prozent gehen an die Anteilseigner und 30 Prozent landen bei Stakeholdern – Mitarbeitern, Müllern und Landwirten. „Das sind jährlich in der Regel um die 500.000 bis 800.000 Euro“, so Schmidt-Sköries.

Insgesamt liegt die Eigenkapitalquote des Unternehmens derzeit bei circa 60 Prozent, auf Unabhängigkeit werde viel Wert gelegt. In den 90er Jahren hat BioKaiser eine schwere Krise durchgemacht, stand kurz vor der Pleite und musste selbst als Bittsteller bei Banken auftreten. Damals hat Schmidt-Sköries sein eigenes Geld zur Sanierung in die Firma gesteckt. „Heute kommen Banken mit Investitionsinteresse von sich aus auf uns zu“, berichtet der Unternehmer. Die größten Shareholder-Anteile hält er selbst, mit 41 Prozent, weitere Gesellschafter sind die GLS-Stiftung und die Schachtsiek-Familien- Stiftung, die den Gewinn für soziale, ökologische und kulturelle Projekte verwenden.

In diesem Jahr plant BioKaiser hohe Investitionen in die Produktentwicklung auf Grundlage von Ernährungstrends. Der Aufbau einer glutenfreien Bäckerei soll in Angriff genommen und das Sortiment um mehr kohlenhydratreduzierte Produkte erweitert werden.

Außerdem will der Hersteller die Markenentwicklung und Kommunikation zum Motto ‚Wirtschaft mit Herz‘ verstärken. 2019 hat Schmidt-Sköries sein Konzept eines sozial-ökologischen Unternehmertums bereits im wirtschaftsethischen Sachbuch ‚Der Bäcker und sein Brot‘ dargelegt. Ende Oktober letzten Jahres wurde er von der christlichen Zeitschrift für Führungskräfte ‚go-Magazin‘ als einer von zehn Preisträgern mit dem ‚Heroes of Hope Award‘ ausgezeichnet. Auf der Biofach 2025 wird er in der Expertenlounge des Meetingpoints BIOimSEH seine Erfahrungen zur sozialethischen Unternehmensführung vorstellen (Halle 7, Stand 751-851). In der Sonderschau backt BioKaiser in einer Vorkassen-Bäckerei täglich frische Backwaren.

Lena Renner

 

Infoveranstaltungen von BioKaiser-Geschäftsführer Schmidt-Sköries in der 
Experten Lounge auf dem Meetingpoint BIOimSEH der Biofach finden Sie 
auf Seite 56 in diesem Magazin.
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