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Belgien

Kraft der Kräuter im Glas

Die Distillerie de Maredsous kreiert Bio-Gin aus heimischen Heilpflanzen

Kraft der Kräuter im Glas
Bio-Distillerie in alten Klostermauern: Seinen Gin gewinnt das wallonische Unternehmen mit Hilfe einer klassischen Anlage der Firma Holstein vom Bodensee. 

Balance und Wohlbefinden durch Tanne und Esche, Gelassenheit durch Mohn und Malve oder belebende Energie durch Haselnusskätzchen: Für die Distillerie de Maredsous mit Sitz in der gleichnamigen Abtei in der Wallonie ist Gin mehr als ein Kräuterschnaps. Mit Hilfe von Klosterwissen will das neu gegründete Bio-Unternehmen in seinen Spirituosen die Wirkung verschiedener Heilpflanzen mit dem Geschmack natürlicher Kräuter kombinieren. Gins, Liköre und ein Single Malt Whisky werden auf der Biofach auch dem deutschen Handel präsentiert.

Schon seit mehr als 150 Jahren lebt eine Gemeinschaft von Benediktiner-Mönchen in der Abtei Maredsous, gelegen im Molignée-Tal rund 20 Kilometer südlich von Namur. Das Kloster wurde im Jahr 1872 gegründet, die ersten Mönche kamen aus dem Kloster Beuron bei Sigmaringen.

In Belgien erlangte Maredsous mit der Herstellung von Schnittkäse und Bier Bekanntheit. In den 50er Jahren begannen die Mönche, eigenen Käse zu produzieren, der im Klosterkeller gereift wird. Angesichts steigender Absatzmengen wurde die Produktion Ende der 50er an eine Milchkooperative unter Führung des Klosters übergeben. Auch die eigene Bier-Brauerei, in die Maredsous nach dem Zweiten Weltkrieg einstieg, wird seit den 60er Jahren extern weitergeführt: von der flämischen Brauerei Moortgart. Seit 2023 findet in einer neuen Mikro-Brauerei, betrieben von Moortgat, auch wieder Bier-Herstellung direkt im Kloster statt.

Klosterwissen trifft auf Experimentierfreude

Die Distillerie Maredsous ist ein neues Familienmitglied unter den Partnerunternehmen des Klosters und wurde erst 2019 gegründet, von Adrien Desclée de Maredsous – einem direkten Nachkommen der Gründer der Abtei. „Adrien ist Gin-Liebhaber – und gleichzeitig sehr naturbegeistert“, erklärt Oana Van Hove, die seit September 2024 Vertrieb und Marketing des Unternehmens verantwortet. Sein Pflanzenwissen habe er mit der Vorliebe für Spirituosen verbinden wollen und daher selbst begonnen, mit Pflanzen, die in der Gegend wachsen, zu experimentieren. Zuvor war Desclée im Export und später auch in der eigenen Brauerei von Bier tätig.

Die neue Sparte passt zum Kloster, das in der eigenen Bücherei mit rund 500.000 Büchern auch zahlreiche Bände über die Biodiversität des Molignée-Tals beherbergt. In der Distillerie liegt ein altes Kräuterbuch mit dem traditionellen Wissen der Mönche. Auch der aktuelle Abt Dom Bernard Lorent ist laut Van Hove ein Kräuterexperte und hat die Kooperation entsprechend unterstützt. Bei ihren Produkten rückt die Brennerei neben den geschmacklichen besonders die gesundheitlichen Eigenschaften und verschiedenen Wirkungen der verwendeten Bo- tanicals in den Vordergrund. Die Basis bildet zertifiziertes Bio-Getreide.

Ihre Produktion hat die Distillerie im ehemaligen Schweinekoben des Klosters eingerichtet. Hier reihen sich in großen Einmachgläsern Heilpflanzen und Kräuter aneinander. „95 Prozent stammen aus einem Umkreis von 100 Kilometern des Tals“, betont Van Hove. Die Wacholderbeeren könnten in besserer Qualität aus anderen Gegenden bezogen werden. „Unser Ziel ist, dass die Zutaten fast ausschließlich aus Europa kommen.“ In diesem Jahr soll auf dem Klostergelände ein eigener Botanischer Garten entstehen, wodurch die Brennerei vermehrt Heilpflanzen aus eigenem Anbau verwenden könnte.

Je nach der gewünschten Intensität der Spirituose werden die jeweiligen Kräuter und Pflanzenbestandteile für zwei Stunden bis zu zwei Wochen in Alkohol eingelegt. Für die anschließende Destillation wird eine Destillieranlage der Firma Holstein vom Bodensee aus dem Jahr 1982 verwendet. „Normalerweise würde man die in einem Museum finden – nicht in der Produktion“, meint Van Hove. „Aber die ältesten Teile machen die beste Suppe!“

Bei 64 Grad wird der mit Gewürzen versetzte Alkohol langsam gekocht, sodass das enthaltene Methanol verdampft. Destilliert wird zweimal, bei einer Temperatur von 74 Grad. Insgesamt fünf Filter sorgen dafür, dass „beim Verdampfen das Allerbeste übrig bleibt“, bevor das Gemisch wieder verflüssigt wird. Der erste Edelstahlbehälter hat ein Fassungsvermögen von 800 Litern, am Ende der Destillation bleiben 650 Liter Ethanol. Der ganze Prozess dauert zwei bis drei Stunden. Für die Liköre ist das Herstellungsverfahren identisch, es wird nur etwas Zucker zugegeben.

Aéquatis, Mönchselixier und Single Malt

Sieben Spirituosen hat die Distillerie mittlerweile im Angebot: drei Gins, einen Single Malt Whiskey und drei Liköre. Alle wurden in ihrer kurzen Zeit am Markt bereits mit renommierten Auszeichnungen bedacht, von der ‚International Wine & Spirit Competition‘ oder vom Spirituosenwettbewerb ‚Frankfurt International Trophy‘.

Direkt neben der Produktion finden die Verkostungen statt. Alle Gins haben einen Alkoholgehalt von 40 Prozent. Als persönlichen Favoriten stellt Van Hove den Aéquatis vor – „er ist am überraschendsten!“, meint sie: fruchtig im Mund, süß und ausgewogen. Seinen Geschmack erhält der Gin von Baumknospen und Blättern, Tanne, Weißdorn und Esche. Außerdem soll er gut für die Verdauung sein.

Der Valéo sei wegen seiner beruhigenden Wirkung ein idealer Einschlaf-Drink. Er zeichnet sich durch Blumenaromen aus: Mohn, Malve, Primel und Waldmeister. Im Gegensatz dazu verspricht der Invictus – der Klassiker und erste Gin der Distillerie de Maredsous – einen aufweckenden, belebenden Effekt. Neben den für die Gin-Herstellung üblichen Wacholderbeeren werden als Zutat Haselnusskätzchen verwendet – „sie sind noch energetischer“, erklärt die Vertriebsleiterin. Der Invictus darf für sechs Monate in Eichenfässern reifen, wodurch er eine hölzerne, raue Note erhält.

Eine Reifezeit von fast vier Jahren hat dagegen der Single Malt Whisky der Distillerie. Drei Jahre liegt der edle Tropfen mit einem Alkoholgehalt von 47 Prozent in amerikanischen Bourbon-Eichenfässern, die ihm „warme Facetten von Vanille und Kokosnuss“ verleihen, gefolgt von einem Finishing von neun Monaten in französischen Fässern, die zuvor für Weißwein verwendet wurden und ihm eine „feine fruchtige Note“ geben. Das Malz bekommt die Distillerie im Sinne der Resteverwertung von der benachbarten Mikro-Brauerei.

Den ‚Honig-Whisky‘-Likör mit Honig von eigenen Bienen empfiehlt Van Hove als Amaretto-Alternative oder als Zugabe zu Irish Coffee. Als „Limoncello ohne Zitrone“ beschreibt sie das ‚Elixier der Mönche‘, einen Kräuterlikör mit über 25 Pflanzenzutaten, darunter Minze, Engelwurz oder Mädesüß. Das ‚Blütenelixier‘ schließlich lasse sich gut mit Weißwein oder Prosecco kombinieren oder auch zum Kochen verwenden, für eine rote Beerensauce. Der „kleine Sirup“ hat nur einen Alkoholgehalt von 14 Prozent und erhält durch vielerlei Waldbeeren ordentlich fruchtige Aromen. Die natürliche rote Farbe könne nach ein paar Wochen in orange übergehen – für Van Hove ein Qualitätsmerkmal, durch den sich der Likör von künstlich gefärbten unterscheidet.

„Verkostungen mit Tonic bieten wir nicht an“, stellt die Marketing-Chefin klar. „Der Gin soll sich nicht verstecken!“ Die natürlichen Aromen könnten sich nur in Reinform voll entfalten. Bestseller der Distillerie de Maredsous sind die Gins Aéquatis und Invictus. „Man kann schmecken, dass sie ehrlich hergestellt sind“, meint Van Hove. Preislich rangierten die Spirituosen im Mittelfeld, mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis – „nicht Premium, aber auch nicht billig“.

Zur Auswahl stehen 500-Milliliter- sowie 1-Liter-Flaschen. Abhängig von Abnahmeverträgen mit Partnern sei im Jahr die Produktion von über 1.000 Flaschen Spirituosen möglich. Dabei finde die Herstellung aktuell nur in zwei Wochen statt. „Wenn mehr Nachfrage da ist, haben wir auch die Möglichkeit, mehr zu produzieren“, erklärt die Vertriebschefin. Angesichts des reich gefüllten Kräuterkellers hat das Unternehmen begonnen, auch losen Tee abzupacken und zu verkaufen.  In 70-Gramm-Papierpackungen finden Kunden, die auf Alkohol verzichten wollen, nun als Alternative zu den Spirituosen pure Bio-Kräuterkombinationen mit Mehrwert: von ‚leichte Füße‘ und Vitalität über Verdauung bis zur ‚gute Nacht‘-Teemischung.

Vom Direktverkauf in den Export

Jedes Jahr wird die Abtei Maredsous von über 700.000 Touristen besucht. Zum Kloster gehören eine eigene Bar, ein Restaurant und ein Biergarten mit Spielplatz. Im Dezember zieht ein Weihnachtsmarkt im Innenhof Besucher an. „Unser wichtigster Absatzkanal ist der Direktverkauf“, stellt Van Hove fest.

Darüber hinaus werden die Spirituosen über Handelspartner in Belgien vertrieben. Der Exportkanal sei gerade im Aufbau: In Holland will die Brennerei ihre Vermarktung ausbauen; in Frankreich arbeitet sie mit einem Distributeur zusammen, der die Produkte weiter an Einzelhandel und Gastronomie liefert. Auch im „komplizierten“ Lebensmittelmarkt Deutschland will der Bio-Hersteller nun Fuß fassen und ist auf der Suche nach einem geeigneten Distributeur.

Wodka und Wein in Aussicht

Als die Distellerie 2019 die ersten Produkte auf den Markt brachte, ist das Geschäft sofort gut angelaufen, berichtet Van Hove. Während der Corona-Pandemie seien dann auch andere in die Herstellung von eigenem Gin eingestiegen, was den Absatz etwas gedämpft habe. „Gerade kommt der Bio-Trend zurück – und unser Gin auch!“

In ein paar Jahren soll Wein ins Sortiment von Maredsous aufgenommen werden. Infolge des Klimawandels sei in der Region inzwischen der Weinanbau möglich, erklärt die Vertrieblerin. Die Testphase zu diesem neuen Segment laufe gerade. Derweil stehen als neue Bio-Spirituosen bereits ein Wodka und ein weiterer Likör in den Startlöchern. „Adrien mag es, neue Dinge zu entwickeln“, stellt Van Hove fest. „Wahrscheinlich können wir schon Produktproben zur Biofach mitbringen.“

Lena Renner
 

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