Start / News / Bio-Tops / Mit biologischer Landwirtschaft zum ‚totalen Frieden‘

Kongress

Mit biologischer Landwirtschaft zum ‚totalen Frieden‘

VII. World Organic Forum auf Schloss Kirchberg/Jagst

Mit biologischer Landwirtschaft zum ‚totalen Frieden‘ © Akademie Schloss Kirchberg

Vom 1. bis 3. Juli fand in der Akademie Schloss Kirchberg das 7. World Organic Forum statt. Im Fokus des internationalen Kongresses für Ökologie, Klima und Nachhaltigkeit in der Land- und Ernährungswirtschaft standen Chancen und Grenzen von Bio, Agrarökologie und regenerativem Landbau auf dem Weg zur Agrarwende, die Möglichkeiten regionaler Wertschöpfung und das Potenzial von mehr Zusammenarbeit. Wie mithilfe von Biolandbau Gewalt gestoppt werden konnte, zeigte der eindrückliche Vortrag des philippinischen Bürgermeisters Rommel C. Arnado.

In den 1960er Jahren kam es auf den Philippinen zu mehreren bewaffneten Konflikten. Auf der zweitgrößten Insel Mindanao, die überwiegend von Christen bewohnt wird, kämpften verschiedene muslimische Gruppierungen für mehr Autonomie und Unabhängigkeit gegen Regierungstruppen. Dabei kam es auf beiden Seiten zur Verrohung der Umgangsformen, was in der Folge zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führte. Im Jahr 2010 wurde Rommel C. Arnado, ein erfolgreicher Geschäftsmann und Macher, zum neuen Bürgermeister von Kauswagan (27.000 Einwohner) gewählt. Der Ort war zu diesem Zeitpunkt eines der Zentren der Kämpfe. Während die Regierung auf einen ‚totalen Krieg‘ setzte, propagierte er den ‚totalen Frieden‘. Sein Verständnis von öffentlicher Verwaltung ist das einer umfassenden Verantwortung für das Wohlergehen der Menschen. Aufgrund der gescheiterten rechtzeitigen Zustellung der Visa für ihre Reise zum World Organic Forum waren er und seine Unterstützer per Video nach Kirchberg zugeschaltet.

„Während in der öffentlichen Wahrnehmung der Bürgerkrieg als Konflikt zwischen Christen und Muslimen wahrgenommen wurde“, berichtete Bürgermeister Rommel C. Arnado, „identifizierte ich die Ursachen in der horrenden Korruption, der tiefen Armut und dem gravierenden Hunger.“ Er entwarf ein durchdachtes Konzept, das den dauerhaften Frieden sichern sollte. Des Weiteren etablierte er eine Schule für nachhaltigen Landbau, die den Soldaten die Möglichkeit bot, ihren Lebensunterhalt durch den Anbau von Mais, Reis und Bananen zu erwirtschaften. Dabei setzte er bewusst auf eine biologische Landwirtschaft, die keine zusätzlichen Kosten und Abhängigkeiten durch Düngemittel, Saatgut und Pestizide erzeugt. „Sie sollten ihre Waffen nicht abgeben, sondern ihre Herzen öffnen“, schilderte er in seinem bewegenden Vortrag. „Nur wenn wir den Hunger beseitigen können, werden wir Frieden schaffen.“ Er strebte zudem eine Wiederherstellung des Vertrauens in den Staat an, indem er den Bürgern grundlegende Dienstleistungen der Regierung zur Verfügung stellte. Das Projekt erlangte als Arms-to-Farms (Waffen zu Bauernhöfen, oder treffender: Schwerter zu Pflugscharen) internationale Bekanntheit. Das Konzept hat viele Preise gewonnen und wurde von anderen Konfliktregionen weltweit übernommen. „Es wächst immer weiter und zieht neue Mitglieder an“, freute sich Rommel C. Arnado.

Mit dem Angebot zum Dialog gelang es ihm, die äußerst misstrauischen und mit Hass erfüllten Rebellen von seiner Idee zu überzeugen. 15 Kommandanten und ihre Truppen schlossen sich dem Programm an, stellten die Kämpfe und das Töten ein und befriedeten seitdem die Region anhaltend. Der Moderator, Friedens- und Umweltaktivist Bernward Geier, der das Projekt aus eigener Anschauung kennt, brachte es in Kirchberg auf den Punkt: „Die Menschen haben einen Ausweg gefunden.“ Diese Einschätzung wurde auch von den Kommandeuren der Rebellen im Gespräch mit den Teilnehmern beim World Organic Forum bestätigt. Sie seien weiterhin Militärs, hätten jedoch die Vorteile des Konzepts verinnerlicht. Ein Befehlshaber berichtete, dass er seit 2011 Teil des Programms sei. Er gab an, dass er und seine Familie seitdem in Frieden leben und seine Kinder eine gute Bildung erhalten würden. Zudem könne er sich zu jeder Tageszeit in der Stadt bewegen, ohne Angst um sein Leben haben zu müssen. Dies sei davor überhaupt nicht möglich gewesen.

Janet Maro aus Tansania berichtete von ähnlichen Erfahrungen. Dort kam es häufig zu Streitigkeiten über die Landnutzung zwischen Bauern und Hirten. Durch den Aufbau eines Bildungszentrums für Bauern und die Errichtung eines Fußballplatzes, der beiden Seiten als Forum für einen friedlichen Austausch dient, konnte ein Dialog initiiert werden. Die Beteiligten lernten voneinander, erkannten die jeweils andere Seite als wertvoll an und entwickelten Verständnis füreinander. Seitdem arbeiten sie in einem Kreislaufsystem zusammen. „Das ist ein einfaches System zur Konfliktlösung, auch zusammen mit Frauen, die oftmals keine so große Beachtung in der Gesellschaft erfahren“, erklärte Janet Maro. Nun werden Ideen zusammengeführt und gemeinsam Lösungen gefunden. Bernward Geier spitzte die Entwicklung zu: „Frieden schaffen ist weiblich, Krieg führen ist männlich, darum sind Frauen so wichtig für die Gesellschaft.“

Professor Franz-Theo Gottwald, Leiter der Akademie Schloss Kirchberg/Jagst, unterstrich einen Aspekt bei dem Projekt auf den Philippinen, der für einen langlebigen Frieden von entscheidender Bedeutung sei: „Eine starke Regierung, die ohne Gewalt führt und die Menschen unterstützt, ist ein wichtiger Teil der Lösung.“

Im Anschluss an den Austausch mit Bürgermeister Rommel C. Arnado wies Rudolf Bühler, Initiator des World Organic Forums, auf die parallel laufende Ausstellung ‚Krieg und Frieden‘ der Berliner Friedensbibliothek hin: „Wir müssen auf allen Ebenen für den Frieden in der Welt arbeiten.“ Dazu zählt für ihn auch das internationale Friedensgebet, das jeden Donnerstag um 19 Uhr in der Schlosskapelle stattfindet. Die Ausstellung wurde mit einer Finissage abgeschlossen, bei der Friedenslieder von Marlene und Walter Wollmann mit ihren Freunden vorgetragen wurden.

Info vom Haus der Bauern: Die Stiftung Haus der Bauern ist eine gemeinnützige und mildtätige Stiftung. Die nachhaltigkeitspolitische Arbeit für die Agenda 2030, die Organisation des World Organic Forums und die Ermöglichung der Teilnahme von Experten und Akteuren aus aller Welt erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Für diese Aktivitäten ist die Stiftung auf institutionelle Unterstützer, Spender, Sponsoren sowie Zustifter aus dem öffentlichen Sektor, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft angewiesen. Wer die Stiftung unterstützen möchte oder an einer individuellen Partnerschaft mit dem World Organic Forum interessiert ist, kann sich an die Geschäftsstelle der Akademie Schloss Kirchberg wenden.

[ Artikel drucken ]


Das könnte Sie auch interessieren

VII. World Organic Forum kündigt sich an

Schwerpunkt: Bio – Regenerativ – Agrarökologie

Vom 1. bis 3. Juli 2024 wird die nächste Ausgabe des World Organic Forums in der Akademie Schloss Kirchberg stattfinden. Als Dachthema haben die Veranstalter die Frage ‚Ernährungssysteme der Zukunft: Bio – Regenerativ – Agrarökologisch?‘ bekanntgegeben. Die Konferenz will eine Plattform bieten, um diese drei landwirtschaftlichen Konzepte hinsichtlich ihres globalen Potenzials zur Steigerung der Klimaresilienz zu untersuchen.

30.04.2024mehr...
Stichwörter: Nachhaltigkeit, Gesellschaft, International, Klimaschutz, Ökolandbau, Kongress, Vernetzung, Schloss Kirchberg, World Organic Forum, Akademie Schloss Kirchberg, Agrarökologie, regenerative Landwirtschaft, Kooperation, Kauswagan/Philippinen

Bäuerliche Pioniere gründen Allianz für regenerative Landwirtschaft

Bündnis zur Koordination und politischen Interessenvertretung

Bäuerliche Pioniere gründen Allianz für regenerative Landwirtschaft © Filmkrug, Nina Reichmann

50 Vorreiter der regenerativen Landwirtschaft aus mehr als 20 Ländern haben sich vom 15. bis zum 17. November auf Schloss Kirchberg getroffen und schließlich offiziell die ‚Europäische Allianz für Regenerative Landwirtschaft‘ (EARA) gegründet. Das neue Bündnis zielt darauf ab, die Stimmen der landwirtschaftlichen Pioniere in den politischen Diskurs der EU zur Agrar- und Ernährungswende einzubringen und zu verhindern, dass der Begriff der regenerativen Landwirtschaft von der industriellen Wirtschaft dominiert wird.

22.11.2023mehr...
Stichwörter: Nachhaltigkeit, Gesellschaft, International, Klimaschutz, Ökolandbau, Kongress, Vernetzung, Schloss Kirchberg, World Organic Forum, Akademie Schloss Kirchberg, Agrarökologie, regenerative Landwirtschaft, Kooperation, Kauswagan/Philippinen

Save the Date: VI. World Organic Forum

Vom 27. bis 29. Juni auf Schloss Kirchberg

Beim V. World Organic Forum kamen 150 Landwirte, lokale Aktivisten, Vertreter der ökologischen Landwirtschaft und weitere Experten für die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) aus 15 Ländern auf Schloss Kirchberg zusammen. Im kommenden Jahr lädt die Akademie dazu ein, den Weg gemeinsam fortzusetzen, die SDGs weiter mit Leben zu füllen und im Sinne bestehender Projekte lokal umzusetzen. Im Anschluss an die Konferenz findet am 30.06. optional ein praxisorientierter Exkursionstag statt.

09.12.2022mehr...
Stichwörter: Nachhaltigkeit, Gesellschaft, International, Klimaschutz, Ökolandbau, Kongress, Vernetzung, Schloss Kirchberg, World Organic Forum, Akademie Schloss Kirchberg, Agrarökologie, regenerative Landwirtschaft, Kooperation, Kauswagan/Philippinen

Die SDGs weltweit in die Regionen bringen

Aufbruchssignal beim IV. World Organic Forum

19.03.2021mehr...
Stichwörter: Nachhaltigkeit, Gesellschaft, International, Klimaschutz, Ökolandbau, Kongress, Vernetzung, Schloss Kirchberg, World Organic Forum, Akademie Schloss Kirchberg, Agrarökologie, regenerative Landwirtschaft, Kooperation, Kauswagan/Philippinen

Kampf um die Rechte der Bauern – seit 1525 bis heute

Fachleute aus aller Welt diskutieren beim VIII. World Organic Forum auf Schloss Kirchberg

14.07.2025mehr...
Stichwörter: Nachhaltigkeit, Gesellschaft, International, Klimaschutz, Ökolandbau, Kongress, Vernetzung, Schloss Kirchberg, World Organic Forum, Akademie Schloss Kirchberg, Agrarökologie, regenerative Landwirtschaft, Kooperation, Kauswagan/Philippinen

World Organic Forum tagt erneut in Schloss Kirchberg

Umsetzung der UN-Erklärung zu Bauernrechten unter der Lupe – am 30. Juni und 1. Juli

22.05.2025mehr...
Stichwörter: Nachhaltigkeit, Gesellschaft, International, Klimaschutz, Ökolandbau, Kongress, Vernetzung, Schloss Kirchberg, World Organic Forum, Akademie Schloss Kirchberg, Agrarökologie, regenerative Landwirtschaft, Kooperation, Kauswagan/Philippinen