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Neue EU-Spielregeln auf dem Markt mit den Umweltaussagen
AöL bewertet Richtlinien zu Green Claims
Greenwashing unterbinden und die Masse an verwirrenden und substanzlosen Umwelt- und Nachhaltigkeitslabeln dezimieren – dieses Ziel möchte die Europäische Union mit zwei ‚grünen‘ Richtlinienentwürfen zur Regelung von Umweltaussagen (sogenannten Green Claims) erreichen und so EU-weit Rechtsklarheit und -sicherheit in Bezug auf die Kommunikation von Umweltleistungen schaffen. Zu diesem Zweck wurde im März 2022 ein Richtlinienvorschlag (COM(2022) 143 final) zur Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) und der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) veröffentlicht, die sogenannte Änderungsrichtlinie. Im März 2023, knapp ein Jahr später, folgte der Entwurf einer Richtlinie (COM(2023) 166 final) zur Substantiierung und Kommunikation umweltbezogener Aussagen, die Green-Claims-Richtlinie.
Auswirkungen auf die Bio-Branche – Rechtsgutachten bringt eine erste Einordnung
Im Rahmen des Forschungsprojektes ‚Überprüfung der Ressourceneffizienz von Ökolebensmitteln anhand des Product Environmental Footprint (PEF) und Einordnung in eine Nachhaltigkeitsstrategie‘ (Öko-PEF) wurde unter Beteiligung der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller e.V. (AöL), des Forschungsinstituts biologischer Landbau (FiBL), des Öko-Instituts e.V. und der Rechtsanwaltskanzlei WBS.legal ein Rechtsgutachten zu den Auswirkungen der beiden Richtlinienentwürfe auf die Kommunikation über Bio-Lebensmittel erstellt. Die Ergebnisse des Gutachtens zeigen, dass Unklarheiten und deutliche Widersprüche zwischen den beiden Richtlinienvorschlägen in Bezug auf Green Claims bestehen und darüber hinaus kritische Überschneidungen zu der Öko-Verordnung (EU) 2018/848 entdeckt werden konnten. An diesen Stellen müsste von Seiten des Europäischen Gesetzgebers noch nachgeschärft werden.
Welche grünen Werbeaussagen sind künftig noch möglich?
Allgemeine Umweltaussagen, ein neuer Rechtsbegriff nach der Änderungsrichtlinie, sind zukünftig dann irreführend und unzulässig, wenn keine anerkannte hervorragende Umweltleistung erbracht wird und das Produkt der werbenden Aussage nicht entspricht. Gemeint sind damit Aussagen wie zum Beispiel: umweltfreundlich, umweltschonend, grün, ökologisch, klimafreundlich, CO2-freundlich oder biobasiert.
Ungereimtheiten bestehen hier laut dem Rechtsgutachten zum einen bei allgemeinen Umweltaussagen wie ökologisch oder biobasiert (beides Beispiele, die der europäische Gesetzgeber in seinen Erwägungsgründen selbst nennt), die laut Änderungsrichtlinie unzulässig wären, wenn keine hervorragende Umweltleistung des Produktes vorliegt. Dies steht im Widerspruch zur Bio-Verordnung, denn Bio-Lebensmittel dürfen gemäß Art. 30 Abs. 1 der Öko-Verordnung in Verbindung mit Anhang IV ausdrücklich mit den Begriffen biologisch und ökologisch sowie Ableitungen davon beworben werden.
Zudem muss die betreffende allgemeine Umweltaussage nach der Änderungsrichtlinie auf demselben Medium (Onlineangebot, Website, Verpackung) ge-nau erläutert werden und sich außerdem – für den Verbraucher deutlich erkennbar – nur auf den Teil des Produktes beziehen, der auch tatsächlich die beworbene anerkannte hervorragende Umweltleistung begründet (nicht die Verpackung ist Bio, sondern das darin enthaltene konkrete Lebensmittel).
Allgemein lässt sich sagen, dass jede Umweltaussage, die der ökologischen/biologischen Produktionsweise im Sinne der Öko-Verordnung entspricht, aufgrund des Vorrangs nach Art. 1 Abs.2 lit. b) dieser Verordnung gemäß dem derzeitigen Entwurf der Green-Claims-Richtlinie keiner Substantiierung erfordert. Somit ist es möglich, solche (Umwelt-) Aussagen, die sich spezifisch auf die Besonderheiten der ökologisch/biologischen Produktion beziehen und die Anforderungen der Öko-Verordnung erfüllen, zu nutzen, insbesondere wenn sie sich explizit auf die im Erwägungsgrund (9) der Green-Claims-Richtlinie genannten Beispiele beziehen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend formuliert, erkennbar am Wort ‚beispielsweise‘.
Um weitere zulässige Aussagen zu ermitteln, müssen die Vorteile der ökologisch/biologischen Produktionsweise ge-nau herausgearbeitet werden. Diese lassen sich in fünf Kernelemente unterteilen: Klimaschutz, Artenschutz, Gewässerschutz, Bodenschutz und Tierschutz. Auf Grundlage dieser wären verschiedene zulässige Umweltaussagen denkbar, ohne den Anwendungsbereich der Green-Claims-Richtlinie zu eröffnen.
Kommunikation von Bio-Standards
Derzeit ist unklar, wie die Umweltkommunikation von Bio-Betrieben, die sich im Rahmen einer Verbandsmitgliedschaft verpflichten, strengere Vorgaben als von der EU-Öko-Verordnung vorgegeben einzuhalten, zu bewerten ist. Grundsätzlich wäre hier wohl der Anwendungsbereich der Green-Claims-Richtlinie wieder eröffnet, da die strengeren Verbandsstandards den rechtlichen Boden der EU-Öko-Verordnung verlassen. Das hätte zur Folge, dass privatwirtschaftliche Bio-Siegel durch ein zusätzliches System zum Nachweis ihrer Umweltaussagen auf Basis der Green-Claims-Richtlinie belastet werden würden – und das obwohl sie strengeren Regeln und Anforderungen unterliegen, als die Bio-Verordnung vorgibt.
Aktueller Stand des Gesetzgebungsprozesses und Ausblick
Die Änderungsrichtlinie, im Gegensatz zu der Green-Claims-Richtlinie, steht bereits in den Startlöchern. Am 28. Februar wurde die Änderungsrichtlinie vom Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament verabschiedet und ist nach Veröffentlichung im Amtsblatt am 26. März in Kraft getreten. Für die Umsetzung in nationales Recht haben die Mitgliedsstaaten anschließend 24 Monate Zeit. Somit ist es bereits jetzt höchste Zeit, die eigenen Umweltclaims genau zu prüfen und zu hinterfragen. Denn auch wenn gegenwärtig irreführende ‚grüne‘ Werbeaussagen über die Waffen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) angegriffen werden können, so werden die neuen Regelungen der Änderungsrichtlinie und der Green-Claims-Richtlinie die Situation weiter verschärfen.
Lucia Scharl,
Simone Gärtner