Ausland

Bio an der Front

bioPress im Gespräch mit Kozak-Organic und Organic Greenhouse

Bio an der Front © Kozak-Organic / Deutsch-Ukrainische Kooperation Ökolandbau (COA Ukraine)
Oleksandr Orekhin, Inhaber des Bio-Betriebs Kozak-Organic, baut aufgrund der russischen Besetzung eine neue Existenz in der Region Dnipro auf.

Auf einer Länge von über 1.000 Kilometern befindet sich in der Ukraine die Front. Es wird überall erbittert gekämpft. Die Kämpfe gehen auch im Winter unvermindert weiter. Nicht weit davon halten Biobetriebe die Bewirtschaftung aufrecht. bioPress konnte zwei direkt Betroffene befragen.

Der Landwirtschaftsbetrieb Kozak-Organic von Oleksandr Orekhin ist von der russischen Armee besetzt. Er baut jetzt einen neuen Betrieb in der Region Dnipro auf. „Vielen Dank an alle Bio-Partner aus der Schweiz und Deutschland, die uns in dieser Situation unterstützen. Ein ganz persönlicher Dank geht an Stefan Dreesmann!“, betont Orekhin mit Nachdruck.

bioPress: Herr Orekhin, wie wirkte sich der russische Angriffskrieg auf Sie und Ihr Unternehmen aus? 

Oleksandr Orekhin: Bereits beim Angriff im Jahr 2014 war die russische Armee etwa 120 Kilometer von uns entfernt. Meine Familie war verängstigt, aber dank der ukrainischen Verteidigung konnte der russische Angriff damals nicht bis zu uns vorstoßen.

Im Jahr 2022 hat sich unsere Situation geändert. Am 28. Februar wurde unser Biobauernhof vorübergehend besetzt. Meine Mutter ging daher nach Saporischschja, eine ukrainisch kontrollierte Frontstadt. Meine Frau und unser vierjähriger Sohn zogen nach Iwano-Frankiwsk im ukrainischen Westen, in der Nähe von Rumänien, Ungarn und der Slowakei.

Ich war auf dem Bauernhof, als der Angriff begann. Ich und mein Mechaniker zerstörten alle Traktoren und Mähdrescher, sogar die neuen Getreidesämaschinen und Lastwagen – weil wir wussten, dass die russische Armee alle Agrartechnik bekannter Marken stahl oder zerstörte, und ich bin ein Massey Ferguson-Fan.

bioPress: Und danach? Was sind heute die größten praktischen Herausforderungen?

Orekhin: Später verließ ich meine Farm, denn als Besitzer war ich besonders gefährdet. Mein Betriebsmechaniker arbeitet bis jetzt auf dem Bauernhof, aber eher als Wächter. Leider ist die Situation zu unsicher, um unsere Bio-Felder und Gewächshäuser zu bewirtschaften. Wir hatten 100 Hektar angebaut, die vernichtet wurden. Wir hoffen jedoch, dass 2023 das letzte Jahr ohne ukrainische Ernte sein wird.

Wenn wir zurück auf die Felder können, wird die ‚einzige‘ Schwierigkeit darin bestehen, genügend Lastwagen aufzutreiben, um die vielen Abfälle aus den Kampfhandlungen abzutransportieren. Es wird sehr schwierig sein, Felder und Wälder in der Nähe der Felder zu entminen.

bioPress: Was sind die größten Probleme in der Vermarktung?

Orekhin: Der ukrainische Markt ist schwierig. Viele Menschen, die Bio-Produkte kaufen, haben die Ukraine verlassen. Andere Menschen in der Ukraine haben ihr Einkommen ganz oder teilweise verloren. Der Export über das Schwarze Meer ist sehr schwierig, weil wir die Seehäfen verloren haben und unser Getreide in der Europäischen Union derzeit nicht gesehen werden will.

bioPress: Welche Unterstützung brauchen Sie aktuell am meisten?

Orekhin: Ich persönlich und mein Betrieb Kozak-Organic beginnen wieder bei null. Im Herbst 2023 fand ich unberührtes Land in der Region Dnipropetrowsk und hoffe, dass ich 2024 mit dem Anbau von Getreide und Gemüse beginnen kann. Derzeit suche ich nach Geld, um einen Traktor und einige Grubber und Sämaschinen zu kaufen. Vielleicht kann ich jemanden finden, der mir einen Traktor mit Ausrüstung für ein Prozent Kredit geben kann. Wir sind ein sehr fleißiges Volk. Wir müssen das, was wir verloren haben, wieder herstellen und weiter für den Wiederaufbau der Ukraine arbeiten.

bioPress: Was sind Ihre Perspektiven – nach dem hoffentlich siegreichen Kriegsende?

Orekhin: Für einen Neuanfang muss der Krieg beendet werden. Die ganze Ukraine betet und kämpft. Aber ich hoffe, dass es sehr bald so weit ist, und dann werde ich für unsere ukrainischen Kinder Bio-Gemüse und -Getreide anbauen.

 

Spendenaufruf
‚Permakultur in der Ukraine‘ bittet die internationale Gemeinschaft um Unterstützung im Winter:
„Bereits am zweiten Kriegstag hat sich unsere Organisation mit der NGO ‚Global Ecovillage Network of Ukraine‘ zusammengetan und eine Karte mit Unterkünften für Menschen erstellt, die vor dem Krieg geflohen sind oder ihr Zuhause verloren haben. Viele Flüchtlinge leben jetzt in unseren ökologischen Gemeinschaften. Wir haben Häuser renoviert, Lebensmittel angebaut, Permakultur-Schulungen und Kindercamps organisiert. Aber ein weiterer Winter ist da und es gibt immer noch viel Bedarf. Am meisten benötigt werden Spenden für Feuerholz, für landwirtschaftliche Geräte und Wasser-Auffangbecken.
Sie können das Geld mit dem Stichwort ‚Winterhelp‘ auf das Paypal-Konto der Leiterin Anastasiya Volkova senden:
anista@gmail.com.“
Weitere Informationen: http://www.genukraine.com.ua

 

  • © Organic Greenhouse/ Deutsch-Ukrainische Kooperation Ökolandbau (COA Ukraine)
Ein Teil des Teams von Organic Greenhouse mit Geschäftsführer Viktor Styfura in der Mitte

Das Unternehmen Organic Greenhouse liegt südlich von Charkiw, rund 15 Kilometer entfernt von der Frontlinie. Die Farm wurde durch die Kriegshandlungen nicht direkt beschädigt. Dennoch sind die Auswirkungen auf Bewirtschaftung und Vermarktung groß. Viktor Styfura ist der Direktor des Betriebs.
bioPress: Herr Styfura, wie wirkte sich der russische Angriffskrieg auf Sie und Ihr Unternehmen aus?
Viktor Styfura: Der Krieg hat unsere Produktvermarktung stark beeinträchtigt. Wir haben unsere Bio-Gurken seit fast drei Monaten nicht mehr verkauft. Dieser Zeitraum fiel mit der heißesten und profitabelsten Periode für unser Gewächshaus zusammen. Wir konnten unsere Produkte in Kiew und Charkiw verkaufen, aber es entstanden insgesamt große Produktverluste und damit Einkommenseinbußen.  
bioPress: Wie ist die Situation heute? Was sind die größten praktischen Herausforderungen?
Styfura: Wir verkaufen unsere Produkte nur auf dem heimischen Markt. Die Nachfrage nach Bio-Produkten ist stark zurückgegangen. Leider können die Menschen im dritten Kriegsjahr nicht reich werden, sondern werden nur ärmer und wählen, was sie sich leisten können. Und Bioprodukte sind nicht billig.
bioPress: Was sind Ihre Perspektiven – nach dem hoffentlich siegreichen Kriegsende?
Styfura: Wir werden den Umfang der Produktion und des Verkaufs erhöhen und versuchen, den gesamten Markt der Ukraine abzudecken, sodass jede Stadt unsere Produkte hat. Und wir werden versuchen, ins Ausland zu exportieren. Wir erwarten einen Anstieg der Nachfrage, denn wenn der ganze Horror vorbei ist, werden die Menschen zurückkehren und die Wirtschaft unseres Landes wird sich erholen.

Interview: Peter Jossi

 

Die Interviewkontakte wurden von Dr. Stefan Dreesmann, Projektleiter der ‚Deutsch-Ukrainischen Kooperation Ökolandbau‘ (COA Ukraine) vermittelt. Über fachliche Aktivitäten und Hilfsaktionen steht das Projekt mit vielen Bio-Betrieben in der Ukraine in Kontakt. Homepage:
http://www.coa-ukraine.com/de

 

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