EU-Recht
EuGH verurteilt Deutschland wegen zu hoher Stickoxid-Werte
„Schallende Ohrfeige für Diesellobbyisten“
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat einer Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission stattgegeben: In 26 Städten habe Deutschland von Anfang 2010 bis Ende 2016 „systematisch und fortdauernd“ den Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid überschritten – teils um bis zu 150 Prozent – und damit europäisches Recht verletzt.
Seit 2010 gelten in der EU die Grenzwerte für Stickoxide. Danach darf das Jahresmittel für Stickstoffdioxid an keiner Messstelle über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen und das Stundenmittel darf höchstens 18 Mal im Jahr die Schwelle von 200 Mikrogramm überschreiten. 2018 hatte die EU-Kommission Deutschland verklagt. Der EuGH hatte zuvor bereits Frankreich und Großbritannien verurteilt.
Überschritten wurden die Grenzwerte unter anderem in Berlin, München, Stuttgart, Köln und Hamburg. Deutschland habe laut den Richtern in Luxemburg „offenkundig nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen getroffen“. Die Pläne für eine bessere Luftqualität seien zudem zu unkonkret gewesen und teils bloß angekündigt worden.
Die Deutsche Umwelthilfe begrüßt das EuGH-Urteil: Es sei eine „schallende Ohrfeige für die Diesellobbyisten auf der Regierungsbank“. Auch Oliver Krischer und Bettina Hoffmann von den Grünen sehen in dem Urteil eine „Klatsche für die Bundesregierung“. Jahrelang sei die flächendeckende Hardware-Nachrüstung aus dem Verkehrsministerium sabotiert worden und das ‚Sofortprogramm Saubere Luft‘ werde im Schneckentempo umgesetzt. Es brauche jetzt eine massive Stärkung von Radverkehr und öffentlichem Nahverkehr.
Strafzahlungen würden für Deutschland erst anfallen, wenn die EU-Kommission einen erneuten Antrag bei Gericht stellt. Außerdem betrifft die Klage nicht die Jahre 2017 und 2018, in denen sich die Einhaltung der Grenzwerte verbessert habe.
Nach Angaben eines Sprechers der EU-Kommission ist nun statt einer weiteren Klage zunächst geplant, eng mit den deutschen Behörden zusammenarbeiten. Deutschland wurde dazu aufgefordert, alles zur Einhaltung der Grenzwerte zu tun. Eine der Hauptursachen für die Überschreitungen seien die Emissionen des Straßenverkehrs, insbesondere Dieselfahrzeuge älterer Generationen. Wenn sich die Situation langfristig nicht bessert, Deutschland die Vertragsverletzung also nicht behebt, könnte der EuGH nach einem zweiten Verfahren hohe Strafzahlungen verhängen.