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Agrarökologie am Himalaya

Online-Treffen beleuchtet Politik für mehr Ökolandbau

Agrarökologie am Himalaya
(Reihe oben:) Grünen-Politikerin Renate Künast; Kesang Tshomo, Managerin des Nationalen Bio-Programms von Bhutan; Anne-Sophie Poisot von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
(Reihe unten:) Xhona Hysa, Expertin für globale Politik bei IFOAM; Pena Gymtsho, Generaldirektorin beim International Centre for Integrated Mountain Development, und Neelam Patel, Senior Beraterin bei NITI Aayog (v.l.n.r.)

Am 28. und 29. April luden IFOAM – Organics International und der World Future Council zur Online-Veranstaltung ‚Scaling up Agroecology in the Himalayas together’ (Gemeinsam die Agrarökologie in der Himalaya-Region ausbauen). Namhafte internationale Vertreter aus Politik und Wissenschaft stellten die weitreichenden Entwicklungen im Ökolandbau in Indien, Bhutan und Nepal vor – von Saatgut-Prüflaboren zu Natürlicher Landwirtschaft. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützte das Treffen.

„Business as usual ist keine Option mehr”, betonte Entwicklungsminister Gerd Müller zur Eröffnung. Claudia Warning, BMZ Abteilungsleiterin für Asien, stimmte zu, um die UN-Entwicklungsziele zu erreichen, bedürfe es eines fundamentalen Wandels des Landwirtschafts- und Ernährungssystems. Dafür müsse die Debatte sich an Fakten statt an Ideologie orientieren. Die Agrarökologie bezeichnete sie als „Rückgrat des Wandels“.

Dominik Ziller, Vizepräsident des International Fund for Agricultural Development (IFAD), berichtete, 60 Prozent der von IFAD unterstützten Projekte involvierten bereits Agrarökologie. Viel bewegen könne man, indem man den Einfluss von Frauen und junger Menschen stärke. „Eigentlich haben afrikanische Produzenten Zugang zum europäischen Markt“, erklärte Ziller. Allerdings exportierten sie oft die Rohstoffe, statt sie selbst weiterzuverarbeiten. Es sei wichtig, mehr Wert im Ursprungsland zu generieren. Dazu müssten die Produkte den Standards des Exportlands entsprechen.

Die internationalen Referenten betonten die Wichtigkeit der Himalaya-Region für das globale Ökosystem. Die größten Flüsse der Region werden aus den Gletschern des Himalayas gespeist und versorgen 1,9 Milliarden Menschen mit Wasser. Gleichzeitig sei das Ökosystem sehr fragil. In Folge des Klimawandels sind die Niederschläge bereits drastisch zurückgegangen, was in der wasserarmen Gegend fatale Folgen haben kann.

Wege zu 100 Prozent Bio

Sundar Anbalagan, Geschäftsführer der Agentur für die Entwicklung des ökologischen Landbaus in Sikkim, erzählte vom Weg zu 100 Prozent Bio des nur 7.000 Quadratkilometer großen Bundesstaats im Nordosten Indiens. Im vorherrschenden Kardamom-Anbau sei im Vergleich zum Rest der Nation schon immer wenig Chemie zum Einsatz gekommen. Schon 2003 hat sich die Regierung zum biologischen Landbau bekannt und 2010 die erfolgreiche ‚Sikkim Organic Mission‘ entworfen. Ziel war einerseits der Umweltschutz, andererseits auch, das Einkommen der Landwirte zu festigen.

Subventionen für synthetische Dünger und Pestizide wurden nach und nach reduziert und stattdessen biologische Alternativen zur Verfügung gestellt. Saatgut-Prüflabore wurden aufgebaut und der biologische Landbau in Schul-Lehrpläne integriert. Eine wichtige Rolle habe auch die Zertifizierung gespielt, bei der die Landwirte von der Regierung unterstützt wurden. Heute sind Verkauf und Einsatz chemischer Pestizide in Sikkim verboten. Seit 2016 ist der Bundesstaat komplett Bio. Hunderte Arbeitslose fanden eine neue Stelle im Ökolandbau und der Tourismus konnte um 40 Prozent gesteigert werden.

Handlungsbedarf gebe es jetzt noch in der Verarbeitung und im Marketing, so Anbalagan. Die Landwirt-Erzeuger-Gesellschaften müssten gestärkt und das eigene Sikkim Bio-Logo erfolgreich auf den Markt gebracht werden.

Ertragssteigerung durch Natural Farming

Aber auch andere indische Bundesstaaten bewegen sich in Richtung Bio: Im nordwestlichen Himachal Pradesh verabschiedete die Regierung 2018 ein Agrarprogramm, mit Hilfe dessen das Einkommen der Landwirte bis 2022 verdoppelt werden soll. Dies erzählte Rajeswhar Chandel, der sich für die Durchführung des Programms ‚Subhash Palekar Natural Farming‘ (SPNF) verantwortlich zeichnet. Bei dieser Form der ‚Natürlichen Landwirtschaft‘ wird auch auf externe organische Dünger komplett verzichtet und stattdessen auf Präparate wie Kuhdung gesetzt, welche die Aktivität von Mikroben und Regenwürmern im Boden fördern sollen.

90 Prozent der Bevölkerung Himachals lebt auf dem Land. Anders als in Sikkim wurden Pestizide hier lange massiv verwendet. Über 80 Prozent der Landwirte berichteten als Folge von Gesundheitsproblemen und 90 Prozent beobachteten einen Rückgang der Honigbienen. Mittlerweile haben rund 80.000 Landwirte ganz oder teilweise auf SPNF umgestellt. Die Produktionskosten ließen sich dadurch um bis zu 56 Prozent reduzieren und um bis zu 27 Prozent größere Erträge konnten erzielt werden, so Chandel. Außerdem seien die Pflanzen dürreresistenter und die Produkte geschmacklich intensiver. Er hofft, dass Natural Farming sich auch in anderen Teilen Indiens durchsetzen wird.

Zertifizierung und Vermarktung als Schlüssel

Einen Einblick in agrarökologische Entwicklungen in Nepal gab Hari Bahadur vom nepalesischen Landwirtschaftsministerium. Auch hier arbeiten zwei Drittel der Bevölkerung auf dem Land. Vorherrschend sind Low-Tech-Anbaumethoden, die meist schon von vornherein mit ökologischen Prinzipien übereinstimmen. Um 2007 wurde Jumla in der flächenmäßig größten Provinz Karnali der erste Bio-Bezirk Nepals. Als Schlüssel nennt auch Bahadur die Subventionierung von biologischen Düngemitteln sowie der Zertifizierung. 2018 wurde ein Plan entwickelt, mit dessen Hilfe Karnali eine Bio-Provinz werden soll. „Dafür braucht es fähige Landwirte und bewusste Verbraucher“, erklärte Bahadur. Die Politik müsse außerdem in Technik und Forschung investieren.

Kesang Tshomo, Managerin des Nationalen Bio-Programms von Bhutan, erzählte, wie Bhutan Ernährungsautarkie erreichen will. Nur 2,9 Prozent der Fläche Bhutans werden landwirtschaftlich genutzt – in einer kleinteiligen Agrarlandschaft mit hohen Produktionskosten. Die Hälfte der Lebensmittel wird aktuell aus Nachbarländern importiert. 2012 hat der bergige Kleinstaat den Plan für 100 Prozent Bio im Jahr 2020 verabschiedet. Mit dem aktuellen Programm soll dieses Ziel nun bis 2023 erreicht werden. Dafür wird den Bauern der Zugang zu biologischen Inputs ermöglicht und die Vermarktung der Produkte vorangetrieben – zum Beispiel durch das Label ‚Bhutan Organic‘. Tshomo betonte auch die wichtige Rolle von Kultur und Religion für die landwirtschaftlich geprägte Bevölkerung.

Marke Bio vom Himalaya

In einem Abschluss-Panel schlug Grünen-Politikerin Renate Künast vor, eine internationale Initiative oder sogar eigene Marke für Bio in der Himalaya-Region zu gründen. Die Teilnehmer unterstützten diese Idee. „Für die besonderen Bedingungen in einer Berggegend braucht es auch besondere Anbaumethoden“, merkte Tshomo an. Es wäre daher gut, wenn man gemeinsame Technologien entwickeln könnte. Erfahrungsaustausch sei schon ein guter Anfang.

„Die Agrarökologie bietet vielversprechende Konzepte für die Agenda 2030“, fasste Philipp Knill vom BMZ im Schlusswort zusammen. Wie alle Referenten betonten, brauche es einen holistischen Ansatz. Regierungen, Parlamente, Landwirte und Konsumenten müssten zusammenarbeiten. Vertreter von Märkten, Privatsektor und Zivilgesellschaft – sowie auch von kulturellen und religiösen Institutionen. „Wir sollten eine gemeinsame Road Map entwerfen“, rief er auf. Es bleibe zu hoffen, dass die Ergebnisse des Treffens mit in den Food Systems Summit, den UN-Gipfel über Lebensmittelsysteme im Herbst 2021, einfließen.

Lena Renner

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