Ernährungsrevolution
Bio von unten
Biostädte bringen Stadt und Land zusammen

Kaum ein Wirtschaftszweig kann aktuell solche Wachstumsraten verzeichnen wie die Bio-Branche. Dabei machen Bio-Lebensmittel im Außer-Haus-Bereich nach vorsichtigen Schätzungen gerade einmal fünf Prozent des gesamten Bio-Marktes aus. Hier setzen Biostädte an: Sie wollen die Zusammenarbeit zwischen Großstädten und ihrem Umland intensivieren und über die Stärkung von Bio in ihrem kommunalen Einflussbereich die Agrarpolitik aktiv mitgestalten.
Ursprünglich stammt die Bewegung der Biostädte aus Italien, wo sich Kommunen unter dem Netzwerk ‚Città del Bio‘ zusammenfanden. Seit 2010 gibt es ein loses Biostädtenetzwerk auch in Deutschland, 2016 wurde erstmals eine formale Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Mittlerweile haben sich im Netzwerk der deutschen Bio-Städte 20 Kommunen zusammengeschlossen, namentlich Augsburg, Berlin, Bonn, Bremen, Darmstadt, Erfurt, Erlangen, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, Ingolstadt, Karlsruhe, Köln, Landshut, Lauf an der Pegnitz, Leipzig, München, Nürnberg, Regensburg und Witzenhausen. Die Koordination des Netzwerks liegt beim Umweltreferat Nürnberg.
Sich gemeinsam auf den Weg machen
Ziel der Städte ist es, den Einsatz von Biolebensmitteln im eigenen Verantwortungsbereich, also in der öffentlichen Beschaffung, in städtischen Einrichtungen, Schulen, Kitas und Krankenhäusern, kontinuierlich zu steigern sowie den Ökolandbau auf regionaler und lokaler Ebene zu unterstützen. Dabei gibt es weder eine feste Organisationsform noch Mitgliedsbeiträge. Die Basis bildet stattdessen eine Kooperationsvereinbarung, die alle Mitglieder unterschreiben müssen. Um Teil des Netzwerks zu sein, braucht es etwa einen Ratsbeschluss sowie klar definierte, selbstgesteckte Ziele.
Die Biostadt München etwa hat in ihren Stadtratsbeschluss drei Aufgabenbereiche eingebettet: ‚Bio in Kinderbetreuungseinrichtungen‘, ‚Bio in der Gastronomie‘ und ‚Bio in der städtischen Verwaltung‘. Um die Umstellung auf Bio zu erleichtern, wurde ein kostenloser Bio-Speiseplanmanager entwickelt – mit saisonalen und gesunden Speiseplänen, einem Portionen-, Kosten- und Einkaufsrechner sowie einer umfangreichen Rezeptdatenbank. Mittlerweile ist für öffentliche Kitas in München ein Bio-Anteil von 50 Prozent sowie 90 Prozent bei den Fleischkomponenten verpflichtend vorgeschrieben.
„Biostadt ist keine Auszeichnung, sondern eine Verpflichtung, sich auf den Weg zu machen“, erklärt Werner Ebert, Biostadtkoordinator in Nürnberg sowie Sprecher des deutschen Biostädte-Netzwerks. Im Vordergrund auf diesem Weg stehen der Erfahrungsaustausch, gemeinsame Projekte, die Akquise von Fördermitteln sowie öffentlichkeitswirksame Aktionen. Beispielsweise werden Bildungsprojekte an Schulen initiiert, Bio-Wochen veranstaltet oder Einkaufs- und Gastronomieführer herausgebracht. Biostädte verstehen sich zudem als Knoten in lokalen und regionalen Bio-Netzwerken, wollen Kontakt herstellen zwischen regionalen Bio-Erzeugern und möglichen Abnehmern sowie Bio-Betriebe und Bildungseinrichtungen zusammenbringen.
Praxisleitfaden für mehr Bio
Als Hilfestellung für eine erfolgreiche Einführung von Bio-Lebensmitteln in der städtischen AHV hat das Netzwerk deutscher Biostädte den Praxisleitfaden ‚Mehr Bio in Kommunen‘ veröffentlicht, der ein umfassendes Nachschlagewerk für Städte und Gemeinden bieten soll. Interessierte Kommunen können sich hier über rechtliche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung informieren und eine Übersicht über die in Politik und Verwaltung notwendigen Schritte erhalten. Wichtig seien etwa ein klarer politischer Handlungsrahmen und ein klares Bekenntnis der Verwaltungsspitze. Statt allgemeiner Vorgaben sei es hilfreich, konkrete Ziele wie etwa die Angabe eines bestimmten Prozent-Anteils zu benennen. Zudem sollten interessierte Kreise, wie Verbände und NGOs mit in den Prozess einbezogen werden.
Biostädte auch auf europäischer Ebene
Im Januar 2018 wurde auf Einladung der Stadt Paris eine offizielle Veranstaltung zur Gründung des ‚Organic Cities Network Europe‘ durchgeführt – mit dabei die deutschen Biostädte Nürnberg und Lauf. Ziel des europäischen Netzes ist der gemeinsame Austausch, die gegenseitige Inspiration – aber auch, in Europa mit einer gemeinsamen Sprache der Nachhaltigkeit sprechen zu können. „Viele Entscheidungen in der Landwirtschaft werden in Brüssel getroffen“, erklärt Peter Pluschke, Sprecher des Biostädte-Netzwerks Deutschland. „Da müssen die Städte, die davon betroffen sind, auch mitreden können.“
Lena Renner