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Stockendes Wachstum im französischen Naturkostfachhandel

Nur vier Prozent Zuwachs im Fachhandel, bei 20 Prozent mehr Bio im LEH

Der französische Naturkostfachhandel legte in 2019 eine Verschnaufpause ein, es blieb bei nur vier Prozent Wachstum. In den Vorjahren waren zweistellige Wachstumsraten üblich, eine Verlangsamung hatte sich aber bereits in 2018 mit einem Plus von nur knapp acht Prozent angekündigt. Im französischen LEH hingegen ist die Bio-Wachstumsrate mit rund 20 Prozent auch in 2019 weiterhin sehr hoch.

Welche Faktoren haben zu dieser Entwicklung beigetragen und wie reagiert der französische Biofachhandel darauf?

Entwicklung des Naturkostfachhandels in Frankreich

Bioprodukte haben mittlerweile in Frankreich mit 5,7 Prozent (2019) einen vergleichbaren Marktanteil am gesamten Lebensmittelmarkt wie in Deutschland. Von den in Frankreich mit Biolebensmitteln umgesetzten rund elf Milliarden Euro verbucht der Fachhandel einen Umsatzanteil von zirka 30 Prozent in 2019. Damit liegt er etwas höher als in Deutschland (knapp 27 Prozent in 2019).

Rund sechs Prozent des französischen Biomarktes entfielen in 2019 auf die Außer-Haus-Verpflegung. Das Lebensmittelhandwerk (Bäckereien, Metzgereien, Konditoreien) generierte 4,5 Prozent des Bio- Gesamtumsatzes und die Direktvermarktung von Bioprodukten rund zwölf Prozent.

Über 3.000 Outlets

In Frankreich hat sich die Zahl der Verkaufsstellen des Naturkostfachhandels in den letzten Jahren stark erhöht. Aktuell geht man von insgesamt rund 3.050 Outlets aus, mit einer Gesamt-Verkaufsfläche von etwa 742.000 Quadratmetern in 2019. Im Vergleich mit Deutschland also eine ähnliche Größenordnung.

Dabei stieg die kumulierte Verkaufsfläche des französischen Naturkostfachhandels im letzten Jahr um 5,8 Prozent (plus zirka 41.000 Quadratmeter – der Zuwachs in Deutschland betrug lediglich 8.700 Quadratmeter). Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass im letzten Jahr 204 neue Läden geöffnet haben, es aber nur 118 Schließungen gab, also einen Zuwachs von 86 Geschäften.

Erwähnenswert bei den Ladenschließungen ist, dass diese zusehends auch die Filialisten betreffen (30 Prozent aller Schließungen in 2019, nur 24 Prozent in 2018), wohingegen die kleinen Läden unter 150 Quadratmeter immer weniger betroffen sind (47 Prozent in 2019, 67 Prozent in 2018). Eine Entwicklung, die man auch in Deutschland beobachten kann.

Ladenketten und groupements

Ähnlich wie in Deutschland, herrscht auch in Frankreich eine große Vielfalt an Naturkostfachgeschäften. Dabei haben Ketten und sonstige Gruppierungen eine längere Tradition und sind auch marktbedeutender als in Deutschland.

Es werden insgesamt 39 verschiedene Ketten und Zusammenschlüsse (groupements) gezählt. Da sind zum einen die frankreichweit agierenden Ketten beziehungsweise Filialisten, allen voran die Marktführerin ‚BioCoop‘ mit aktuell 625 Geschäften und 63 Neueröffnungen allein in 2019. Mit derzeit 370 Verkaufsstellen liegt ‚La Vie Claire‘ auf dem zweiten Platz.

Weiterhin existieren elf regionale Ketten, wie zum Beispiel ‚Marcel & Fils‘ mit 30 Niederlassungen, ‚Le Marché de Leopold‘ (17 Filialen), ‚Mybioshop‘ oder ‚Bio&Sens‘, sowie vier Zusammenschlüsse. Das sind meist Einkaufs- oder Werbegemeinschaften wie ‚Accord Bio‘, ‚Biomonde‘ oder ‚Les Comptoirs de la Bio‘.

Herausforderungen an den Naturkosthandel

Trotz der dynamischen Entwicklung in den letzten Jahren verbuchte der französische Naturkostfachhandel mit vier Prozent in 2019 eine deutliche Verlangsamung des Umsatzzuwachses. Er steht heute vor ähnlichen Herausforderungen wie der deutsche Fachhandel auch.

Da ist zum einen die Standortverdichtung: die Ketten wollen die Zahl der Verkaufspunkte weiter erhöhen, um das Netz noch engmaschiger werden zu lassen. Es besteht also ein harter Wettbewerb um die besten Plätze. Dabei sieht man in Frankreich jüngst auch, wie ehemals konventionelle Supermarkt-Formate in der 300-Quadratmeter-Klasse in Innenstadtlagen von Bio-Ketten übernommen werden.

Dazu kommen strukturelle Anpassungen. Das Netzwerk erneuert sich, es gibt Übernahmen und Zusammenschlüsse. Mittelgroße Biosupermärkte öffnen neu und kleine Läden schließen, was die durchschnittliche Verkaufsfläche pro Geschäft erhöht. Das Verkaufspersonal muss fachgerecht ausgebildet werden. Benötigt werden Detailkenntnisse zu den Absatzdaten, Drehzahlen, Bon-Analyse - Effiziente Lösungen für den Umgang mit diesen Big Data werden zu echten Wettbewerbsvorteilen.

Bio-Kerngruppe konsequent pflegen

Der Naturkostfachhandel steht vor der Herausforderung, seine aktuellen Kunden zu halten und nicht an den LEH zu verlieren. Gleichzeitung muss er auch neue Käufer gewinnen. Aktuell generiert ein knappes Drittel der französischen Haushalte, die Bio einkaufen, nahezu 80 Prozent des Gesamt-Bio-Umsatzes in Frankreich. Diese regelmäßigen Käufer geben durchschnittlich rund 400 Euro pro Kopf jährlich für Bio-Produkte aus. Zu diesen Intensiv- Kunden im Biomarkt hat der Naturkostfachhandel einen privilegierten Zugang.

Diesen Vorteil gilt es konsequent zu nutzen. Die zentrale Aufgabe des Fachhandels besteht daher darin, die Kerngruppe konsequent zu pflegen, mit Vorteilen und Service dauerhaft zu binden und zu Multiplikatoren für den eigenen Verkaufspunkt zu machen.

Dr. Burkhard Schaer, Michael Böhm

 

Das deutsch-französische Beratungsunternehmen Ecozept
Ecozept ist ein auf Biomärkte spezialisiertes Forschungs- und Beratungsunternehmen mit Sitz in Freising bei München sowie Montpellier (Südfrankreich). Es berät seit mehr als 19 Jahren Landwirte, Unternehmen der Lebensmittelbranche, Verbände und die öffentliche Hand. Inhaber und Geschäftsführer sind Andreas Jändl und Dr. Burkhard Schaer.
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