Markt
Bio der Zukunft: Die neuen Anforderungen an Bio-Produkte
Kein Zweifel, der europäische Biomarkt boomt: Waren laut der Mintel Global New Products Database (GNPD) vor fünf Jahren gerade einmal elf Prozent aller in Europa neu eingeführten Lebensmittel und Getränke als Bio ausgezeichnet, lag dieser Anteil zwischen Juni 2018 und Mai 2019 bei 17 Prozent - ein Beleg dafür, dass Hersteller ihre Innovationskraft in diesem Bereich weiter ausbauen.
Auf globaler Ebene machen die europäischen Länder den größten Anteil der Markteinführungen von Bio-Lebensmitteln und -Getränken aus. 66 Prozent aller im vergangenen Jahr bis Mai 2019 weltweit eingeführten Lebensmittel und Getränke mit Bio-Auslobungen stammen aus Europa, wobei in Frankreich, Deutschland und Spanien allein ein Drittel (33 Prozent) aller europäischen Bio-Produkte lanciert wurden.
Das Verbraucherinteresse besteht durchaus. Mintel-Forschungsergebnisse zeigen, dass im Durchschnitt drei Viertel der Verbraucher in fünf europäischen Märkten Bio-Lebensmittel und -Getränke kaufen, und ein Drittel der Befragten sogar angibt, dies einmal pro Woche oder öfter zu tun.
Eines der wichtigsten Verkaufsargumente für Bioprodukte sind die Clean Label-Angaben, da Konsumenten heute zunehmend Lebensmittel meiden, die künstliche oder chemisch klingende Stoffe enthalten könnten. Der Bio-Erfolg baut darauf auf, dass die entsprechend ausgezeichneten Lebensmittel meist als gesündere und nachhaltigere Wahl angesehen werden und daher von einem gesundheitlichen Halo-Effekt profitieren. Vertrauen, Transparenz und Rückverfolgbarkeit sind immer bedeutungsvoller werdende Faktoren bei der Kaufentschei- dung, weshalb die Bio-Zertifizierung zusätzliche Vergewisserung über die Herstellung und den Ursprung der Nahrungsmittel bietet.
Doch auch wenn nachhaltige und ethische Aspekte bei den Verbrauchern weiterhin hoch im Kurs stehen, entsteht gleichzeitig eine neue Art von Produkten, bei denen das ‚Bio‘ nicht immer die wichtigste Werbebotschaft ist. Diese Waren sind insbesondere auf Millennials und die sogenannte Generation Z ausgerichtet, deren Erwartungen an Hersteller in Bezug auf Nachhaltigkeit, Integrität und soziales Engagement zunehmenden Druck auf Lebensmittel- und Getränkehersteller ausüben.
Eine neueste Mintel-Umfrage zeigt, dass für die jüngere Generation von Bio-Konsumenten soziale und ökologische Faktoren von großer Bedeutung sind. Geht es um die Motivationen für den Kauf von Bio-Lebensmitteln und -Getränken, werden europäische Bio-Käufer im Alter von 16-24 Jahren im Vergleich zum prozentualen Durchschnitt aller Altersgruppen eher von ethischen und ökologischen Überlegungen angetrieben.
Um den immer komplexeren Anforderungen jüngerer Verbraucher gerecht zu werden und die Attraktivität für diese Altersgruppen zu steigern, versuchen einige Bio-Produzenten, sich unter Anbetracht aller relevanten Faktoren neu zu erfinden. So werden etwa ökologische Aspekte zunehmend in breitere gesundheitliche und ethische Positionierungen integriert, wodurch die Bio-Industrie versucht, die zunehmend höheren und vielfältigeren Ansprüche der Konsumenten zu erfüllen.
Vegan, vegetarisch, glutenfrei, allergenreduziert – all das sind beliebte Auslobungen, auf die Bio-Hersteller derzeit setzen. Zwar machen Produkte mit ethischen Verweisen wie zum Beispiel Tierwohl noch einen kleinen Teil der europäischen Produkteinführungen aus, es ist allerdings zu erwarten, dass diese in Zukunft noch wichtiger werden. Ein weiterer Aspekt, der in diesem Kontext zunehmend Gewicht erhält, sind umweltfreundliche und nachhaltige Verpackungen.
Außerdem zu beachten gilt, dass Millennials für die Zukunft der europäischen Bio-Branche eine große Chance, gleichzeitig jedoch auch eine große Herausforderung darstellen. Die Etablierung einer starken Markenidentität mit ‚Sinn‘ wird ein wesentliches Element sein, um an die Werte junger Verbraucher zu appellieren.
Die britische Teemarke Pukka Herbs, die 2017 von Unilever gekauft wurde, ist ein gutes Beispiel für eine Bio-Marke, die Millennials einen sinnvollen Mehrwert liefert und sich erfolgreich von der Nischen- zur Mainstream-Marke entwickeln konnte. Pukka hat in Sachen Nachhaltigkeit, Fair Trade und Bio-Produktion den richtigen Weg eingeschlagen und setzt sich zugleich für Fair for Life ein – ein Siegel, das als Goldstandard im fairen und ethischen Handel gilt. Das Zertifizierungs-Siegel soll sicherstellen, dass jedem Arbeiter entlang der gesamten Lieferkette, und nicht nur den Landwirten, Mindestlohn und angemessene Arbeitsbedingungen garantiert werden.
Da Bioprodukte zunehmend auf dem Prüfstand stehen, sollten Hersteller in Bezug auf Inhaltsstoffe und Produktion auf mehr Transparenz setzen, um das Vertrauen der Käufer zu stärken. Obwohl das Thema gesunde Ernährung nach wie vor eine wichtige Rolle beim Bio-Einkauf spielt, wird heute auch Sinnhaftigkeit von Marken erwartet, wobei dieses Unterscheidungsmerkmal in Zukunft noch einige Herausforderungen parat halten wird. Durch den Anstieg des ethischen Konsums, insbesondere bei Jüngeren, müssen Bio-Hersteller bereit sein, das Gespräch mit dieser Verbrauchergruppe zu führen, sich an die Grundprinzipien des Bio-Ethos zu halten und ihre Werbeversprechen dahingehend tatsächlich einzuhalten.
Katya Witham
Global Food and
Drink Analystin bei Mintel
Halle 5.1, F001
Mo, 7. Okt. 19, 15:30 h
Bio-Konsumenten von heute:
Wie kann die Bio-Branche den Anforderungen heutiger Verbraucher gerecht werden?
Katja Witham, Global Food and Drink Analystin bei Mintel, London
Alle Vorträge auf Seite 72 (Magazin)
und auf den bioPress Webseiten
http://www.bioPress.de
oder http://www.Anuga.de.