Verbraucherumfrage
Regionalität kontra Bio
Was hat die Naturkostbranche falsch gemacht?
Regionalität läuft Bio den Rang ab. Die Lebensmittelbranche setzt auf Emotionen und missbraucht die Hinwendung zur Region. Frisch ist, was um die Ecke in Sichtweite, die meist nicht vorhanden ist, gewachsen ist, und das dominiert die Kaufentscheidungen.
Einer aktuellen Analyse der internationalen Data And Analytics Group YouGov zur Regionalität als Kaufkriterium bei Lebensmitteln zufolge liegt Bio abgeschlagen auf Platz Fünf. Bei der Auswahl von Lebensmitteln achten 42 Prozent der Deutschen auf die regionale Herkunft. Wichtiger sind nur Frische mit 52 und Zuckergehalt mit 47 Prozent. Anbau und Aufzucht folgen mit 29 Prozent und erst dann kommt Bio mit 25 Prozent.
Wenn auf Produkten die Bezeichnung regional steht, werden sie von 77 Prozent der Befragten als frischer als andere Lebensmittel wahrgenommen. Bio-Lebensmitteln schreiben nur 29 Prozent der Befragten die Eigenschaft Frische zu. Auch bei der Frage nach der Qualität schlägt Regional (49 Prozent) die Bioangebote (43 Prozent) und bei Geschmack 43 Prozent versus 30 Prozent! Es kommt noch schlimmer mit der Einschätzung über die Reichhaltigkeit an Nährstoffen: Regionale Produkte liegen auch hier mit 40 zu 37 Prozent vor Bio-Lebensmitteln!
Die Lebensmittelbranche hat die positiven Eigenschaften von Biolebensmitteln vollständig adaptiert. Diese Gefahr wurde von der Biobranche viel zu wenig beachtet. Die Fokussierung auf den Naturkostfachhandel als die einzig wahrhaftige Vertriebsschiene ist gründlich danebengegangen. Der Fachhandel allein kann die Kaufgewohnheiten nicht verändern. Der Bio-Absatz erfolgt nur zu einem Drittel im Fachhandel. Mehr als sechs Milliarden Euro Bio-Umsatz wird im herkömmlichen Lebensmittelhandel erzielt. Dass dort nicht einfach zugeschaut wird, wie sich die Biohersteller bzw. -anbieter ausbreiten, hätte in der Branche voraus gesehen werden müssen.
Im Mainstream müssen die echt naturverbundenen Geschichten verbreitet werden. Stattdessen hat sich die Naturkostbranche mit Abgrenzungsstrategien vollkommen verrechnet. Nicht die Frage wer kann Bio und wer darf nicht, ist für die Meinungsbildung und die Entwicklung hin zu mehr Bioanteil im Landbau entscheidend.
Auch ist die Frage nach Reaktionen auf Bio-Skandale und wie denen zu begegnen ist eher nachrangig. Selbstverständlich sollte in solchen aktuellen Fällen eine Strategie nicht erst erfunden werden müssen. Sie muss in der Schublade liegen, damit schnell reagiert werden kann.
Jedoch hat nur eine aktiv nach vorne gerichtete konzertierte Bio-Kommunikationsstrategie in allen Kanälen: Fachhandel, Handwerk und herkömmlicher Einzelhandel, egal ob Discounter, Lebensmittelfilialen oder die anders, auf mehr Qualität, orientierten selbstständigen Einzelhändler, die Chance auf realistischere Einschätzungen der Eigenschaften von Lebensmitteln. Die Bio-Branche selbst hat die Verantwortung für die Positionierung in der Wahrnehmung bei der Kaufentscheidung für Bio.
Alle zusammen müssen Absatzstrategien in allen Vertriebskanälen mittragen und so die breiten Massen der Bevölkerung mit den Nachhaltigkeits-Anliegen erreichen und weitere Aufklärung über die Notwendigkeit des Ökolandbaus in der Fläche verbreiten. DIe Verbraucher außerhalb des Fachhandels zu ignorieren öffnet den herkömmlichen Lebensmittelherstellern Tür und Tor. Sie besetzen eigentlich positive Eigenschaften und machen weiter wie bisher.
Denn was ist an Regionalität allein faszinierend? Vielfach wird Regionalität mit Bio gleichgesetzt. Wie es sich wirklich verhält, kommt nicht von alleine in die Köpfe. Dass BSE gerade im Nachbarsstall zuhause sein kann, muss angesprochen werden und auch, dass Medikamentenmissbrauch mit Antibiotika als Doping bei der Mast schwerwiegende Folgen hat. Wo denn sonst als auf dem Nachbarsacker verursacht die Agrochemie Umwelt- und Gesundheitsschäden?
Die Menschen lieben ihre Heimat. Das darf jedoch nicht zu Irrglauben führen, auch wenn die Lebensmittelindustrie Millionen und Milliarden daran gibt, die Menschen in falscher Sicherheit zu wiegen und dabei vor nichts zurück schreckt. Das überall deutlich zu machen ist die Aufgabe - auch und gerade der Biopioniere!
Erich Margrander