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Kirgisistan

Bio-Verarbeitung in den Anfängen

Kirgisistan entwickelt sich in kleinen Schritten vom Rohstoff-Lieferanten zum Hersteller

Für  eine bessere Wertschöpfung dürfen Bio-Erzeugnisse nicht nur als Rohstoff verkauft, sondern müssen durch Verarbeitung veredelt werden. Einige wenige Unternehmen in Kirgisistan sind auf dem Weg zum Bio-Lebensmittel-Hersteller. Vega Plus ist auf dem Walnuss-Sektor am weitesten. Andere kleinere Firmen folgen im Bio-Export.

In Kirgisistan in Zentralasien steht der größte Walnuss-Wald der Welt. In den Bergen der Region Dschalalabat stehen die Bäume auf 30.000 Hektar. Die Menschen sammeln die Nüsse im Herbst zum Eigenbedarf, tauschen sie gegen andere Ware oder verkaufen sie. Diese wenig wirksame Wirtschaftsweise verschafft der Landbevölkerung ein Zusatzeinkommen, nicht mehr. Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) fördert ein Projekt für die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder. Ellen Kramer leitet das Programm auf Seiten der GIZ von der kirgisischen Hauptstadt Bischkek aus. Mehrwert wird durch Fairtrade und Bio erzielt.

Das kirgisische Unternehmen Vega Plus und eine Erzeugergemeinschaft von Nuss-Sammlern haben einen Teil des Waldes Bio- und einen anderen Fairtrade zertifiziert. Die Erzeugergemeinschaft ist die erste im kirgisischen Nuss-Wald. 600 Sammler waren in dem Gebiet bei der Ernte im Oktober 2016 unterwegs. Die höheren Preise, die mit zertifizierter Ware auf dem internationalen Markt erzielt werden, erhöhen den Lebensstandard der Bevölkerung in den Dörfern.

Das Unternehmen Vega Plus hat bei Dschalalabat eine Verarbeitungsanlage errichtet. Dort werden die Nüsse geknackt, gereinigt, sortiert, getrocknet, verpackt, gelagert und kommisioniert. Die Produktion ist noch nicht voll mechanisiert, so dass vieles von Hand geschieht und mehr Arbeitsplätze für die Menschen bleiben. Mit Intersnack aus Deutschland hat Vega Plus einen Abnehmer für Fairtrade-Nüsse. 40 Tonnen wurden im ersten Schritt exportiert. Der Erzeugergemeinschaft brachte das eine Fairtrade-Prämie von 10.000 Euro für soziale Einrichtungen.

Ein holländisches und ein Schweizer Unternehmen importieren ebenfalls. 2016 erwartet Vega Plus-Direktor Kanybek Aytakalov 19 Tonnen Bio-Export. 100 Tonnen sollen es in den nächsten zwei bis drei Jahren werden.  „Die maximale Ernte in Kirgisistan liegt unter besten Bedingungen bei 200.000 Tonnen. Die Kapazität in den USA ist dreimal so groß. Hier ist die Produktivität geringer, weil es sich um wilde Sorten handelt“, berichtet Aytakalov. Alle sechs Jahre gibt es eine Spitzenernte nach den bisherigen Erfahrungen.

Die kirgisischen Walnüsse sind klein und haben eine dünne Schale. „Der Geschmack ist gut. Den Wert macht die Natürlichkeit aus. Noch sind wir nur in Europa bekannt. Aber irgendwann wird man uns überall kennen“, ist der Direktor überzeugt.  Probleme bereiten die Schwankungen. In schlechten Jahren können die Erntemengen einbrechen „Der Geschmack ist weitgehend gleichbleibend“, meint Aytakalov.

Von Dschalalabat führt eine Straße in die Berge nach Arslanbob. Sie ist nicht durchgehend asphaltiert, wird bei starkem Regen überflutet und von Geröll verschüttet. Hier ist nur mit dem Geländewagen ein Durchkommen sicher oder mit dem Pferd.

Das Städtchen ist umgeben von Nuss-Wald. Die Sammler haben hier ihre abgegrenzten Parzellen, die sie vom Staat, dem Besitzer des Waldes, für wenig Geld pachten.  Bauer Janysch und 60 Kollegen haben in ihrer Erzeugergemeinschaft je fünf Hektar gepachtet. Pilze, Äpfel, Kräuter und Pflaumen sammeln sie ebenfalls. Bei Janysch ist ein Solartrockner aufgebaut, in dem gerade Pflaumen das Wasser entzogen wird. Das Gras rund um den Trockner wurde von Schafen abgeweidet, wie der Dung deutlich zeigt. Auf dem Kaffeetisch im Freien pickt ein Huhn am Kuchen. Es wird sofort vertrieben. HACCP-Standard ist das noch nicht.

„Absatzwege sind nicht aufgebaut. Auf den lokalen Märkten in Osch, Dschalalabat und Bishkek verkaufen Janysch und Kollegen heute einen Teil ihrer Bio-Ernte. 50 Cent/Kilo Wildäpfel erlösen sie. „Wir wollen biologisch anbauen und exportieren. Dann haben wir mehr Einkommen“, wünscht er sich. Erfahrungen im lokalen Handel ist nach Meinung von Volker Hennes, Mitarbeiter der GIZ, von Vorteil, wenn einmal der Export läuft.

An einem Sonntag Anfang Oktober regnet es in Arslanbob. Da fallen im Wald die Nüsse von den Bäumen. Die Sammler sind mit Plastiktüten, Taschen und Säcken unterwegs. Die Zeit der Ernte ist da. Der Regen öffnet die Nussschalen und der Wind in der Nacht zuvor hat die Nüsse vom Baum geweht.

Kirgisistan ist reich auch an anderen Früchten, die getrocknet gen Westen exportiert werden können. Das Unternehmen Osko in Bishkek trocknet Beeren, Melonen, Äpfel im Vakuum-Verfahren, auch mit Gemüse-Trocknungen wird gerade experimentiert. Und das wird in einfachen, selbst gebauten Trocknern im Vakuumverfahren erreicht. Das erlaubt niedrigere Temperaturen von rund 50 Grad. Damit ist die Trocknung schonender als im Solartrockner oder bei Gefriertrocknung.

Wilde Früchte aus dem Vakuum-Trockner

Das Unternehmen strebt Präsenz  auf den mitteleuropäischen Märkten an. Dafür baut Osko 2017 die Bio- und ISO-Zertifizierung auf mit Hilfe des GIZ-Programms, wie Generaldirektor Ahtiam Kashveev sagt. Im Frühjahr 2017 erneuert das Unternehmen die Gebäude als Voraussetzung für die Iso-Zertifizierung. Die Produktionsräume sind veraltet. Alles soll auf internationalen Standard gebracht werden, um Kunden-Audits zu bestehen. Seit 1993 gibt es das Unternehmen. 2018 zur 25-Jahrfeier soll alles runderneuert sein. Die Finanzierung ist bei Zinssätzen von rund zehn Prozent nicht einfach. Vor 20 Jahren lagen die Zinsen allerdings noch bei 25 Prozent. 

20 bis 30 Prozent der Rohware stammt aus kirgisischer zertifizierter Wildsammlung.  Fast 1.000 Pflücker sind dafür unterwegs. Die wilden Äpfel wachsen in einer Höhe zwischen 1.200 bis 1.500 Metern und sind Temperaturschwankungen ausgesetzt, unter denen Äpfel wunderbar gedeihen. Getrocknet sind sie nicht ledrig und zäh, wie das oft der Fall ist, sondern knusprig.

Kirgisistan ist ein kleines Paradies für Früchte. Getrocknete Erdbeeren, Himbeeren und andere Früchte gibt es in dieser Fülle und Qualität nicht überall auf der Welt. Wildsammlung ist in dem Gebirgsland machbar, wegen des Reichtums der Natur und weil die Arbeit günstig ist.

Mit zwei Bio-Erzeugergemeinschaften arbeitet Osko ebenfalls zusammen. Rohware ist genügend vorhanden. 600 Tonnen muss Osko einsetzen, um 100 Tonnen getrocknete Früchte zu bekommen.

Um die Produkte zu vermarkten ist der Hersteller auf Messen präsent. Der Verarbeiter war auf der Food Ingredients in Amsterdam, Paris und Frankreich. Nach Pakistan, Russland, USA und Japan exportiert der Hersteller bereits. Wilder Sanddorn ist in Japan besonders gefragt. „Unser Preise sind wettbewerbsfähig, und wir haben null Probleme mit der Logistik nach Europa“, sieht sich Kashveev gut aufgestellt.

Kommerzieller Bohnen-Anbau eingeführt

Sunshine Global Trade ist ein noch junges Unternehmen, das 2008 in Kirgisistan den kommerziellen Anbau von Bohnen gestartet hat. „Zuvor wurden Bohnen nur in Gärten für den eigenen Haushalt angebaut“, berichtet Generaldirektor Uran Niyazaliev. Sunshine betreibt zum Teil eigenen Anbau und kauft von Bauern zu. Mit bescheidenen 20 Hektar ist das Unternehmen gestartet. Heute sind es 200. Die Landwirtschaftsbank fiananziert das Unternehmen mit sozialem Anspruch.

Neben Bohnen baut Sunshine noch Linsen an. Neben traditionellen Sorten probiert die junge Firma neue Sorten aus.  Außerdem experimentiert Sunshine mit Quinoa und Amaranth. Aktuell werden geeignete Sorten für die Böden und das Klima in Kirgisistan gesucht. Insektenfraß ist das Problem. Zwei Sorten haben sich bisher als geeignet herauskristallisiert.

Bio-Anbau hält Niyazaliev für wünschenswert. „Die Bauern sind nicht reich. Sie können keinen Kunstdünger kaufen. Die Zertifizierung von Bio muss gefördet werden“, meint der Manager. Sunshine ist auch angetrteten, um den Ertrag zu verbessern. Bei Bohnen hat das Unternehmen Tröpfchenbewässerung eingeführt. Der Pflanzabstand kann dabei von 70 auf 45 Zentimeter verringert und der Ertrag von zwei auf vier Tonnen pro Hektar verbessert werden. „Wir haben eine intakte Umwelt und sauberes Wasser“, spricht Niyazaliev die Standortvorteile an. In Zeiten schwindenden Fleischkonsums sieht er die Linse als zukunftsfähiges Produkt. „Als Eiweißträger kann sie Fleisch ersetzen“, meint der Generaldirektor.

Anton Großkinsky

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