Anuga
Bio in turbulenten Zeiten
1st IFOAM Trade Forum at ANUGA
Bei Schwierigkeiten muss man miteinander reden. Das könnte das einfache Motto des 1st IFOAM Trade Forum at ANUGA sein. Beim Organic Trade Forum am Montag, 12. Oktober, wird in der Kölnmesse der weite Bogen gespannt von der Andechser Molkerei Scheitz bis zur 24 Letter Mantra Supply Chain in Indien und zum Einzelhandelsgiganten Wal-Mart in Mexiko. Und zwischendurch wird immer wieder an kleinen Cafétischen miteinander gesprochen, das Gehörte verarbeitet und in neue Beziehungen gesetzt.
Beim Match-Making am Dienstag, 13. Oktober, geht es dann gleich nur an kleinen Tischen zur Sache. Vormittags präsentieren sich Bio-Exporteure aus dem Süden und treffen Kunden und nachmittags aus dem Norden.
Organic Trade Forum
Englisch ist die Sprache der Präsentationen beim Organic Trade Forum, übersetzt wird simultan ins Deutsche. Das unterscheidet das Forum von anderen Bio-Events auf der ANUGA, der weltweiten Food Show. Begrüßt werden die Teilnehmer voraussichtlich vom neuen IFOAM Executive Director Markus Arbenz, einem Schweizer, der seinen neuen Sitz im nahen Bonn hat.
Die ersten Präsentationen kommen aus landwirtschaftlicher Praxis, von Obst- und Gemüsebauern von Brio in Italien und Schweine- und Rinderhaltern von Friland aus Dänemark. Beide zeigen nicht nur Best Practice der Verbindung von Ökologie und Ökonomie, sondern auch die Herausforderungen dafür in turbulenten Zeiten. Das ergibt die Grundlage für die anschließenden Gespräche an den Cafétischen. Sie sind so gewählt, weil die Erfahrung lehrt, dass nur an kleinen Tischen alle zu Wort kommen.
Die zweite Runde leitet Barbara Scheitz ein, die Geschäftsführerin der Andechser Molkerei Scheitz. Aus aktuellem Anlass geht sie auf die Rolle ihrer Bio-Molkerei an der Schnittstelle zwischen Bauern und Handel ein. Das ist bei den derzeitigen Preisentwicklungen vor allem im konventionellen Bereich ein heißes Eisen. Die Bio-Molkereien können gar nicht all die Milchbauern aufnehmen, die jetzt gerne auf Bio umstellen wollen, weil so groß der Markt für Bio-Milchprodukte nun doch noch nicht ist.
Marktausweitung ist auch das Thema von Alter Eco aus Frankreich. Der Durchbruch als Fair Trade Händler für Weltprodukte kam mit der Listung in großen Lebensmittelketten. Mit einer ganz frischen, innovativen Ansprache und Aufmachung haben sich Alter Eco Produkte von Orangensaft bis Schokolade in kürzester Zeit sehr weit verbreitet bis in die USA, nach Australien und Japan und auch bei Air France gibt es Alter Eco Täfelchen zum Nachtisch. Auch hier schließen sich Gespräche an den Tischen an, allerdings in anderer Besetzung, denn im World Café Format ist viel Bewegung angesagt.
Das Thema Globalisierung beherrscht die dritte Runde. Raj Seelam zeigt, wie sich Bio in Indien nicht nur als Lieferant für Europa, sondern auch im heimischen Markt entwickelt. Seine Firma Sresta betreut Supply Chains vom Vertragsanbau über die Verarbeitung bis in Handel und Export. Mit 24 Letter Mantra hat er auch die erste Indische Bio-Laden-Kette und beliefert unter der Marke auch andere Naturkostläden in Indien.
Wal-Mart Mexico ist die größte Auslandstochter des mit weitem Abstand größten Einzelhändlers der Welt. Anders als Wal-Marts unerfreuliches deutsches Abenteuer, ist sie eine Erfolgsgeschichte. Wie in der Mittelmeerregion für Europa, so wird in Mexiko viel Obst und Gemüse für die USA erzeugt. Als Bio für die wachsende Nachfrage dort erzeugt wurde, lag es nahe, Bio-Produkte auch in Mexiko selbst anzubieten. Eingebettet ist das Bio-Angebot in eine umfassende Corporate Social Responsibility, die in einem Schwellenland wie Mexiko eine ganz besondere Bedeutung hat.
Wal-Mart hat nun die Initiative für einen ehrgeizigen „Sustainability Index“ ergriffen für alle Artikel, die es führt. Bei dem großen Einfluss Wal-Marts auf seine Lieferanten könnte diese Initiative Nachhaltigkeit bei Fast Moving Consumer Goods weltweit („the greening of the planet“) wesentlich voranbringen.
Auch über die Globalisierung wird an den Tischen gesprochen und in der anschließenden Runde wird noch einmal die ganze Veranstaltung Revue passieren. Die interessantesten Erkenntnisse in turbulenten Zeiten, die Ahas und Oh Nos, wie die Amerikaner sagen, werden dann im Plenum mitgeteilt und in die downloadbare Dokumentation aufgenommen.
Die Philosophie dahinter lautet: „Bio-Landbau ist eine andere Art mit dem konstanten Wandel umzugehen, viel mehr im natürlichen Fluss navigieren, als zu versuchen, ihn zu kontrollieren. Das ist die Kunst und das Handwerk, das Firmen in Zeiten des Wandels brauchen. Die größten Herausforderungen in turbulenten Zeiten sind Veränderungen von Mentalitäten, Einstellungen und Firmenkulturen. Das ist ein Ergebnis von IBMs CEO Study 2008. So müssen wir alle umlernen.
Lernen erfordert Beteiligung, Herz und Bedeutung. Vorträge allein verändern nichts. Beteiligung tut das. Was für mich Herz und Sinn hat, Interaktion. Echte Dialoge mit verschiedenen Leuten aus der Food Welt, Bio oder auch nicht. Das größere Bild entspringt den Tischgesprächen im Organic World Café beim Organic Trade Forum“ (aus der Einladung).
Einkäufer treffen Importeure und Exporteure
Am nächsten Tag geht es ins Presse Center Ost, die Bio Business Lounge, zum Organic Match-Making. Das ist die smarte Art der ANUGA Organic Beteiligung. Bio-Exporteure aus dem Süden, darunter Türkische Firmen sowie südamerikanische, afrikanische und asiatische Fair Trade Erzeugergruppen präsentieren ihre Produkte am Vormittag. Am Nachmittag kommen dann Bio-Exporteure aus dem Norden zum Zuge, darunter auch Dänische und Deutsche Firmen. Sie haben jeweils einzelne Tische zur Geschäftsanbahnung und zum lockeren Networken.
Manche Exporteure sind nur hier vertreten, manche haben Produkte in den Hallen oder in der Sonderschau „Voll-Bio“ oder einen Stand in der ANUGA Organic und manche, die auch ein konventionelles Geschäft haben, haben hier ihre Bio-Vertretung. Beim Organic Match-Making treffen sie Entscheider und Einkäufer aus aller Welt in einer bequemen und relaxten Atmosphäre mit einer professionellen Infrastruktur. Die Kontaktdaten der Beteiligten sind in einem Handout aufgezählt. Es gibt noch einige freie Tische.
Conrad Thimm
www.conradthimm.com/ifoamtradeforumdeutsch.pdf