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Editorial

Editorial 54/Febr. 2008

bioPress Ausgabe 54/08

Liebe Leserin, lieber Leser!

Der Biomarkt ist noch immer für weitere Überraschungen gut. Den Ankündigungen des Handels, seine Bio-Sortimente aufzurüsten folgen Taten! Die Zeiten mit Konzentration auf die reine Lehre der Bio-Eigenmarken im Block mit einigen wenigen Ergänzungsprodukten scheint endgültig vorbei.

Bei Edeka- wie auch Rewe-Supermärkten finden sich plötzlich und ohne Ankündigung erwei­terte Bio-Sortimente in vielen Warengruppen zugeordnet. Wenn bei der Edeka dann auch mit entsprechenden Kennzeichnungen auf Bio im Regal hingewiesen wird, ist das bei Rewe noch relativ selten. Der Rewe-Kaufmann müsste sich Hilfe bei der Rewe-Tochter Für Sie holen. Dort wurde im letzten Jahr ein Bio-Leitsystem für die Mitglieder entwickelt, auf das auch fin­dige Rewe-Kaufleute zurückgreifen. Edeka-Großhandlungen und andere  An­bieter gehen unterschiedliche Wege. Bio-Leitsysteme kommen schon seit Ende der Neunziger zum Einsatz, um Bio mitten im breiten konventionellen Sortiment sichtbar zu machen.

Der Marktbeobachter wird das Gefühl nicht los, als hätten sich die Kaufleute und Lei­tungs­ebenen des Handels auf die Herausforderung der Discounter eingelassen, die mit der Einführung von Bio-Grundsortimenten für kräf­tiges Wachstum sorgten. Der jahrelange Stillstand im Bio-Angebot ist überwunden und Bewegung ins Spiel gekommen.

In den letzten Jahren beherrschte immer das gleiche System die Szene: Meist konzentrierte der LEH Bio auf ein Eigenmarkensortiment in Blockplatzierung. Jetzt wird einerseits kräftig in den Regalen vieler Warengruppen ausgebaut und bei Rewe ist sogar Biosalat im An­gebot! Nicht nur der ewig langweilige Eissalat. Wie lange das hält und wie flächendeckend das ist, wird sich erst noch zeigen müssen. Als Indikator bleibt Blattsalat als schwierigstes Frischeprodukt jedenfalls im Blickfeld.

Weitere Dachmarken wie Bio-Gourmet tauchen auf und viele konventionelle Markenhersteller glänzen mit Bioprodukten - auch wenn die sündhaft teuer angeboten werden. Das schafft vielen Bioanbietern Raum im mitt­-­leren Preissegment. Neben den klassischen Markenherstellern, die sich mit Bio ein neues Image verschaffen, bietet die gewandelte Si­tu­ation im Handel der mittelständischen Lebensmittelindustrie neue Chancen. Ihre handwerklichen Produktionsmethoden mit Zielrichtung Geschmack und Genuss sind gepaart mit Sicherheit und Qua­li­tät bei engem Zusammenhang mit Nähe zum Ursprung.

Der Handel hat den Kunden entdeckt und bringt Lebensmittel mit Mehrwert in die Regale. Sie sollen mit zusätzlichen Attributen wie Regionalität und Gesundheit oder auch fairem Handel punkten. Die Geiz ist Geil-Mentalität steht nicht mehr im Mittelpunkt. Wett­bewerb findet außerhalb von Preiskriegen statt. Kauf­leute wenden sich den Bedürfnissen ihrer Kunden zu, wenn sie erfolgreich am eigenen Image arbeiten. Und Bio-Angebote haben hierbei einen führenden Platz eingenommen. Die Glaubwürdigkeit von Biopro­dukten ist heute unübertroffen. Aufge­klär­te Verbraucher vertrauen nicht mehr auf Versprechungen, sie setzten auf Zusatznutzen, Sicherheit und Qualität.

Wer Qualität bietet, schlägt gleichzeitig eine Bresche für den fairen Handel. So charakte­risierte Alfred Ritter während der ISM seine Qualitätsoffensive mit Ritter-Sport Bio-Schokolade: Wer keinen fairen Preis zu zahlen be­reit ist, kann auf Dauer keine Quali­tät erwarten. Niemand sei imstande, bei schlechten Bedingun­gen nachhaltig zu arbeiten. Sollte auch diese Eigenschaft der ökologischen Wirtschaft eine weite Verbreitung finden?

Der Kampf um die zwei Drittel Gesellschaft hatte den Lebensmittelhandel in seinen Bann geschlagen. Mittelmäßigkeit und teilweise Schlimmeres kam dabei zustande. Das Drittel der Gutsituierten und Nachdenklichen ist nicht mit Billigangeboten zu locken. Sie waren lange Zeit unbeachtet und erhalten jetzt wieder Zuwendung. Mit Ihnen kann vorbildhaft eine andere, eine selbstverantwort­lichere Gesell­schaft stimuliert werden. Bildung steht auch bei Ernährungsfragen im Mittelpunkt. Hier lohnt sich für Kaufleute der Einsatz. Welcher Kunde wünscht sich nicht eine lebenswer­tere und gesündere Umwelt?
Billig gibt´s heutzutage überall.

Locken Sie mit den besten Eigenschaften, die Kaufleute ihren Kunden zu bieten haben. Geben Sie ihnen mehr als nur das Gefühl satt zu sein. Bemühen sie sich um Ant­worten, zeigen sie Kompetenz und versorgen sie die Leute in ihrem Supermarkt mit sicheren Lebensmitteln, die sie sorglos genießen können. Denken Sie daran, einer allein kann nicht die ganze Welt verändern, aber jeder kann hier und jetzt damit anfangen, sie zu verbessern. Stellen Sie solche Angebote in Ihre Regale und schauen Sie dabei zu, was mit vielen kleinen Schritten erreicht werden kann.

Erich Margrander
Herausgeber  

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