Anuga
Kulinarische Vielfalt in Köln
Bio-Lebensmittel mit viel beachtetem Auftritt auf der Anuga 2007
Premiere auf der Anuga, dem kulinarischen El Dorado in Köln: 252 Bio-Aussteller aus 29 Ländern versammelten sich auf der neu geschaffenen Fachmesse Anuga Organic. Die Weltleitmesse für Ernährung ist damit auch eine Bio-Messe geworden, und Bio wurde auf der Anuga deutlich aufgewertet. Bisher war die Organic World Teil der Anuga Fine Food. Bio hat die Nische verlassen und ist auf dem allgemeinen Lebensmittelmarkt angekommen. Das einstige Baby ist aus der Kinderwiege entwachsen. Aufbruchstimmung im Handel: Einkäufer, Vertrieb und Geschäftsleitung informieren sich über Bio. Die Sonderschau Voll-Bio des bioPress-Verlages erlebte einen regelrechten Besucher-Ansturm. Die BioVLog stellte sich erstmals als Vertriebspartner des LEH vor.
Auch außerhalb der Anuga Organic war Bio präsent. Überall in den Hallen der anderen Fachmessen von Dairy, Drinks bis Meat zeigten konventionelle Hersteller ihre Bio-Range. Das war in der Vergangenheit anders. Bio blieb fast unsichtbar. Im Rahmenprogramm des Bio-Kompetenzzentrums wurde das Thema in Podiumsdiskussionen beleuchtet. Der Publikumszuspruch war deutlich besser als in den Jahren zuvor. Bio ist auf der Anuga zu einem der Hauptthemen avanciert. Wer als Bio-Hersteller den internationalen Handel treffen will, wird künftig diese Plattform nutzen müssen, will er nicht Marktchancen verpassen.
Eine Fülle von Rohstoffangeboten wie z.B. ein breites Sortiment an Bio-Aromen machen die Anuga für Hersteller interessant1.498 Aussteller zeigten in den elf Hallen der Anuga 2007 Bio-Produkte. 252 davon standen in der Anuga Organic Halle 5.1. Das bedeutet gegenüber der Anuga 2005 ein Plus von fast 60 Prozent. Bio zieht sich sortimentsübergreifend durch die Fachmessen von Drinks über Meat bis Dairy. Die Anuga stand unter Bio-Einfluss. Oft genug war Bio der Star auf der bedeutendsten Lebensmittel-Messe der Welt. Bei der Deutschen Sinalco war es die biologische Sinconade, der das Hauptinteresse galt. Das Malz-Getränk in der Langhals-Flasche wurde von Bionade per einstweiliger Verfügung noch auf der Messe gestoppt, weil das Konkurrenz-Produkt dem Original zu sehr ähnele. Bereits zuvor hatte Bionade eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Discounter Plus wegen Maltonade.
Premiere für BioVLog
Zum erstenmal war die BioVLog mit Sitz in Petersbeg/Hessen auf der Anuga vertreten. Das Unternehmen mit Geschäftsführer Chrisoph Soika schließt als Bio-Systemlieferant die Lücke vom Markenhersteller zum Handel. An der fehlenden Logistik scheiterte in der Vergangenheit oft die Bio-Vermarktung im LEH. 600 Trockenprodukte, die die Eigenmarke des Handels um Marken ergänzen, werden aktuell vertrieben. Das Sortiment soll mittelfristig auf ein Bio-Vollsortiment von 2.500 Artikeln einschließlich einer Vernetzung zur Frische ausgebaut werden.
„Bio wächst überproportional. Wer jetzt nichts verkauft, schafft es nie", urteilte Mayka-Inhaber Norbert Michel. Das Angebot hält nicht mit der Nachfrage Schritt. Einen Fleischberg, der abzubauen wäre oder einen Milchsee, aus dem man schöpfen könnte, gibt es nicht (mehr). Natürlich wurde da über Rohstoff-Knappheit diskutiert. „Im Moment profitieren die Hersteller, die sich ihren Lieferanten gegenüber fair verhalten haben", weiß Norbert Michel. Das Unternehmen hat seine Versorgung mit Bio-Rohstoffen bis 2008 gesichert. Den Vertrieb im Norden der Republik zu verdichten hat sich der Knabberartikel-Hersteller aus dem Südwesten zur Aufgabe gemacht. Mengenprobleme sieht die Geschäftsführung dabei keine.
Versorgungsketten werden aufgebaut. Der niederländische Fleischkonzern Vion tut das aktuell bei Bio-Rind und Schwein, wie Henk Gerbers auf der Anuga erklärte. Der Handel muss Abnahmegarantien geben, dann beschafft Vion Bio-Fleisch. Das geht nicht von einer Woche auf die andere. Vion schließt mit Bauern Abnahme-Verträge und zahlt in der Umstellungsphase Vorschuss. Nicht alle Handelsunternehmen spielen mit. Wer keine Verpflichtung eingeht, wird noch lange ohne Bio-Fleisch da stehen. Einen Spotmarkt gibt es hier nicht.
Der eine oder andere Hersteller suchte auf der Anuga, was er sonst dort nicht sucht: Lieferanten. Normalerweise kommt er nach Köln, um Abnehmer zu finden. Braumeister Urban Winkler von der Weissenoher Klosterbrauerei könnte noch die eine oder andere Tonne Braugerste gebrauchen.
Ausländische Rohstoff-Lieferaten stehen parat
China und Brasilien wittern die Chance. Während hierzulande diskutiert wird, ob und wie der ökologische Landbau gefördert werden soll, wird dort gepflanzt. Brasilien gehört heute schon zu den fünf weltweit größten Anbaustaaten biologischer Lebensmittel, wie die Export- und Investitionsförderungsagentur Brasiliens (APEX) mitteilte. Mit einer jährlichen Steigerungsrate von 30 bis 50 Prozent wächst dieser Markt in Brasilien doppelt so schnell wie im internationalen Schnitt. Laut Schätzungen werden mit Bio-Nahrungsmitteln in Brasilien im laufenden Jahr etwa 250 bis 300 Millionen Dollar umgesetzt, davon gehen etwa 70 Prozent in den Export. Fachleute bescheinigen dem Land, dass es langfristig das Potenzial zu einem der größten Erzeuger hat. In Europa ist Deutschland der Hauptabnehmer brasilianischer Bio-Produkte.
Deutsche Bio-Produkte sind umgekehrt im Ausland gefragt. „Nürnberger Lebkuchen ist ein Exportschlager", räumt Geschäftsführer Stefan Aster von den Nürnberger Bio-Originalen (NBO) ein. Japanische und amerikanische Importeure zeigten sich am Stand. Auch der Schwarzwälder Bio-Schinken von Abraham ist ein gefragter Exportartikel, wie ein Firmenvertreter erklärte.
Frischere, jüngere Produkte für Szene-, Disco- und Clubgänger waren verstärkt zu sehen. Zum Beispiel groove der knallrote Bio-Energie-Trunk aus Österreich. Die Weissenoher Klosterbrauerei kreierte ein ayurvedisches Biermischgetränk (Bimi). Bio-Produkte setzen mittlerweile Trends wie in Taste 07, der Innovationsschau der Anuga zu sehen war.
Optisch orientierten sich einige weg vom traditionellen Image, das mittlerweile zum Verkaufshindernis geworden war. Hanf & Natur verpackte sich neu. In feinen eleganten Karton hat man sich gehüllt. Nicht mehr alternativ-rustikales ist im Erscheinungsbild. Vornehm sind die Hanf-Spezialisten Buck und Bernhardt geworden: „Unsere Verpackungen sind oft bemängelt worden und haben uns den Weg in den Handel versperrt", schildert Buck seine Erfahrungen vor der Messe. Nach der Messe war er glücklich: „Unsere Produkte kommen jetzt viel besser an. Das war ein richtiger Schritt". An der Qualität des Inhalt hat es nie gemangelt. Bei der ersten DLG-Prüfung war ihnen Güte bescheinigt worden, die Verkaufserfolge im deutschen LEH ließen zu wünschen übrig. Hanfschokolade-, Riegel, -Öl, -Teigwaren und -Bimi sind jedoch schon lange gute Exportartikel. Bald kommt eine Hanfmilch dazu, nussig im Geschmack, und als Alternative zu Kuhmilch verwendbar.
Bio-Auftritte werden eleganter
Reforma hat sich unter der Marke Stellisch komplett reformiert. Weiße bedruckte Beutel mit einem appetitlichen Food-Foto und edler zurückhaltender Typografie spricht den anspruchsvollen Verwender von Nüssen, Kernen und Trockenobst an, der bereit ist, für Exquisites gutes Geld auszugeben.
Auch Yannick & Fee aus Zürich zielt auf die Genießer unter den Bio-Kunden, die nicht unbedingt Schnäppchenjäger sind. Die etablierte Wirtschaftspresse wie etwa das Handelsblatt tat sich teils schwer mit den neuen Interpretationen der Bio-Hersteller, sieht gar ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn die Produkte optisch denen herkömmlicher Anbieter ähneln. In Birkenstock-Skandalen hat man dort die Bio-beseelten noch vor Augen. Das war im vergangenen Jahrhundert. Dieses Schuhwerk ist schon lange ungenutzt im Schrank verschwunden. Der Kunde ist auch kein ausgeflippter Aussteiger mehr, der um den Supermarkt einen Bogen von drei Kilometer schlägt. Lang lebe das Klischee.
Exportmanagerin Claudia Lang verkauft die Schedel TK-Backwaren erfolgreich auch ins Ausland.Die Bio-Idee hat sich auf der Anuga eingenistet, findet als Saphir Bio-Tütensuppe und Abraham Bio-Schinken den Weg ins Supermarktregal und landet auf dem Esstisch von Lohas, Besserverdienenden und dem Gesundheitsbewussten 55 plus. Dabei gibt es die jungen Alten als Zielgruppe der Werbewirtschaft gar nicht. Der Bio-Kunde horcht nicht mehr auf die Werbestrategen. Die müssen umdenken und nachhaltig werden, wenn sie weiter leben wollen.
Der gepa-Stand wurde regelrecht überlaufen und Vertriebsleiter Peter Bierhance in Dauergespräche verwickelt. Bio war gefragt auf der Anuga. Für einige konventionelle Hersteller mit Bio-Range ist Bio inzwischen zum wichtigeren Thema auf der Anuga geworden: Mayka aus Schliengen baute seinen Stand diesmal auf der Anuga Organic auf. 2005 hatte sich das badische Unternehmen noch im konventionellen Umfeld gezeigt.
Bio-Branche bleibt innovativ
Daneben gab es sinnvolle, wenn auch unspektakuläre Neuerungen. Dolci di heißt die flüssige Zuckeralternative aus Bio-Äpfeln vom italienischen Marmelade-Hersteller Rigoni. In Deutschland wird das Süßmittel von Eco Plus und bioVLog vertrieben. Da es hitzestabil ist, eignet es sich auch zum Süßen von Tee. Die Gepa bietet neuerdings neben Rohrzucker einen Sirup zum Süßen von Kaffee an.
Den Verbraucherwünschen und -gewohnheiten folgen auch die Heiß-Getränke-Anbieter: Tee wird im Pyramiden-Beutel abgepackt, Kaffee und Espresso als ganze Bohnen für den Automaten im Privathaushalt. Den original italienischen Espresso Caffé Vergnano bietet Eco plus demnächst als ganze Bohne in der Ein-Kilo-Packung an. Bei Tee, Kaffee und Schokoladen profilieren sich die Anbieter verstärkt mit Herkunftsangaben.
Süßwarenproduzent Georg Rösner Die Bio-Hersteller reagieren auf den veränderten Markt. Backensholzer bietet sechs Bio-Käsesorten jetzt im LEH an. Der Dienstleister Uplegger stellte „Vom Lande" auf der Anuga vor. Rohmilchkäse von Ziege und Käse als Weich- und Schnittkäse werden im Prepacking und in Bedienung offeriert. Vermehrt nutzen die Bio-Hersteller die Chance, ihren Vertrieb auf mehrere Beine, nämlich Fachhandel und LEH, zu stellen.
In den Veranstaltungen des Rahmenprogramms wurde EU-Bio versus Verbands-Bio diskutiert und dabei oft übersehen, dass es ohne gesetzliche Grundlage nicht geht. Strafen kann ein Verband nun mal nicht verhängen. Die Richtlinien verpflichten nur die eigenen Mitglieder. Der ADAC erlässt auch nicht die Straßenverkehrsordnung.
Christiane Zwettler, österreichische Handelsdelegierte in Frankfurt, beobachtete auf der Anuga eine steigende Nachfrage nach Bio, Convenience und Functional Food „Made in Austria". Dass im Discounter-Land Deutschland zunehmend Wert auf Qualität und Genuss gelegt werde, sei „ermutigend", so Zwettler.
Anton Großkinsky