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Anuga

Was is(s)t anders an Bio?

Mehrwert und Zusatznutzen

Bio ist in der Mitte des Verbraucheralltags angekommen. Eine Kampagnenleiterin für gesünderes Essen, ein Kantinen-Chefkoch, ein Vertreter für den Fairen Handel und ein Repräsentant der Regierung diskutierten darüber, warum Bio so große Zustimmung bei den Verbrauchern findet.

 

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Bernward Geier (Mitte), Agentur Colabora (ehem. IFOAM-Geschäftsführer) moderiert eine quirlige und engagierte Runde. Teilnehmer: Wolfgang Reimer (ganz li.), Bundesministerium Ernährung, Landwirtschaft u. Verbraucherschutz, Bernhard Bonfig (li.), Küchenchef HDI-Gerling-Kantine, Dr. Angelika Hoppe (re.), Lebensmittelchemikerin, Mitglied Deutsche Lebensmittelbuchkommission, Thomas Speck (ganz re.), Geschäftsführer gepa.

Die Besonderheit von Bio beruht auf verschiedenen Aspekten, meinte Angelika Hoppe. Demzufolge stelle sich dem Handel die Aufgabe, die Bio-Qualität mit immer anderen Argumenten weiterzugeben. Ein für die Verbraucher augenfälliger, aber erklärbarer Unterschied liege darin, dass Bio-Ware aufgrund ihrer Geschichte in der Regel kostenintensiver ist. Allerdings glichen sich die Preise im Zuge allgemein höherer Rohstoffkosten immer mehr an.

Was Bio nach wie vor auszeichne, seien kontrollierte Sicherheit, werterhaltende Verarbeitung und Innovationscharakter. „Bio-Produzenten lassen sich immer wieder etwas neues einfallen, um gegen viele überkommene Ansichten zu bestehen", sagte Hoppe. Als Beispiele nannte sie spezielle Verfahren zur Gewinnung von Pflanzenölen, die Kultur alter Getreidesorten oder energieeffiziente Verpackungen. Nicht selten würden diese Ideen von konventionellen Unternehmen kopiert.

Fair ist anders

Eine faire Herkunft ist ein weiteres häufiges Merkmal für Bio-Lebensmittel – ebenso wie Fair trade Ware zunehmend das Bio-Siegel trägt. Bei der gepa macht der Bio-Anteil inzwischen rund 70 Prozent aus, berichtete Geschäftsführer Thomas Speck. Er verwies zugleich darauf, dass sich die geschmackliche Qualität bei beiden Gruppen im Vergleich zu den Anfangsjahren deutlich erhöht habe.

Die Verbraucher wollen Bio und finden ein stetig wachsendes Angebot, fuhr er fort. Dabei habe sich eine Art Qualitäts-Pyramide entwickelt. Die breite Basis bilden Produkte im florierenden Preiseinstiegsbereich. Die nächste Stufe machen die Marken aus, und an der Spitze steht Premiumware. Während der Markt für konventionelle Lebensmittel stagniert, steigt er für hochwertige Bio-Produkte mit Mehrwert. Speck begründete dies damit, dass die Verbraucher sowohl Spitzenqualität verlangten als auch aktiv Sozial- und Umweltkriterien unterstützen wollten. „Wenn ich etwas nachhaltig verändern will, muss ich was tun." Für die gepa zahle sich das Bio-Engagement auf jeden Fall aus.

Bio bietet Sicherheit

Die Kantine von HDI-Gerling gehört zu den ersten, die auf Bio umgestiegen ist und zertifiziert wurde. Chefkoch Bernhard Bonfig ist der Überzeugung, Bio-Produkte hätten sich bei ihnen durch Dreifach-Qualität durchgesetzt: Im Zuge der BSE-Krise suchte man nach Produkten, die frei von Risikomaterial und dann auch möglichst regionaler Herkunft waren. Gleichzeitig achteten die Gäste verstärkt auf Zusatzstoffe.

Die vielen Nachfragen und eine entsprechende Deklaration bedeuteten einen hohen Zeitaufwand. Durch die Umstellung auf Bio konnte man mehrere Probleme zugleich lösen, denn sie boten Sicherheit und weitgehende Freiheit von Zusatzstoffen. Vor allem aber zeichnen sie sich durch ansprechendes Aussehen und ausgezeichneten Geschmack aus, so Bonfig.

Öko-Landwirtschaft ist zukunftsfähig

Dann erläuterte Wolfgang Reimer vom BMELV, warum sich auch der Staat nicht nur für die konventionelle Landwirtschaft, sondern ebenso für Bio einsetzt. Ein Grund sei, dass ökologische Landwirtschaft deutlich umweltfreundlicher ist, zum Beispiel im Hinblick auf die Grundwasserverschmutzung. Gleiches gelte für die Energiebilanz, etwa durch den Verzicht auf synthetischen Stickstoffdünger, in den mehr Energie hinein gesteckt wird, als im Ergebnis heraus kommt.

Zudem sei die Wertschöpfung höher, da im Bio-Sektor mehr Menschen beschäftigt werden. Im Interesse der Gesellschaft liege außerdem der gesundheitliche Verbraucherschutz, sagte Reimer. Bioprodukte seien fast immer frei von Rückständen und lieferten oft mehr sekundäre Pflanzenstoffe oder Vitamin C.

Wie kommuniziert man Genuss?

Damit sich das Verbraucherverhalten dauerhaft ändert, müssen die Vorteile von Bio auch bewusst gemacht werden, warf Moderator Bernward Geier ein. Das Stichwort „Vorteile" wurde gern aufgegriffen. „Maßstab für die Qualität von Bio ist primär der Geschmack", sagte Hoppe. Bioprodukte böten hier sicheren Genuss, durch ihre Geschichte oft aber auch eine andere Geschmacksintensität. Das im Hinterkopf könne und müsse jeder für sich selbst entscheiden, wie weit er mitgeht.

„Wenn man den Geschmack von Bio bewerten will, muss man den Nullwert anders stellen", ergänzte Reimer. Nicht umsonst arbeite die DLG bei ihren neuen Bioprodukt-Tests mit speziell geschultem Prüfpersonal. Man müsse aber ebenso an der Verbrauchererwartung arbeiten. Beide plädierten dafür, schon bei Kindern anzufangen, die in ihrer Geschmackserwartung noch relativ unbedarft seien.

Die Regierung habe im Zusammenhang mit dem Bundesprogramm ökologischer Landbau zahlreiche zielgruppengerechte Broschüren erstellt und leiste Aufklärungsarbeit für eine gesunde Ernährung bei Caterern oder in Schulen, berichtete Reimer. Intensive Öffentlichkeitsarbeit betreibt auch die gepa.

Wie Geschäftsführer Speck erläuterte, hat sich die Art ihrer Kommunikation deutlich verändert. Früher wäre man vorrangig mit ernsten Argumenten an die Verbraucher herangetreten. Heute dagegen habe man sich an einen modernen Markt angepasst. „Die Menschen wollen einfache, plastische Botschaften". Deshalb betone die gepa einen Genuss mit Mehrwert und mache zum Beispiel die Menschen hinter den Produkten sichtbar.

Bonfig betonte, bei HDI-Gerling habe man eher auf das direkte Erleben gesetzt, statt Schriften zu verteilen oder Vorträge zu halten. Zuerst habe man das Küchenpersonal überzeugt, indem man gemeinsam zu den Erzeugern gefahren sei. Dann wurden Aktionswochen in der Kantine durchgeführt, bei denen Bio-Hersteller Produkte zum Probieren mitbrachten. „Seither gehen die Leute viel motivierter und voller Vertrauen zum Essen", schloss Bonfig.

Bettina Pabel

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