Anuga
Immer an den Kunden denken
Anuga Bio-Rahmenprogramm: LEH arbeitet bei Bio noch nicht zielgruppengerecht
Bio-Lebensmittel liegen weltweit im Trend. In Deutschland wird 2005 erneut ein zweistelliges Wachstum erwartet. Der Umsatz der Bio-Branche dürfte die Vier-Milliarden-Grenze überschreiten. Im Rahmenprogramm der Anuga wurden in Vorträgen und Diskussionen Strategien vorgestellt, wie der klassische Lebensmittelhandel die Chancen, die Bio-Produkte bieten, nutzen kann. Er muss seinen spezifischen Kunden mit sicheren Qualitätsprodukten ansprechen
Carol HaestDer LEH sollte sich zuerst mit seinem Kunden befassen, forderte Unternehmensberater Christoph Soika aus Peterstal. Die Manager haben viel zu oft den Kunden der Fachgeschäfte vor Augen. Der kauft aber nicht im LEH, sondern ist mit seinem Ladentypus zufrieden. „Der markenbewusste Kunde ist potenzieller Bio-Kunde. Wer Wert auf Gesundheit, Genuss und Wohlbefinden legt, kauft auch Bio", verdeutlicht Soika.
Prof. Achim Spiller von der Uni Göttingen sieht im Detail die Kochfans und die Kritischen in der Gesellschaft als Zielgruppe. Demografisch sind Bio-Käufer oftmals Doppelverdiener, Familien mit kleinen Kindern, ältere Paare mit einem leeren Nest und Menschen in Umbruchsituationen wie Trennung schwere Krankheit usw..
In der Folge des Wachstums werden sich nach Soikas Auffassung die Sortimente verändern und kundenfreundlicher werden. Aktuell sind Spezialitäten wie Amaranth vorhanden, und Basisprodukte wie Kaffee fehlen oft. Die Präsentation ist teilweise lieb- und lustlos, wie der Unternehmensberater anhand von Fotos nachwies.
Christoph SoikaDer tieferliegende Grund für die schwierige Adaption von Bio im LEH liegt im Selbstverständnis, wie Carol Haest, Bio-Berater der belgischen Delhaize-Kette analysierte. „Der Supermarkt ist in einer Identitätskrise. Der Discounter nicht", resümiert Haest. Zu Beginn der Agrarwende in Deutschland wurden 20 Prozent Bio-Anteil propagiert. Die Erwartungen wurden inzwischen auf fünf Prozent gesenkt. Tatsächlich ist man bei 2,5 Prozent konstatiert Haest ernüchternd. Nicht verwunderlich bei den Fehlern, die im Handel gemacht werden: „Wir sehen einen Walmart, der hat Bio Obst und Gemüse, aber keinen weiteren Bio-Artikel im ganzen Markt", nennt der Berater ein Beispiel für Konzeptionslosigkeit.
Aufsteiger ist das Format Bio-Supermärkte, das sich mit Erfolg ausbreitet. Ein Bio-Supermarkt pro 30.000 Einwohner sei in Deutschland möglich, meint Haest.
Andreas SwobodaDer Erfolg von Bio im LEH hängt von der Investitionsbereitschaft ab: Es muss Geld in Man-Power, in Ausbildung und Regalplatz gesteckt werden. Bio ist ein Profilierungsinstrument für diejenigen, die der Negativ-Spirale im Handel mit immer niedrigeren Preisen entgehen wollen. Der französische Handelsriese Carrefour hat bereits Gratis-Produkte in seinen Märkten. Da stellt sich schon fast die Frage, ob der Kunde in der nächsten Stufe den Warenwert seines Einkaufs ausbezahlt bekommt.
Bio-Artikel können den Verbraucher durch Sicherheit und Qualität überzeugen, betonte Andreas Swoboda, Leiter Qualität und Umwelt beim regionalen Lebensmittelfilialisten Tegut. „Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen", rief Swoboda in Erinnerung. Der Prozessorientierte Ansatz der Bio-Branche bietet ein hohes Maß an Sicherheit und hat Standards im Lebensmittelbereich gesetzt.
Unter Qualität versteht Swoboda Güte und nicht Sicherheit. „Qualität hat im Verkauf größere Bedeutung als Sicherheit," so der Qualitätsmanager. Das beginnt bei den Rezepturen: „Wir haben Aufstriche mit einem Nuss-Anteil zwischen18 und 45 Prozent." Bei frischen Früchten heißt das, den richtigen Erntezeitpunkt wählen, damit das Obst optimal im Regal ankommt. „Die Sensorik muss stimmen. Wir dürfen die Qualität nicht verwässern und den Kunden nicht enttäuschen", fordert Swoboda. Siegel allein reichen hier nicht. Tegut leistet sich Panels aus Mitarbeitern und Kunden, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Der lautet: gute Lebensmittel.
Anton Großkinsky