Mehr als Spätzle und Spaghetti
Bei den Bio-Teigwaren ist Musik drin für den Handel
Vor Generationen war sie noch hausgemacht heute kommt sie fast ausschließlich aus der Fabrik: die Nudel. Sieben Kilo verzehrt der Bundesbürger jährlich im Schnitt, und er bekommt immer mehr Appetit auf die Teigwaren. Die Distribution mit Bio-Teigwaren im Handel ist flächendeckend und zählt zur Pflicht eines jeden Supermarktes. Die frischen Bio-Teigwaren gehören mit einem hohen Wertschöpfungs- und Wachstumspotenzial wiederum zur Kür. Die Bio-Produktenwickler geben sich höchst pfiffig. In den Teig passt mehr als Grieß und Ei. Emmer, Grünkern, Soja, Espresso, Kokos, Kakao und Chili verfeinern die Rezepte. Wer als Händler sein Profil schärfen und sich unterscheiden möchte, hat hier eine Fundgrube von Standard bis raffiniert vor sich.
Den Teigwaren wird im Handel viel Platz eingeräumt. Das Nudelregal ist bunt und vielfältig. Die getrocknete, ungefüllte Pasta dominiert. Frische Nudeln, die sich erst im letzten Jahrzehnt etabliert haben, erreichen rund 20 Prozent Anteil mit steigender Tendenz. Die Nudel erfüllt den Wunsch nach fettarmer Ernähung und schneller Zubereitung. Kombiniert mit dem Bio-Versprechen nach sicheren und wertvollen Lebensmitteln ist das ein lukratives Segment.
Der Teig wird ohne Hefe hergestellt geformt, getrocknet und verpackt und vor dem Verzehr gekocht. Auf italienisch heißt das Pasta. Die Phantasie der Südländer bei Formen und Füllungen ist mit rund 150 Varianten blühend. Spaghetti ist die beliebteste Form im ungefüllten Bereich. Tortellini und Ravioli sind die bekanntesten gefüllten Produkte. Mit den Gnocchi gibt es auch ein Kartoffelprodukt aus der mediterranen Küche.
Deutsche Nudel im Süden zuhause
Die deutsche Nudelwelt ist traditionell weniger facettenreich. Band-, Suppennudel, Spätzle und das Kartoffelprodukt Schupfnudeln sind im ungefüllten Bereich die wichtigsten Formen. Traditionell mit Fleisch gefüllt ist die Maultasche. Herstellung und Verbrauch haben ihren Schwerpunkt in Süddeutschland.
Der Rohstoff Bio-Hartweizengrieß wird von italienischen Mühlen bezogen. Diese importieren wiederum einen Teil des Getreides aus Osteuropa und Übersee. Ursprünglich wurde in Deutschland Weichweizen verwendet, da Durum aufgrund des feucht-gemäßigten Klimas hier nicht in der geforderte Qualität gedeiht. Weichweizen erfordert wiederum die Verwendung von Ei, um einen verarbeitungsfähigen Teig zu bekommen. Getrocknete Weichweizen-Nudeln sind aber brüchig, so dass am Boden der Packung oft unerwünschte Brösel liegen. Aus Hartweizen lassen sich schöne gelbliche, formstabile Nudeln machen und das ohne Eier, obwohl der Hartweizen auch Eier verträgt. So setzte sich in der industriellen Herstellung der Hartweizen durch.
Der Nudelmacher Karl-Heinz Hierl aus Niederbayern zählt zu den Wenigen, die bei den Spätzle noch heimischen Weichweizen verarbeiten. Voll-Ei oder auch nur Eigelb kann zugegeben werden. Reines Eigelb sorgt für ein intensives appetitliches Gelb, das auch mit Kurkuma erzeugt werden kann. Pasta Nuova verwendet das Gewürz zur Farbgebung.
Die Bio-Branche hat in der Warengruppe durch den Einsatz alternativer Getreidearten wie Emmer Impulse gesetzt. Herrmann aus Kirchheim/Teck, Bio-Exklusiv-Lieferant der Edeka-Südwest verwendet dieses Getreide. Aber auch der fränkische Grünkern wird von der Bio Zentrale (BZ) für Spezialnudeln verarbeitet. Varianten mit Soja als zusätzliche Eiweiß-Komponente haben Rinatura, BZ, Seitz und Landkrone im Sortiment. Für glutenfreie Produkte werden Mais- und Reismehl genommen.
Alnatura Preisführer bei Bio
Spaghetti und Spiralen in Bio-Qualität zählen mittlerweile selbst im Discount zum Standardsortiment. Der Preisein-stieg liegt bei 79 Cent für 500 Gramm. Das entspricht dem Preis herkömmlicher Industriemarken. Die konventionellen Billig-Nudeln liegen mit 30 Cent/500 Gramm weit unter dem Bio-Einstieg und sind regelrechte Verlustbringer für den Handel. Alnatura hat im Feld der Bio-Anbieter die Preisführerschaft. Mit dem Einstiegssortiment Bio, das Rila aus Stemvede-Levern für die Edeka herstellt, hat die Gesossenschaft ebenfalls ein Einstiegsortiment. Das Handelsunternehmen verzichtet hier auf Spanne und verhilft dem Produkt zu Drehzahl, so dass es trotzdem Ertrag bringt. Bio direkt, eine Marke der Bio-Zentrale, bietet ebenfalls Teigwaren im Preiseinstieg an.
Will der Vollsortimenter seinem Namen Ehre machen und den Discounter überbieten, braucht er mindestens zehn Sorten Bio-Nudeln. Die hellen Volumenartikel aus Hartweizen wie Spaghetti und Spiralen sind Pflicht.
Klassische Eier-Teigwaren müssen ebenso vorhanden sein. Albgold aus Trossingen hat hier ureigene Kompetenz und bietet gerillte Bandnudeln unterschiedlicher Breite und natürlich Spätzle. Der Bioland-Verarbeiter Ostermühle Naturkost führt helle Dinkel-Eiernudeln in sechs Ausformungen.
Die starke Minderheit der 20 Prozent Vollwertesser sollten nicht vergessen werden. Rinatura, die Bio-Marke von Rila, ist hier der Spezialist für den LEH. Spaghetti, Hörnchen und Spiralen sind erhältlich.
Dinkel im Trend
Kommt noch die eine oder andere Ausformung des Trend-Getreides Dinkel dazu, ist schnell eine zweistellige Zahl erreicht. Die Lieferanten für das Trockensortiment wie die Bio- Zentrale mit ihrer Marke Gut &Gerne, Perlinger Naturprodukte mit der neu eingeführten Marke verival und BioGourmet haben allesamt Dinkel-Nudeln im Programm. Die BZ signalisiert die Dinkel-Kompetenz mit einer roten Packung.
D’Angelo aus dem Saarland und Tress aus dem Ländle mit der Bio-Marke Dr. Beer setzen ebenso Dinkel als Rohstoff ein. Ein Dinkel-Spezialist ist die Ostermühle aus Langenau bei Ulm. „Die Ostermühle war einer der ersten Betriebe, die helle Dinkelnudeln im Vertrieb hatten. Damals herrschte in der Bio-Branche noch der Vollwertgedanke. Heute ist der Anteil der dunklen Nudeln bei uns sehr klein", berichtet Geschäftsleiter Rolf Mack.
Wer Farbe ins Nudelregal bringen will, braucht Varianten, die mit Spinat, Kräutern Tomaten und Paprika rot oder grün gefärbt sind. Kinder werden von bunten Teigwaren wie Tricolore besonders angesprochen. Bode aus Hamburg bietet zum Beispiel weiß, rot, grün sortierte Spaghetti an. Merschbrock und Wiese aus dem westfälischen Rietberg vetreiben ebenfalls eine bunte Kindermischung des italienischen Herstellers Lensi.
Die LEH-Marke Seitz aus Spaichingen hat in ihrem 2006 eingeführten Bio-Nudel-Sortiment, das aus 19 Artikeln besteht, zwei ballaststoffreiche Hartweizen-Nudeln, die mit Inulin und Weizenfasern angereichert sind. Der empfohlne VK für das funktionelle Produkt ist mit 1,49 Euro für 500 Gramm nicht zu hoch gegriffen. Sie liegen damit gleichauf mit den Dinkel-Vollkorn-Nudeln aus dem gleichen Haus.
Hanf und Natur aus Marienheide hat drei Sorten eifreier Teigwaren mit Hanf anzubieten. Es gibt sie als Spirelli aus Hartweizen oder Dinkel und als Spaghetti aus Hartweizen. „Unsere Hanf-Pasta ist mit 2,10 Euro für 250 Gramm hochpreisig und ein starker Export-Artikel", erläutert Inhaber Ralf Buck das Nischenprodukt.
Gute Kaufleute stellen noch Produkte mit Zusatznutzen wie glutenfreie Nudeln aus Mais- und Reismehl für Allergiker ins Regal. Die Naturkornmühle Werz von der Schwäbischen Alb, die im Reformhaus, Naturkostfachhandel und unter der Zweitmarke Frischkorn auch im Selbstständigen Einzelhandel (SEH) zu finden ist, zählt zu den Pionieren für gesunde und gleichzeitig schmackhafte Nudeln. Schnitzer aus Offenburg hat wertvolle Nudeln aus Reis- und Maismehl in edler Aufmachung in der Faltschachtel für den Fachhandel im Sortiment. Eco United aus Berlin hat mit Felicita Bio ebenfalls eine glutenfreie Linie. Die Produkte werden aus Italien importiert. Creana Pasta aus Unterfranken importiert eine glutenfreie Linie aus Kanada.
Spezialität mit Goldkeimlingen
Der qualitätsorientierte Handel (QoH) besetzt auch den Premium-Bereich. Creana Pasta aus Lohr am Main deckt zum Beispiel die Preisklasse über zwei Euro für 500 Gramm ab. Ebenso die Bio-Marke Dr. Beer aus Nördlingen. Neben sechs Dinkel-Ausformungen, darunter zwei aus dem vollen Korn bietet Dr. Beer eine Bandnudel mit den wertvollen Goldkeimlingen für besonders Ernährungsbewusste an. „Der Trend geht zu mehr hochwertigen Produkten, die noch besser schmecken oder noch ausgefallener sind, aber auch zu immer billigeren Massenprodukten", merkt Geschäftsführer Markus Tress an. Dr. Beer Nudeln werden im Standbeutel mit Sichtfenster verpackt.
Oft vergeblich suchen die Hausfrau oder Hausmann im LEH Bio-Suppennudeln oder-Lasagne-Platten aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA). Hierl mit frischen, die schneller gekocht sind und Creana Pasta zählen zu den wenigen Anbietern der Lasagne. Suppennudeln haben einige Hersteller im Programm, zum Beispiel die LEH-Marke Seitz aus Spaichingen, ebenso Creana Pasta und die Ostermühle aus Langenau.
Die Bio-Produktentwickler geben kreative Impulse und erfüllen den Wusch nach Innovationen. Herrmann aus Kirchheim/Teck hat für seine VIP-Nudeln ausgefallene Zutaten wie Espresso oder Kokos ausgewählt. Das ist wahrhaft exquisit. Die Nudeln werden als Dessert mit Eis und Früchten serviert.
Bei den Bio-Teigwaren dominieren die italienischen Formen; gleichwohl werden sie überwiegend in Deutschland hergestellt. Einige Markenführer lassen in Italien produzieren. Das ist aber für den Endverbraucher nicht ersichtlich. Die BioGourmet Pasta kommt zum Beispiel aus bella Italia, ebenso wie die Linie der Perlinger Naturkost AG. Ein breites Sortiment trockener italienischer Ausformungen ohne Ei und damit cholesterinfrei bietet Davert aus Senden dem Naturkosthandel an.
Wenig original italienische Pasta
Die Feinkost-Großhändler Il Nuraghe aus Nürnberg und Di Gennaro aus Stuttgart bringen edle Pasta auch in Bio-Qualität über die Alpen. Die Marke La Terra e il Cielo wird zum Beispiel von Il Nuraghe in Deutschland vertrieben.
Original italienische Pasta des Herstellers Lensi importiert Merschbrock-Wiese aus Rietberg seit 2007. „Authenische italienische Ware wie im Konventionellen mit Barilla gibt es in Bio nur wenig", erklärt Verkaufsleiter Pohl. Die drei populären Ausformungen Spaghetti, Fusili und Penne und die Spezialitäten Conchiglie, Giglio Fiorentiono und Tortiglioni importiert das Gewürz-Handelshaus. Außerdem gibt es noch zwei mehrfarbige Kinderprodukte als Buchstaben und als Dinosaurier. „Die Kinder-Pasta ist sehr gefragt", berichtet Pohl.
Lensi formt mit den rauhen Bronzematrizen für eine bessere Soßenhaftung und trocknet langsam, das bedeutet schonend. Der 500 Gramm Beutel kostet im LEH zwischen 1,19 und 1,29 Euro. Unter der Marke Saphir Bio liefern die Westfalen auch Fertiggerichte mit Soßenpulver. Zu den Spaghetti in der Faltschachtel gibt es Tomatensoße, Arrabiata und drei Sorten Pesto. Eine Produkt-Range mit Zukunft, denn sie ist convenient.
Zabler aus Bruchsal, im konventionellen durch die Hochzeitsnudeln bekannt, ist im ersten Quartal mit einer Bio-Linie in den Handel gegangen. Paradiso Bio nennt das Unternehmen aus Bruchsal in Baden seine fünf eifreien Produkte italienischer Prägung, die 1,99 Euro im 500 Gramm Beutel kosten. Das ist weniger als für die herkömmlichen Premium-Nudeln ausgegeben werden muss. „Der ganze Aufwand mit den Eiern fällt weg. Die Frischei-Verarbeitung ist ein erheblicher Kostenfaktor", begründet Geschäftsführer Anton Esterle den Preisvorteil. Das Produkt vereint aus Sicht des Markenartiklers zwei Nutzen: Es ist biologisch und cholesterinfrei. Zabler ergänzt damit die bekannten Hochzeitsnudeln.
Gaggli aus Oberschwaben hat im Mai nachgezogen und Hartweizen-Nudeln in fünf deutschen Ausformungen, darunter Spätzle und Suppennudeln im 250 Gramm Beutel in den Handel gebracht.
Gekühlte Frische im Kommen
Bei Vollsortimentern darf frische Bio-Pasta im Kühlregal nicht fehlen. Der Frische-Bereich ist eine kleine feine Nische mit Wachstums- und Wertschöpfungspotenzial. Chilled food boomt in England und der Schweiz. Mit Verzögerung erfasst die Welle auch Deutschland. Wer als Kaufmann partizipieren will, findet Schupfnudeln, Gnocchi und Spätzle im ungefüllten Bereich.
Bei der gefüllten Pasta stehen in der Beliebtheitsskala die Tortellini an erster Stelle, vor den Ravioli. Aus der deutschen Küche zählen die Maultasche mit Fleischfüllung und die Gemüsetasche zu den Schnelldrehern. Ande- re Varianten führen eher ein Nischen-Dasein.
Die Fleischwerke Zimmermann aus Bayern sind mit einer deutschen und italienischen Linie der Platzhirsch im Lebensmitteleinzelhandel. Albgold hat ein breites frisches Sortiment aufgebaut. Mosna aus Troisdorf ist mit einem italienischen Sortiment mit ungefüllten und gefüllten Produkten vertreten. „Unsere Produkte sind nicht vorgekocht, daher erzielt unser Endverbraucher einen Volumen- Zuwachs von mindestens 50 Prozent", nennt Diego Mosna die Vorteile.
Der aus dem konventionellen bekannte Markenartikler Bürger ist mit einer schwäbischen Range an Maultaschen, Schupfnudeln und Spätzle dazugekommen und seit jüngstem ist auch Hilcona aus Liechtenstein mit einem deutsch-italienischen Sortiment dabei. Im Fachhandel und in der Betriebsgastronomie ist Pasta Nuova mit seinen frischen gefüllten Teigwaren zuhause.
Schupfnudeln und Gnocchi unterscheiden sich von den anderen Teigwaren durch den Kartoffelanteil. Die bayerische Variante heißt Fingernudel. Hierl aus Stallwang bietet sie dem Fachhandel an und ist hier Marktführer. Spätzle und Maultaschen hat er ebenfalls im Programm. Spätzle enthalten in der Regel Ei, obwohl es inzwischen schon Varianten ohne Ei gibt. Mit den Gitarrensphagetti dürfte Hierl sogar Alleinstellung haben. Das sind echte gewalzte Nudeln die mit einer Art Harfe geschnitten und nicht gepresst werden. Deshalb sind sie auch nicht rund.
Auf dem Bio-Sektor dominieren fleischlose Füllungen. Die wachsende Minderheit der Vegetarier wird hier gut bedient. Der langjährige reine Bioproduzent D’Angelo aus Saarwellingen setzt auf vegetarische oder vegane Füllungen. Das Unternehmen stellt eine frische und eine semi-frische italienische Linie her. Die halbfrische Range verbindet die Vorteile von trockener und frischer Pasta miteinander. Sie braucht nicht gekühlt zu werden und ist länger haltbar als frische Ware, allerdings mit neun Monaten deutlich kürzer als die Trockenprodukte, die ein MHD von zwei Jahren haben. Das Werk produziert für den Fachhandel, die Reformhäuser und für Privat Labels.
Der Markt wächst, die Zahl der Marktteilnehmer ebenfalls. Die traditionellen Bio-Hersteller haben 2007 starke Konkurrenz bekommen: Mit Birkel, Gaggli, Zabler, Bürger und Hilcona haben 2007 potente Markenartikler Bio für sich entdeckt.
Anton Großkinsky
Glücklich dank Nudeln
Teigwaren machen sogar glücklich. Die Kohlenhydrate regen die Produktion des Wohlfühl-Hormons Serotonin an. Nudeln liefern in der Hauptsache Kohlehydrate, mäßig Eiweiß und einige Mineralien. Sie tragen zu einer fettarmen Ernährung bei, sind sättigend und bringen aufgrund der Sortenvielfalt Abwechslung auf dem Tisch.
Für die schnelle Küche ist das Grundnahrungsmittel bestens geeignet. Das dürfte auch einen kleinen Teil des Erfolgs in unserer hektischen Zeit erklären. Die Nudel muss im Gegensatz zur Kartoffel nicht geschält werden und die Kochzeit ist ebenfalls kürzer. Mit fertiger Pesto kombiniert ist in kurzer Zeit etwas auf den Tisch gebracht, das Kindern und Erwachsenen schmeckt. Bei den frischen Teigwaren geht es aufgrund der kurzen Kochzeit noch schneller.