Bio passt zum SEH
E aktiv Kirchner in Alzenau tritt mit eigenem Konzept und Bio-Leitsystem auf
In der Kleinstadt lassen sich biologische Lebensmittel am besten im Supermarkt verkaufen. E-aktiv Kirchner im 12.000 Einwohner zählenden unterfränkischen Alzenau macht dies vor. Am Stadtrand bietet der selbstständige Kaufmann in einem Verbrauchermarkt auf 3.000 Quadratmeter rund 2.000 Bio-Produkte an. Einen Bio-Supermarkt würde die Kleinstadt vermutlich nicht tragen. Aber ein Supermarkt mit viel Bio ist umsetzbar. Der Edekaner Kirchner ist innovativ und kreativ an das Thema herangegangen.
Vier E aktiv Märkte betreibt der Selbstständige Einzelhändler (SEH) Kirchner im Raum Aschaffenburg in Unterfranken. 2004 entstand vor den Toren Alzenaus der Vorzeigemarkt mit separatem Getränkemarkt und 260 Parkplätzen. Geschäftsführer Heinrich Kirchner wagte damit einen Schritt in die Zukunft.
Der Markt ist übersichtlich gestaltet. Bei einer Regalhöhe von 160 cm bleibt die Großfläche überschaubar. Die Kunden haben in den Gängen genug Platz, um mit dem Einkaufswagen zu rangieren. Warme Farben und angenehmes Licht erzeugen Wohlgefühl. Ein Bogen teilt die mit 300 Quadratmeter riesige Fruchtabteilung, den Marktplatz der Frische, optisch und lässt die Fläche kleiner erscheinen. Das Gefühl, zwischen hohen Regal-Gängen verloren zu sein, kommt erst gar nicht auf.
Im Vorkassenbereich ist die Edeka eigene K&U Bäckerei nebst Cafe mit Sitzgelegenheiten angesiedelt. Neuerdings führt die Hausbäckerei auch ein kleines Bio-Sortiment. Sieben Brote, zwei Brötchen und ein Feingebäck sind zu haben.
Bio-Block ist out
Ein innovativer Baustein des Marktes ist die Präsentation von Lebensmitteln aus kontrolliert biologischem Anbau. Das Konzept für die Bio-Vermarktung hat Juniorchef Benjamin Kirchner erarbeitet. Der Absolvent der Berufsakademie Mannheim ist selbst Verwender von Bio-Produkten. „Man muss von Bio überzeugt, sonst kann man das nicht umsetzen", meint Senior Kirchner, der nach eigenem Bekunden Lebensmittel liebt, dies auch verkörpert, sich aber nicht auf Bio-Erzeugnisse beschränkt.
Bio wird in den Warengruppen präsentiert. Einen Block gibt es nicht. Kirchner hat sich für eine prominente Platzierung am Kopf oder Anfang eines Regals entschieden, um die Aufmerksamkeit auf das neue Sortiments zu lenken. Innerhalb einer Warengruppe wird Bio zusammengefasst und nicht Artikel zu Artikel zugeordnet. „Wir unterscheiden uns dadurch von der Edeka Südwest, die ein Platzierung in der Mitte des Regals vorsieht", erläutert Benjamin Kirchner den Unterschied zur Regie. Der Kunde wird durch ein hauseigenes Leitsystem geführt. Fußbodenaufkleber, die Seitenteile der Regale und die Preisetiketten symbolisieren Bio. Zusätzlich liegt die Edeka Bio-Broschüre aus.
Für das Bio-Sortiment muss der Familienbetrieb Geld in die Hand nehmen. Die Warenkosten sind höher als im Konventionellen, und bei neuen kühlpflichtigen Bio-Artikeln mit kurzer Laufzeit müssen bei der Einführung auch Abschriften in Kauf genommen werden. „Wir haben nach toten Warenbeständen, die Kapital binden, geschaut", erläutert Heinrich Kirchner seine Methode. Unter den 25.000 Artikeln in den Regalen hat er im Non-Food-Bereich Schläfer ausgemacht, auf die er zugunsten innovativer Bio-Lebensmittel verzichtet hat.
Aktuell zählt das Bio-Sortiment 2.000 Artikel. Aushängeschild ist das grüne Sortiment mit 120 Artikeln. Da können selbst viele Bio-Supermärkte nicht mithalten. In der O+G-Abteilung sind zentral 30 Quadratmeter für Bio reserviert. Außer in den Regalen wird noch in Weidekörben präsentiert. Ein überdimensionaler Einkaufskorb mit Ware dient eher dekorativen Zwecken. Eine Verkostungsstation ist aufgebaut. Jonagold und Topaz können die Kunden an diesem Tag probieren.
Bio-Früchte in Hülle und Fülle
Bio Fairtrade Bananen haben einen ebenbürtigen Auftritt zu den konventionellen Chiquitas. Da bleibt der Verkaufserfolg nicht aus. Viel Verbandsware, als solche gekennzeichnet, wird angeboten. Demeter, Bioland und Naturland sind neben einander gut sichtbar vertreten. Diese Fülle kommt nicht allein vom Edeka-Fruchtkontor. Die Fruchtgroßhändler Ecofit aus Stuttgart und Grundhöfer aus Frankfurt ergänzen das Bio-Sortiment.
Von der Baby-Ananas bis zum heimischen Spitzkohl gibt es alles. Die Hauptartikel wie Kartoffeln und Äpfel werden nach Sorten verkauft von Jonagold bis Topaz, ob verpackt oder lose. „Der Bio-Kunde schätzt lose Ware", berichtet Abteilungsleiter Matthias Reuter. Für die Alzenauer sind noch zu viele der Bio-Artikel aus dem Edeka-Fruchtkontor verpackt. Aber bei dem Handelsriesen gehen nicht alle im Gleichschritt. In einer Kühltruhe liegen die küchenfertigen Salate. Geschnittenes Obst in Bio-Qualität gibt es noch nicht.
Mit dem Bio-Trockensortiment profiliert sich Kirchner ebenfalls. Da ist der Lebensmittelhändler vielen Kollegen voraus. Als Demeter zertifizerte qualitätsorientierte Verkaufsstelle hat das Unternehmen Zugriff auf Bio-Marken wie Bauckhof und de Rit, die dem LEH ansonsten nicht zugänglich sind. Mit dem Bode-Sortiment werden bei Nüssen, Kernen und Saaten gute Umsätze gemacht.
Bio-Desiderate im LEH wie Hülsenfrüchte, Konserven und Trockensuppen sind gut besetzt. Suppentüten von Erntesegen, Fruchtkonserven von Morgenland und Sauerkonserven von Marschland bereichern das Sortiment. Die Markenindustrie wie Knorr, Lieken und Hengstenberg ist ebenfalls dabei. Kirchner fragt sich, ob alle Hersteller mit Überzeugung dabei sind. Das wird die Zeit zeigen. Mit ein oder zwei Alibi-Produkten wird Keiner auf Dauer bestehen können.
Bio-Feinkost der oberen Preisklasse
Bei Feinkost hat die Großfläche die Rolle des Fach-Geschäfts übernommen. Bio-Spezialessige mit Himbeer und Erdbeer bei Preisen um zehn Euro für den Viertelliter hat der Markt in der oberen Kategorie zu bieten. Beim Bio-Öl gibt es in der Spitze das Argan für 20 Euro pro Viertelflasche. Das bindet Kapital, denn hier wird nicht gerade palettenweise verkauft. Das Geld wird aber nicht am Personal eingespart. Denn in diesen Preisklassen muss beraten und empfohlen werden. „Wir sind für Sie da". Steht auf dem Rücken der Hemden der 80 Mitarbeiter. Für Senior Kirchner sind dies keine leeren Worte: „Wenn das nicht ernst genommen wird, kann selbst ich grantig werden".
Sachkundige Verkäufer sind vorhanden. Fachberater Matthias Reuter hat mit der O&G-Abteilung den Deutschen Fruchtpreis 2007 geholt. Eine Auszubildende erlernt den Beruf der Fruchtkauffrau. Die Fleischtheke wird selbstverständlich von einem Metzgermeister geführt. Mitinhaberin Anne Marguerita Kirchner bietet einen Ernährungsservice an. Sie absolviert regelmäßig Schulungen bei der Edeka und gibt ihr Wissen an Mitarbeiter und Kunden weiter. Bei Kirchner bleibt der Kunde nicht ratlos.
Bei Spezialsortimenten für Allergiker gibt es ebenfalls eine Bio-Alternative. Beim glutenfreien Gebäck ist Frischkorn von Werz aus Heidenheim im Regal. Die Großbäckerei hat 40 Jahre Erfahrung in der Synthese von Gesundheit und Genuss. Seine Bio-Produkte heimsten bei der DLG-Prüfung zuletzt 16 Gold-, 29 Slber- und 16 Bronzemedaillen ein. Beim Knabbergebäck ist unter anderem die Premium-Marke Mayka breit vertreten. Im süßen Bereich werden Vivani, die fair gehandelten Produkte der Gepa und die Industriemarke Sarotti verkauft.
Bei den Getränken setzt der Einzelhändler auf die Frucht- und Gemüsesäfte von Eos aus Weinstadt. In der Vinothek des Marktes finden sich rund 30 Bio-Tropfen mit dem Schwerpunkt Franken. Bio-Spirituosen sind nicht vorhanden.
Bei der Bio-Tiefkühlkost hat er im Vergleich zu anderen Supermärkten ein starkes Sortiment aufgebaut. Da ist mehr vorhanden als Gemüse der Eigenmarke. Demeter Felderzeugnisse erweitert hier das Sortiment. Eis von Rachelli, Kartoffelprodukte, Fleisch, Fisch, Fertiggerichte und Pizza sind da.
Kühlregale füllen sich mit Bio
Gekühlte Frische ist eine junge Warengruppe, die sich in den vergangenen fünf Jahren im LEH etabliert hat und auch in Bio Erfolg verspricht. Im Kühlregal bringen die frischen Bio-Teigwaren von Albgold und Bürger Impulse. Die Bio-Feinkost-Salate von Merl sind in der Einführungsphase. In einer sepa- raten Truhe wird den Vegetariern Tofu von Veggie-Life angeboten. Bei den Milchprodukten gibt es die Eigenmarke, Andechser und Berchtesgadener Land. Die werden allesamt über die Edeka Großhandlung bezogen. SB-Wurst wird mit der Eigenmarke und Dieter Hein abgedeckt. Bei der Wertkost bemängelt Kirchner sen. die fehlende Sicht auf das Produkt. Der Wurstprofi Hein hat das anders gelöst und ist erfolgreicher beim Kunden.
In Bedienung gibt es ein Dutzend Sorten an Bio-Käse. An der Wursttheke vertraut der Händler auf Rack & Rüther: „Hier sind wir einer der besten Kunden bei der Edeka Südwest". Beim Fleisch gehen Bio-Rind und -Schwein über die Theke. Geflügel gibt’s in SB.
„Mit frischem Fisch tun wir uns schwer" berichtet Benjamin Kirchner. Bei dem ohnehin schon hochpreisigen Produkt kommt ein hoher Bio-Aufschlag dazu, den der Kunde am Ort nicht zahlt. „Am Ende haben wir im Ostergeschäft den Bio-Fisch zum gleichen Preis wie die konventionelle Ware verkauft", ergänzt Kirchner sen.
Bio-Frische wird weiter ausgebaut
Bei der Frische ist der eigene Anspruch noch nicht erfüllt. Dieser Bereich wird künftig forciert. „Wir sind Schritt für Schritt vorgegangen. Erst haben wir O+G aufgebaut, dann das Trockensortiment." Nun folgt der dritte und schwierigste Teil. „Hier werden wir Geld in die Hand nehmen und investieren", kündigt der Senior an. Beim Fleisch sind die Pläne konkret. Hier soll mit der Metzgerei Bühler aus Süd-Württemberg nachgelegt werden. Bio-Mopro soll ebenfalls ausgebaut werden.
Die Edeka Südwest kann nicht alle Bio-Wünsche der Kaufleute aus Alzenau erfüllen. Zwar sind dort 2.000 Bio-Artikel gelistet, aber für Kirchner stecken zu viele Dubletten drin und die Frische kommt zu kurz. Bio-Produkte laufen größtenteils über Strecke. 20 Bio-Lieferanten bringen das aktuelle Sortiment. Tendenz steigend.
Für Kirchner keine tragfähige Lösung: „Es muss ein Zentrallager für Bio eröffnet werden". Schwächen in der Logistik verhindern oft eine bessere Präsenz am POS. „Das Bio Weiderind aus dem Edeka Fleischprogramm kommt einmal pro Monat. Das können wir nicht bewerben, da das Produkt nicht ständig verfügbar ist", nennt Benjamin Kirchner ein Beispiel. Die Edelteile gehen schnell über die Theke, das Siedfleisch tut sich dem allgemeinen Trend folgend schwer. Der SEH ist gezwungen eigene Lösungen zu finden, will er ein konkurrenzfähiges Bio-Vollsortiment präsentieren. Die Zentralen bieten hier für anspruchsvolle Kaufleute wie die Kirchners noch zu wenig.
Anton Großkinsky