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Editorial

Editorial Ausgabe 125/Oktober 2025, 4. Quartal

Liebe Leserinnen, liebe Leser.

Es schien alles so einfach: Eine Krise wirbelt den Biomarkt durcheinander, und die Biobranche stellt die Weichen neu. Fachhandelstreue gilt nicht länger als selbstverständlich, stattdessen rückt das Ziel Bio für alle in den Mittelpunkt. Doch nun stellt sich die Frage: Wie kann das gelingen?

Es mehren sich die skeptischen Stimmen. Nicht das Wachstum wird in Frage gestellt. Es geht um die Fragen, wie und wo das Wachstum generiert werden wird. Die Hersteller geraten schon seit Jahren unter den Druck des Handels.
Der Fachhandel kommt zaghaft wieder in den Tritt. Doch die vergleichsweise kleine Anzahl an Fachgeschäften wird nicht Schritt halten können mit den annähernd 40.000 Mainstream-Outlets.

Die unterschiedlichen Outlet-Formate im Lebensmitteleinzelhandel – vom Discounter über Nahversorger, Supermärkte bis zu Großflächen und Spezialgeschäften – wirken jeweils anders auf das Einkaufsverhalten. Billig einkaufen oder Qualität bevorzugen – für alle Vertriebswege stehen Bioangebote bereit. Dazu kommen heute noch die digitalen Shop-Einkäufe.

Bio beim Discount macht Masse. Diese sicheren Abnahmemengen freuen die Erzeuger, bei denen auch von hohen Preisen nicht unbedingt ein höherer Erzeugerpreis ankommt. Diese Vertriebsschiene drückt auf das Gaspedal und beschleunigt das Wachstum.

Die großen Handelszentralen sind Verträge mit den Öko-Verbänden eingegangen. Mit dem Verbands-Label lässt sich einfach besser verkaufen. Die Geschichte der Verbands-Qualität ist kurzfristig gesehen von Vorteil. Handel und Öko-Verbände glauben, gemeinsam mehr Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei den Verbrauchern zu finden. Aber die Abhängigkeit der Verbände von den Handelszentralen bringt die Bio-Hersteller auf Dauer in Bedrängnis. Der Spagat hier der Verband, dort die Hersteller, auch Verbandsmitglieder, verheißt nichts Gutes. Die Zerreißprobe wird kommen und die Verbände müssen sich für eine Seite entscheiden.

Die vergleichsweise hohen Preise der Bio-Angebote bei den Vollsortimentern bremsen das Mengenwachstum eher. Man konzentriert sich auf die Gewinnmarge und beschränkt sich auf die Umsätze mit weniger Artikeln, überwiegend den Eigenmarken. Da spielen die Anforderungen der qualitätsbewussten Kunden eine noch nicht tiefgreifend erkannte Rolle. Anspruchsvolle Verbraucher sind Vollsortimente gewohnt. Dem will die Edeka mit der Einlistung der Kernsortimente der Bio-Pionierhersteller über das Naturkind-Welten-Konzept Rechnung tragen. 

Ausgerechnet bei den Frische-Sortimenten lauern weiterhin große Lücken. Das weckt auf Dauer Misstrauen und führt womöglich zur Abwanderung in Bio-Einkaufsstätten mit Vollsortimenten, die der Gewohnheit eines One-Stop-Einkaufs gerecht werden.

Die Bio-Branche muss sich auf ein dynamisches Wachstum einstellen. So kommt es schon einmal vor, dass dem größten deutschen Anbieter von Kartoffeln und Karotten für Tage die Karotten auszugehen scheinen. Auch bei Eiern oder Schweinefleisch wird von Engpässen berichtet. 

Verarbeiter und Hersteller klagen schon länger über zunehmenden Druck bei der Rohstoffbeschaffung. Die Kleinen werden von großen kapitalstarken Wettbewerbern von ihren angestammten Bezugsquellen verdrängt. Umgekehrt wirken die Probleme der heimischen Erzeuger von Feingemüsen bescheiden, wenn sie berichten, dass der Handel lieber Billigimportware ordert anstelle ihrer preislich höher angesiedelten Regional-Produkte. Auch das Nachhaltigkeitsargument kommt nicht gegen den Billigpreis  mit den langen Wegstrecken an.

Wenn heimische Rohstoffe knapp werden, öffnet das die Tore in den deutschen Markt für neue Produzenten im Osten der EU, die mit ihrer schwarzen Erde über 100-Punkte-Böden verfügen, wie unser Rumänien-Beispiel in dieser Ausgabe zeigt. So soll eine Demeter-zertifizierte Erzeugergemeinschaft der Donau entlang gegründet werden. 

Wie ein Schweinezyklus pendelt der Bio-Rohstoffmarkt hin und her. Bio arbeitet sich dabei immer weiter nach oben. Da gehören Engpässe einfach dazu. Die beste Grundlage für die Entwicklung weiterer Bio-Mengen, die, wenn sie konventionelle Ware verdrängen, dann auch Umstellungs-Druck auf die heimischen Landwirte ausüben.

Die Kaufleute hätten mit ihren lokalen und regionalen Verwurzelungen gute Chancen, mit dem Bio-Handwerk zusammenzuarbeiten. Brot und Backwaren und Fleisch, Wurstwaren und Schinken sind Gewinnbringer. Kunden mit dem Wunsch nach bester Frische-Qualität bleiben treu. Auch Bio-Obst und -Gemüse aus der nahen und weiteren Umgebung sorgen nachhaltig für positive Einstellung. Bio plus Regional sei das Beste, so die Kaufleute. Dazu braucht es jedoch Instanzen, die das bündeln. Die zentralen Vorstufen sind oft zu weit entfernt und ihre Mitarbeiter für diese Aufgabe nicht vorbereitet. Die Lücke zu schließen ist die Aufgabe der Bio-Großhändler. Sie wollen kurze Wege direkt zu den Kaufleuten und nicht die Steigbügelhalter für die Handelszentralen werden. Überdurchschnittliches Wachstum mit handwerklichen Bio-Lebensmitteln ist vorgezeichnet..

Erich Margrander 
Herausgeber

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