Bildung
Kochen lernen mit Bio
Das ‚Kompetenzzentrum Ernährung‘ ist bundesweit die erste Berufsschule mit Bio-Zertifikat

Backen, kochen, Fleisch und Wurst herstellen: Das lernen angehende Fachkräfte an der Nürnberger Berufsschule B3 mit Rohstoffen in Bio-Qualität. Seit 2018 ist das ‚Kompetenzzentrum Ernährung‘ als erste Berufsschule in Deutschland Bio-zertifiziert. Heute erreicht die B3 Bio-Anteile von über 90 Prozent. Der stellvertretende Schulleiter Horst Murr erzählt vom Weg der Umstellung, Barrieren und Lösungen.
Lebensmittelhandwerk, Gastronomie und Hotellerie sind die Fachbereiche der Berufsschule B3, ‚Kompetenzzentrum Ernährung‘. Angehende Bäcker, Konditoren, Fleischer, Köche, Fachkräfte für Gastronomie und Fachverkäufer bekommen hier das nötige Know-how vermittelt. Dabei hat die Schule einen handwerklichen Anspruch: Setzen Betriebe der Ernährungsbranche in der Praxis immer mehr auf Convenience-Hilfen, können Azubis hier noch lernen, wie man Suppen oder Saucen aus frischen Zutaten selbst herstellt. Indem sie dieses Wissen mit zu ihren künftigen Arbeitgebern nehmen, soll auch ein gewisses gemeinsames Qualitätsniveau erhalten bleiben. Zur Qualität trägt aber nicht nur die Verarbeitungsweise bei, sondern auch, dass die richtigen Rohstoffe verwendet werden.
Angestoßen wurde die Bio-Auslobung der Berufsschule vom langjährigen Bio-Gastronomen Peter Noventa, Inhaber des Nürnberger Tiergartenrestaurants Waldschänke und Vorsitzender des Fördervereins der B3. Seit 2008 nimmt das Restaurant auszubildende Köche bei sich auf, worüber die Verbindung zur Berufsschule zustande kam. Noventa hat die Idee in den Stadtrat getragen und mit den einzelnen Fraktionsvorsitzenden gesprochen. Die Grundmotivation der Verwaltung war in der ‚Bio-Metropole Nürnberg‘ – unter diesem Titel bündeln Akteure der Stadt und Region seit 2016 ihre Aktivitäten für mehr Bio – bereits gegeben und am Ende wurde es ein einstimmiger Beschluss.
Die Stadt Nürnberg stand also hinter der Bio-Zertifizierung. Was das Schulpersonal angeht, das am Ende für die Umsetzung verantwortlich war, stieß das Vorhaben allerdings zunächst auf einige Skepsis, wie der stellvertretende Schulleiter Horst Murr erzählt. Schließlich war die Umstellung mit einem ordentlichen Verwaltungsaufwand und Mehrkosten für die Schule verbunden. Es mussten getrennte Lagerkapazitäten aufgebaut und eindeutig beschriftet, neue Lieferanten gesucht und die nötigen Nachweise für die Zertifizierung dokumentiert werden.
„Am Ende war der Aufwand aber nicht so groß wie befürchtet“, stellt Murr fest. Die Umstellung auf die Verwendung von Bio-Rohstoffen in den verschiedenen Handwerks- und Kochklassen sei nach und nach erfolgt. „Wichtig ist es, einen Fuß in die Tür zu bringen – dann lässt sich der Bio-Anteil auch Schritt für Schritt ausdehnen“. Um Barrieren zu überwinden, brauche es eine gewisse Flexibilität – und vielleicht auch manchmal eine flexible Auslegung des Lehrplans, den das Kultusministerium Bayern vorgibt.
Ende September 2018 erhielt die Berufsschule B3 erstmals ein Bio-Zertifikat. Ausgestellt wurde es von der Kontrollstelle ABCert, für die Aufbereitung von Erzeugnissen aus ökologischem Landbau. Die Mehrkosten für Bio trägt die Schule zu 60 Prozent selbst – der Rest wird von der Stadt Nürnberg finanziert.
Beschaffungsbarrieren: Preis und Mindestmengen
Sieben Jahre nach der ersten Zertifizierung ist die B3 zwar noch nicht bei 100 Prozent Bio angelangt – insgesamt können sich die vermuteten Anteile in den einzelnen Warengruppen aber durchaus sehen lassen. „Bei Mopro sind wir inzwischen klar über 90 Prozent“, schätzt Murr. Auch beim Trockensortiment – Mehl, Reis etc – würden heute 90 Prozent in Bio-Qualität bezogen. Etwas schwieriger sei die Verfügbarkeit beim Gemüse, aber auch hier mache Bio in jedem Fall deutlich mehr als die Hälfte des Einkaufs aus.
Für die Bio-Beschaffung konnte die Berufsschule den bayerischen Bio-Großhändler Ökoring ins Boot holen und Obst und Gemüse stellt vor allem der Nürnberger Großhändler ‚Früchte Böhmer‘. Dazu kommen wenige Direktlieferanten, wie etwa der Öko-Geflügelhof Winkelmann für Bio-Eier.
Fleisch wird bisher von der Stadt Nürnberg nicht bezuschusst und daher weiter konventionell bezogen. „Der Preisunterschied ist einfach zu groß“, so Murr. Ein „echtes Problem“ bei der Beschaffung sei außerdem, dass die Lieferanten im Bio-Bereich mengenmäßig weniger flexibel bzw. weniger auf die für die B3 erforderlichen Bezugsgrößen eingestellt seien. Großgebinde wie 10-Liter-Kanister Öl sind für die Kochklassen nicht praktikabel, beim Gemüse habe man sich damit geholfen, dass ein Teil eingefroren wurde.
Wenn die Lieferanten mit zu hohen Mindestabnahmemengen arbeiten und die Lieferkosten andernfalls zu hoch würden, sei allerdings teilweise auch das Ausweichen auf konventionelle Ware nötig. „Dabei sind wir mit gut 1.000 Schülern schon die größte Berufsschule Mittelfrankens“, erklärt Murr. Zu den Koch- und Handwerksklassen gehören zusammen gut 400 Azubis. Für kleinere Institutionen sei die Bio-Beschaffung wohl noch herausfordernder.
Nicht vermeiden lasse sich die Verwendung von nicht-Bio bisher außerdem, wenn die Prüfungen der Industrie- und Handelskammer anstehen. Mit dem Budget, das die Schule für die Prüfungsdurchführung zur Verfügung bekommt, sei der Bezug von Bio-Zutaten bislang nicht möglich.
Dabei nehme das Thema Nachhaltigkeit seit der Neuordnung der gastgewerblichen Berufe im Sommer 2022 durchaus einen höheren Stellenwert ein. Damals wurde das Feld ‚Umweltschutz und Nachhaltigkeit‘ als Berufsbildposition in die Ausbildung von Köchen und Gastronomen aufgenommen, das heißt, es muss allen Azubis im Lehrplan vermittelt werden und wird auch bei den Prüfungen abgefragt. „Bio ist dabei auch ein Aspekt – allerdings eher am Rande“, ist Murrs Einschätzung. Der Fokus liege mehr auf vegetarischer und veganer Ernährung, für die angehende Köche nun sogar eine Zusatzqualifikation erwerben können.
Multiplikatoren der Zukunft
Was den Lehrplan der B3 angeht, so unterscheide sich dieser grundsätzlich nicht von anderen Berufsschulen, „aber die Lehrkräfte sind sehr an Bio und natürlicher Herstellung interessiert – und auch bei den Schülern nimmt das Bewusstsein zu“, berichtet Murr.
Hintergrundwissen können sie etwa bei den Workshops ‚Bio in Topf und Kopf‘ erhalten, die vom Anbauverband Bioland angeboten werden – im Zuge einer Kooperation der Bio-Metropole Nürnberg und der Bio-Stadt München. Das Projekt ist direkt zugeschnitten auf künftige Köche, Bäcker und Fleischer. In insgesamt 18 Sitzungen erhalten die Azubis Informationen über den Öko- landbau, Vorteile und Qualitätsmerkmale von Bio, Einkauf und bio-regionale Wertschöpfungsketten sowie die Kommunikation zum Endverbraucher. Auch ein Praxisteil zur Herstellung von Bio-Backwaren oder eines saisonalen Bio-Menüs sowie Exkursionen zu Höfen und Verarbeitern sind Teil der Workshops.
An der Berufsschule sind die Azubis zwar nicht selbst am Einkauf der Rohstoffe beteiligt, „die Beschaffung wird aber im Unterricht thematisiert“, erklärt Murr. Eine Sensibilität für alternative Bezugsformen vermitteln, den achtsamen Umgang mit Lebensmitteln fördern, dem Nachwuchs Mut zur Verwendung von Bio-Produkten machen und dazu beitragen, dass Bio aus der Exoten-Ecke geholt wird – das alles sind Ziele der bio-zertifizierten Berufsschule.
Als Multiplikatoren der Zukunft sollen die Absolventen den Bio-Gedanken in ihre Betriebe mitnehmen. Konnte das Kompetenzzentrum Ernährung schon zuvor mit seiner Reputation für die Handwerkskunst punkten, so ist es heute auch ein Anziehungspunkt für Nachhaltigkeitsinteressierte. „Bio hat sich zu einem Alleinstellungsmerkmal der Berufsschule entwickelt“, so Murr.
Lena Renner