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Oligopol Handel – Das Ende des freien Marktes auch für Bio?
Marktkonzentration bringt Bio als Gegenmodell unter Druck
Die Biobewegung ist angetreten für gesunde Produkte aus gesunden Strukturen. Während sich Bio als Anbaumethode etabliert hat, straucheln Wegbereiter der Bewegung entlang der gesamten Wertschöpfungskette – die klassische Entwicklung wachstumsgetriebener Märkte oder Sinnbild einer neuen Realität, der sich nun auch Bio stellen muss.
Der Konzentrationsprozess in der Lebensmittelwirtschaft nimmt stetig zu. Insbesondere im Bereich des Lebensmittelhandels haben sich Oligopole ausgebildet. In ihrer Konzentrationsanalyse hat die Monopolkommission signifikante Machtverschiebungen innerhalb der Lebensmittelversorgungsketten seit 2007 identifiziert.
Die Entwicklung der Preise und Kosten zeigt, dass Erzeuger im Mittel immer geringere Preisaufschläge erzielen, während große Hersteller und insbesondere die zentralen Vorstufen und filialisierter Handel an Macht gewinnen. Dieser Befund zeigt, dass gesetzliche Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren eingeführt wurden, um die Wettbewerbsposition in der Lieferkette zu stärken, ohne nachhaltige Wirkung geblieben sind.
Die Monopolkommission plant, die Ursachen dieser Entwicklungen nun genauer zu untersuchen und zielgerichtete Interventionsmöglichkeiten zu bewerten. Die Konzentration hat zu einer signifikanten Margenverschiebung entlang der gesamten Wertschöpfungskette geführt.
Nicht nur die landwirtschaftlichen Betriebe, sondern insbesondere auch die verarbeitenden Unternehmen unterliegen diesen Mechanismen. Unterschiedliche Gesetzesanpassungen im Bereich des Kartellrechts sollen den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung in der Lebensmittellieferkette eindämmen. Zumindest für die Agrar-Lieferkette lässt sich festhalten, dass die Zähne des Staates zur Regulierung stumpf sind. Vielmehr setzt sich Integration fort. Nicht mehr überwiegend horizontal, sondern mittlerweile auch vertikal.
Eigenmarke wächst, Effizienzdruck steigt
In den vergangenen Jahren haben führende Händler damit geworben, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor steigenden Preisen in der Lieferkette zu schützen. Konsequent wurde das Eigenmarkenkonzept ausgebaut, eigene Produktionsstätten geschaffen, mit Niedrigpreisangeboten gelockt, während der Effizienzdruck die Lieferkette drastisch dezimiert.
Doch die Realität ist eine andere. Ausgerechnet Billigmarken treiben die Teuerung, titelt das Handelsblatt im November 2024. Laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds aus Juni 2023 sind 45 Prozent der Preissteigerung in der EU auf erhöhte Unternehmensgewinne zurückzuführen. Ein Phänomen, das sich entlang der gesamten Kette fortsetzt.
Profiteure sind die großen Unternehmen, während der Mittelstand schwindet. Was wir als Gesellschaft verlieren, ist die Wahlmöglichkeit, die Innovationkraft und nicht zuletzt die Preisstabilisierungsfunktion eines funktionierenden Konkurrenzkapitalismus.
Die Rolle von Bio: über Wachstum hinausdenken
Was können wir also tun und was hat das mit Bio zu tun? Die Biobewegung ist ein Best Practice-Beispiel dafür, dass man sich auf den Weg machen kann, um den konventionellen Marktstrukturen etwas entgegenzusetzen. In den vergangenen Jahrzehnten sind alternative Absatzstrukturen, vielfältige Innovationen und ein gesellschaftliches Bewusstsein für ökologische Landwirtschaft entstanden.
Und doch ist auch die ökologische Lieferkette anfällig geworden für die Mechanismen des Marktes, zeigt aber, dass es möglich ist und sich lohnt, sich auf den Weg zu machen.
Auch heute gibt es neue Bewegungen am Markt, Unternehmen, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen, Verbraucherinnen und Verbraucher, die interessiert sind und Verantwortung übernehmen und die Lebensmittel wertschätzen.
Was es braucht, ist eine ehrliche, transparente Fehlerkultur und eine politische Haltung in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs um Gerechtigkeit, wie er unter anderem auch von renommierten Transformationsforscherinnen wie Maia Göpel gefordert wird.
Vielleicht braucht es Bio-HändlerInnen, Bio-Verarbeiter- Innen und Bio-Landwirte, die bereit sind, Preisvergleiche am besten gänzlich aus der eigenen Verbraucher-Kommunikation zu streichen und vielmehr die steigende soziale Ungleichheit zu adressieren. Das Gemeinwohl sollte den Diskurs bestimmen.
Den Preiskampf wird der Bio-Mittelstand auch dann noch verlieren, wenn wir es irgendwann einmal schaffen, über wahrere Preise zu sprechen. Vielmehr braucht es klare Haltung in Bezug auf soziale Umverteilung, wenn wir ‚Bio für Alle‘ ernst meinen.
Mit Blick auf die ökologischen Grenzen und die begrenzten Rohstoffvorräte wäre es ohnehin angebracht, über die Grenzen des Wachstums zu sprechen und statt dem Paradigma vom Grünen Wachstum eine ehrliche Diskussion über Postwachstum zu führen. Den Kampf um den niedrigsten Preis und das größte Wachstum verlieren nicht nur die Bio-Unternehmen, sondern wir als gesamte Gesellschaft.
Matthias Beuger