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Bio im Mainstream

Kaufleute sind zukunftsfähige Partner der Bio-Marktentwicklung

Der SEH zwischen Naturkostfachgeschäft und Discounter

Die Bionachfrage steigt auch in der Krise. Dabei hat die Preissensibilität zugenommen und die Kundenströme verlagerten sich hin zu den Discountern. Ende des Jahres 2024 melden die Naturkostfachgeschäfte nach dem krisenhaften Absturz wieder eine leicht erholte Nachfrage. Die Vollsortimenter im Lebensmitteleinzelhandel spielten bei der großen Verschiebung keine entscheidende Rolle. Ihre Bio-Sortimente können in der Oberliga oft noch nicht mithalten. Wer Bio-Vollsortimente in der bundesdeutschen Fläche außerhalb der urbanen Zentren sucht, wird selten fündig. Zugegriffen wird dann preiswert beim Discounter und allenfalls hin und wieder auf die lückenhaften Angebote der Kaufleute.

Bei den Öko-Marketingtagen in Kirchberg trafen sich auf der Bühne der Naturkostfachhandel und Aldi. Schmale Discounter-Sortimente und das Bio-Vollsortiment des Naturkostfachhandels sollten sich näher kommen, so die Absicht der Veranstalter. Die Überzeugungen beider Seiten wurden wortstark vorgetragen ohne jedoch die wahre Diskrepanz der Systeme im Kern anzusprechen. Da wäre schnell die Stärke des Fachhandels zum Vorschein gekommen: Das Bio-Vollsortiment, mit dem kein Discounter punkten kann und wohl auch gar nicht will. Sie machen Umsatz mit Volumen, nicht mit Vielfalt.

Bio-Vielfalt im Mainstream – eine Lücke zum Schließen

Für Vielfalt im Lebensmittelangebot stehen die Supermärkte, insbesondere die selbständigen Kaufleute mit ihrer Fähigkeit, durch persönliche Präsenz deutlich mehr Nähe zu den Kunden herzustellen als die Wettbewerber. Es ist ihre Aufgabe, auf ihre Kunden gezielt einzugehen und sie sollten dann auch die Marktlücke mit Bio-Vollsortimenten schließen können. Vielfalt vom Trockensortiment bis hin zu frischem Bio-Obst und -Gemüse, Bio-Fleisch, -Wurst und -Schinken, Bio-Käseauswahl in der Theke und – vor allem – frisches Bio-Brot würde den Bio-Kunden alle Wünsche erfüllen.

Warum zögert der Lebensmittel-Markt? Die Kaufleute konzentrieren sich seit ihrem Zusammenschluss vor einigen Jahrzehnten zu Einkaufsgenossenschaften auf das Verkaufen und verlassen sich auf ihre selbst geschaffenen Vorstufen. Die gewachsenen Strukturen stehen unübersehbar für großen Erfolg. Die Kaufleute verfügen heute über die beiden größten Lebensmittel-Großhandelsgesellschaften. Und doch scheint es so, als stünde gerade dieser Erfolg der Entwicklung von Bio-Vollsortimenten entgegen. Die Handels-Zentralen hadern mit der Zerstückelung ihrer konzentrierten Versorgung mit konventionellen Angeboten zugunsten des Aufbaus von Bio-Alternativen.

Investieren in zukunftsfähige Bio-Sortimente

Warum etwas verändern, das erfolgreich und so stabil erscheint? Kaufleute, die sich auf dem Erreichten ausruhen, vergessen den Grundsatz ‚Handel ist Wandel!‘ Wie lange können beispielsweise noch Agro-Chemie verseuchte Bananen an die Frau/den Mann gebracht werden? Heute wird deutlich gewarnt: Nach dem Banane-Essen sollte man sich gründlich die Hände waschen! Und was ist mit dem Magen und dem Darm und einer gesunden Konstitution, der Motor der Leistungskraft? Kann man die auch waschen? Die Menschen laufen über zur Bio-Alternative!

Schon einmal, vor 25 Jahren, hatten die Zukunftsforscher geglaubt, Bio sei ein Trend, und sie waren überrascht, als fünf Jahre später ein heller Stern am Himmel leuchtete! Das ging weiter so bis heute. Für zukunftsorientierte Lebensmittel-Experten, was die Kaufleute sind, muss es doch eine Freude sein, sich solch einem Phänomen zu stellen und den Wettbewerbern zu zeigen, was man selbst kann und die anderen nicht. Aktuell scheint aber eher der Warnhinweis von 2004, dass sich die Kaufleute in Sachen Bio vom Discounter nicht die Butter vom Brot nehmen lassen sollen, wichtiger denn je. Aldi Süd feierte 2024 sein 20stes Bio-Jubiläum. In den letzten Jahren haben sie eine Bio-Grundversorgung zustande gebracht, deren Sog die Kaufleute aufhorchen lassen sollte.

In Amerika schrumpft die allgemeine Lebenserwartung aufgrund schlechter und verseuchter Ernährung. Die Handels-Strukturen der Lebensmittelversorgung hierzulande sind noch offen für Alternativen. Sie sollten nicht hinter den Entwicklungen schlechter Vorbilder her driften! Es lohnen sich Gedanken über veränderte Zukunftsaussichten für alle, die gesund essen wollen.

Marginale Bio-Angebote im LEH

Die Bio-Kernsortimente sind bei den Vorstufen in guten Händen. Zum Bio-Vollsortiment ist es jedoch noch ein weiter Weg. Und es ist fraglich, ob Zentralismus die notwendige Diversifikation in der Lebensmittelproduktion meistern kann. Vielfalt braucht viele Einflüsse. Die Biobranche lebt zu einem guten Teil von vielfältigen Strukturen: Biodiversifikation statt Monokulturen.

Was können Kaufleute davon ableiten? Wer seine Vollsortimente immer weiter auf die Renner konzentriert, verliert die breite Aufmerksamkeit und damit Kunden. Nehmen sie eine Marke aus dem Sortiment, laufen die Marken-Liebhaber zum Einkaufen anderswo hin. Übertragen sie das auf die Bio-Umsatzentwicklung wird klar, dass, wer zu spät kommt, bestraft wird.

Mit dem Wachstumsschub während der Pandemie kam eine neue Euphorie auf, die die Bio-Vertriebsgrenzen überschwappen ließ. Zuerst noch zögerlich, dann kam die Putin-Krise und der Bio-Markt geriet ins Kippen. Parallel haben die Naturkind-Welten von Edeka mit ihrer Shop-in-Shop-Konzeption vielen Bio-Herstellern einen Weg in den Mainstream geebnet und heute muss sich niemand mehr unter dem Ladentisch verstecken oder nach Schuldigen suchen, wenn Bio-Marken im Supermarkt auftauchen.

Supermarktbetreiber, die jetzt die Chance ergreifen und mit eigenen neuen Wegen experimentieren, dürften ihre Zukunftsfähigkeit als qualitätsorientierte Lebensmittel-Anbieter meilenweit nach vorne bringen. Schon vor 25 Jahren hat der Edeka-Kaufmann Jörg Hieber gegenüber der bioPress-Redaktion gesagt, dass, wer auf die Vorstufe warte, verloren gehe. Sie würde unbedingt für das Alltagsgeschäft gebraucht, aber die Entwicklung der Lebensmittel-Kaufleute müssten die schon selbst in die eigenen Hände nehmen. Schließlich sei man verantwortlich für die eigene Existenz.

Woher kommen Bio-Vollsortimente?

Wenn Kaufleuten wichtige Bio-Sortimentsteile fehlen und sie selbst sich nicht um die Beschaffung kümmern können, wer dann? Bisher haben Naturkost-Großhändler mit ihren Vollsortimenten nur den Fachhandel beliefert. Jetzt ändert sich das. Der Nachfragesog bewegt viel. Die Hersteller setzen auf neue Vertriebswege, um sich zu konsolidieren und ihre Betriebe zu erhalten. Die LEH-Vorstufen hadern. Da sind die Bio-Großhändler gefragt. Können sie ihre Fachhandels’treue‘ loslassen, so wie viele der Hersteller? Und auf dem Weg zu ihren Kunden auch bei Kaufleuten anhalten und Ware anliefern? Die Großhändler haben Bio-Vollsortimente im Portefeuille. Allerdings müssten solche Liefer-Partnerschaften so abgestimmt werden, dass sich für die Bio-Großhändler das Anhalten überhaupt lohnt. Nur Lücken füllen würde keiner mitmachen.

Schon vor 25 Jahren war die Frage beantwortet worden, ob Shop in Shop, der Bio-Block oder Integration in die Sortimente der richtige Weg zum Kunden wäre. Damals hat ein prominenter Vertreter der Coop Schweiz verwundert festgestellt, dass die Diskussion doch schon lange beantwortet sei. Bio gehöre ohne Wenn und Aber in die Sortimente. Der umsatzstärkste Bio-Vollsortimenter ever hatte das bereits gelernt!

Die Kaufleute kennen ihre Kunden und deren Bedürfnisse und suchen nach Bio-Anbietern. Wo es schwierig wird, bei Bio-Backwaren im Vorkassenbereich, Frische bei Fleisch/Wurst und Schinken, Käse und noch mehr Obst + Gemüse sollten möglichst regionale Kooperationen gefunden werden. Auch im Trockensortiment fehlt es an Vielfalt und manche Teile sind noch vollständig vernachlässigt, wie beispielsweise Süßwaren, TK oder auch WPR und Naturkosmetik und -Pflegesysteme.

Erich Margrander

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