Bio-Ukraine: Verarbeitung gewinnt an Bedeutung
Neues Ökolandbau-Gesetz und nationales Bio-Logo

Die ukrainische Ernährungswirtschaft emanzipiert sich schrittweise vom Fokus auf Agrarrohstoffe. Verarbeitete Spezialitäten gewinnen an Bedeutung im Heim- und Exportmarkt. Die Einführung des gesetzlich geschützten Bio-Logos ist dabei von Nutzen.
Nach einem mehrjährigen Entwicklungs- und Umsetzungsprozess ist seit dem vergangenen Jahr das ukrainische Gesetz zum ökologischen Landbau etabliert. Auf dieser Grundlage können sich seit Mitte August 2023 die Betriebe in der Ukraine zertifizieren lassen. Angesichts der kriegsbedingt bereits stark eingeschränkten finanziellen Reserven war Unterstützung willkommen, wie Stefan Dreesmann, Projektleiter der ‚Deutsch-Ukrainische Kooperation Ökolandbau‘ (COA Ukraine) weiß: „In dieser kritischen Situation konnten wir Ende 2023 rund 75 Biobetriebe dabei unterstützen, ihre Biozertifikate nach der ukrainischen Verordnung zum ökologischen Landbau zu finanzieren. Zuvor haben wir Mitte 2023 bereits 115 Biobetrieben in der Ukraine dabei helfen können, ihre Bio-Zertifikate nach der EU-Verordnung zum ökologischen Landbau zu finanzieren.“
© Deutsch-Ukrainische Kooperation Ökolandbau (COA Ukraine)
Ukrainisches Bio-Logo verstärkt Wahrnehmung
Die Einführung eines auf den verarbeiteten Bioprodukten sichtbaren offiziellen Bio-Logos verstärkt die Wahrnehmung von ukrainischen Spezialitäten in Bioqualität, in den heimischen Verkaufsregalen ebenso wie beim Aufbau der Exportvermarktung. Das ukrainische Agrar- und Ernährungsministerium fördert die Biovermarktung mittels der staatlichen Agentur ‚Entrepreneurship and Export Promotion Office‘, zusammen mit ukrainischen Branchenorganisationen wie der ‚Organic Initiative‘ und internationalen Kooperationspartnern. Wichtige Player sind neben der COA Ukraine das ‚Quality Food Trade Program‘, das durch die Schweiz finanziell und durch langjährige Partner wie das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) fachlich unterstützt wird. Heute arbeitet das FiBL weitgehend mit einem eigenständigen ukrainischen Fachteam.
Erfolgsgeschichten erzählen und unterstützen
Der Organic Initiative ist es gelungen, elf Partner aus neun Ländern zu gewinnen. Im Rahmen ihres Förderprogramms ‚Support to the Organic Sector of Ukraine‘ für den Zeitraum 2022 bis 2023 wurden über 130 Zuschüsse an Mikro-, kleine und mittlere Bio-Unternehmen vergeben, insgesamt über 440.000 US-Dollar. Wie und wo die Unterstützung konkrete Wirkung erzielt, lässt sich in 22 Kurzgeschichten von Bioproduzenten aus der Ukraine nachverfolgen. Viele der Unternehmen sind direkt oder indirekt durch den russischen Angriffskrieg in Mitleidenschaft und kämpfen mit entsprechenden Schwierigkeiten. Ihre Betriebe wurden in den Jahren 2022 bis 2023 durch finanzielle Zuschüsse der Schweiz und anderer Geber unterstützt. Hinzuweisen ist auch auf die große Unterstützung der ‚Zukunftsstiftung Landwirtschaft‘ aus Deutschland in Zusammenarbeit mit der COA Ukraine. Dort wurden seit Anfang des Krieges mittlerweile fast eine Million Euro zur Förderung der ukrainischen Biobetriebe gesammelt.
Anuga mit ukrainischen Bio-Auftritt
Die Präsenz an internationalen Fach-Messen und -Kongressen ist derzeit besonders wichtig. Vom 7. bis 11. Oktober 2023 war die Bio- und Molkereibranche der Ukraine mit zwölf Unternehmen zum ersten Mal bei der Anuga in Köln vertreten. Das Amt für Exportförderung hat die Teilnahme im Rahmen des Förderprogramms ‚Diia.Business‘ und unter der Schirmherrschaft des ukrainischen Agrarministeriums ermöglicht. Darüber hinaus wurden im Ausstellungsbereich Bio-Supermarkt im Rahmen der Anuga Organic 2023 folgende Bioprodukte präsentiert: Sonnenblumenöl, Apfelsaft, Fruchtpüree, gefrorene und gefriergetrocknete Beeren, Beerenpasten, Walnüsse, Milch, fermentierte Milchprodukte, Hartkäse, verschiedene Getreidesorten, Flocken, Mehl und Honig.
Ukraine bereit für die Biofach 2024
Mit der Biofach steht vom 13. bis 16. Februar 2024 ein weiterer Fixpunkt unmittelbar bevor. Gemäß Stand Ende 2023 werden dort rund 30 ukrainische Unternehmen vertreten sein. Der ukrainische Exporteur Ukr-Walnut präsentierte seine blanchierten Bio-Walnusskerne schon bei der letzten Messe-Ausgabe und konnte so seine Präsenz auf dem EU-Markt bestätigen. „Als zertifiziertes Bio-Unternehmen ist die Biofach eine wichtige Spezialmesse für uns, an der wir schon wiederholt teilgenommen haben“, gibt Volodymyr Chuba als Direktor des Unternehmens Auskunft.
Die Agroindustrial Group Arnika (Arnika Organic) ist einer der größten Produzenten und Exporteure ökologischer landwirtschaftlicher Produkte in der Ukraine und einer der größten Bio-Betriebe in Europa, was die zertifizierte Fläche angeht. Das Unternehmen nimmt seit mehr als sechs Jahren als Besucher und Aussteller an der Biofach-Messe teil und bringt jedes Jahr mehr und mehr Erfolge mit nach Hause.
Anastasiia Bilych, Fachfrau mit PhD in ‚Sustainable Development in Agribusiness‘ und Marketing- und Nachhaltigkeitsverantwortliche bei Arnika Organic, betont die große Bedeutung der vielfältigen Wege zum Erfolg, die Platz für unterschiedliche Konzepte bieten: „Sehr oft wird der Ukraine, insbesondere dem Bio-Sektor, die Notwendigkeit des einen oder anderen Entwicklungsweges zugeschrieben. Die Notwendigkeit, Produkte mit höherem Mehrwert zu entwickeln, ist ein verständliches Postulat, aber es sollte mit dem Volumen der Bruttoproduktion, dem Inlandsverbrauch und der weltweiten Nachfrage nach diesen Produkten korreliert werden. Der ukrainische Agrarsektor ist historisch und klimatisch bedingt für die Entwicklung eines großen Agrarunternehmens prädestiniert, da er über alle dafür notwendigen Voraussetzungen und das wichtigste aller Güter, den Boden, verfügt. Gleichzeitig ist dieser Sektor so digitalisiert, dass die Technologien, die in seine Produktion investiert wurden, mit jeder Tonne an Produkten auch exportiert werden. Dies gibt uns die Möglichkeit, mit den am weitesten entwickelten Ländern der Welt zu konkurrieren, die ebenfalls Nettoexporteure von Agrarprodukten sind. Gleichzeitig entwickeln sich im Agrarsektor auch Waren mit höherer Wertschöpfung, die ihren Platz in den heimischen Regalen finden und, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, in Länder exportiert werden, in denen sie Wettbewerbsvorteile haben.“
Peter Jossi
Der russische Krieg hat die ukrainische Wirtschaft, insbesondere den Agrarsektor, vor große Herausforderungen gestellt. Ukrainische Bio-Marken beweisen trotz allem ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt. Ihre Erfolgsgeschichten auf http://brandstory.com.ua sind Inspiration für andere landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen, die eine Umstellung auf den ökologischen Landbau erwägen.