Start / Ausgaben / bioPress 113 - Oktober 2022 / Bio holt die Zuckerbäckerei heim

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Bio holt die Zuckerbäckerei heim

Was tut sich auf dem Bio-Backzutatenmarkt?

Bio holt die Zuckerbäckerei heim © Biovegan

Bitte gesund: also möglichst wenig süß und am liebsten zuckerfrei! War das Bio der Reformhäuser einst zu sehr von Askese statt Genuss geprägt, um auch Tortenguss, Schoko-Kuvertüre und bunte Zuckerstreusel zu vermarkten, hat sich die süße Bäckerei mittlerweile längst auch in Bio-Küchen etabliert. Konventionelle Neueinsteiger und echte Bio-Urgesteine sorgen für eine große Produktvielfalt am Markt. Wer mischt mit und was wird geboten?

Eine noch brandneue Marke finden Bio-Süßgebäck-Liebhaber bei agava von Sonnentracht. Erst seit Oktober 2021 stehen ihre Backzutaten-Produkte in den Regalen von Bio-Fachhandelsgeschäften. „Wir haben die Coronazeit genutzt, um neue Wege zu gehen“, erzählt die Sonnentracht-Chefin Karin Lang.

Ihr Vater ist Gründer der bekannten Bio-Marke Allos aus Bremen, sie selbst stieg 2001 als Produktentwicklerin in den Betrieb ein. 2012 hat sie sich mit ihrem Mann Gerrit Lang selbstständig gemacht und die Sonnentracht GmbH aufgebaut. Neben vielerlei Honig aus der eigenen Imkerei gab es im Sortiment bald andere Süßungsmittel, ob Kokosblütensirup, Reissirup oder Apfel-Dicksaft. „Von Agave bis Zucker gibt es bei uns alles“, so Lang. Auch eine Private Label-Option wird angeboten.

Dass das Thema Zucker von der Bio-Branche lange so stiefmütterlich behandelt wurde, kann die Unternehmerin nicht nachvollziehen. Ein Löffel Honig morgens im Müsli liefere wertvolle Energie zum Wachwerden und bringe den Hirnstoffwechsel in Gang. Verantwortlich am schlechten Image sei die Industrie, die es mit dem Zuckern übertrieben hat. „Wir müssen wieder zu einem normalen Umgang mit Süßungsmitteln zurückfinden“, meint Lang.

agava: moderne Marke liefert Vielfalt

Mit dem neuen Backzutatensortiment ist für die studierte Bäckereitechnologin nun ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Der Zeitpunkt dafür war günstig: Während der Pandemie hätten die Verbraucher das Selberbacken wieder mehr schätzen gelernt – auch als Möglichkeit zum Runterfahren und Entspannen. Außerdem seien sie kreativer geworden und offen für Neues.

Im Produkt-Portfolio von agava finden sie jetzt Mandelkrokant, Mangoflocken, Kakaonibs oder Bio-Lebensmittelfarben, geriebene Zitronenschale, Orangeat und pflanzlichen Ei-Ersatz, Zimtextrakt, Tortenguss und Sahnesteif. Über 40 verschiedene Produkte kommen für den süßen Backzutaten-Markt zusammen. In der nächsten Saison soll die Auswahl um Kuchenglasuren erweitert werden, außerdem soll die Dekomittel-Range mit originellen Alternativen weiter wachsen: etwa tropischen Früchten mit Dekoeigenschaft. Bis auf einige Ausnahmen werden alle Produkte von der Firma selbst entwickelt und auch vor Ort hergestellt und verpackt.

Fürs Erste bleibt die neue Marke dem Fachhandel vorbehalten, für mehr sei das Budget aktuell noch nicht ausreichend. Zunächst wolle man sich darauf konzentrieren, die Verbraucher weiter für agava zu begeistern – mit Hilfe von Online-Marketing, Gewinnspiel-Aktionen, Sampling und Displays. Zu einer Öffnung für den LEH sage man nicht komplett nein, wolle aber erst einmal abwarten, was kommt. „Es wird sich viel tun in der nächsten Zeit – ich bin gespannt!“, blickt Lang optimistisch in die Zukunft.

Lecker’s: Urgestein für Backpulver

Ein wahres Urgestein des Backzutatenmarkts verbirgt sich hinter der Lecker’s Bio Manufaktur GmbH aus dem rheinhessischen Wörrstadt. Bereits 1935 stellte die Familie Lecker im bayrischen Furth im Wald unter ihrem Namen Backpulver – und anfangs auch Gewürze – her. Im Jahre 1997 verkaufte der damalige Firmeninhaber Konrad Lecker mangels Nachfolge den Betrieb an die Wörrstädter BioThek, Tochter der UD Chemie.

Am bekanntesten und der Verkaufsschlager des Unternehmens bleibt das Reinweinstein Backpulver. Dazu kommt inzwischen ein Sortiment von rund 20 Produkten, das Vanillezucker, Geliermittel, Sahnestark, Tortenguss, Orangen- und Zitronenschale, Lebkuchengewürz, Schoko-Kuvertüren, Mandarinen- und Pfefferminzöl umfasst. Eine Neuheit aus diesem Jahr ist der Vanillezucker mit deutschem Bioland-Rübenzucker, der kurze Transportwege und einen geringeren Umweltfußabdruck als Rohrohzucker aus Südamerika garantiert.

Über Bio-Großhändler gelangen die Produkte in den Naturkostfachhandel in ganz Deutschland. Mittlerweile werden sie etwa auch in Australien, Jordanien oder Polen vertrieben. Wachsende Märkte seien Italien und Osteuropa.

Biovegan: Backzutaten im Aufwind

Auch die Biovegan GmbH kann bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken: 1986 wurde sie von Käthe und Claus Henneke im rheinland-pfälzischen Ransbach-Baumbach gegründet. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2003 übernahm die Tochter und studierte Betriebswirtin Nicol Gärtner den Betrieb und baute mit ihrem Mann Matthias A. Gärtner im ökologischen Gewerbepark in Bonefeld ein Verwaltungs-, Lager- und Produktionsgebäude aus Holz, das im Jahr 2015 mit dem Umweltpreis des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet wurde.

Fast 50 Artikel in den Kategorien Backdekoration und Backzutaten umfasst das Sortiment des Produzenten heute. Auf konventionelle Einkäufe muss bei dieser Auswahl nicht mehr zurückgegriffen werden. Bunte Zuckerstreusel im Glas, backfeste Puddingcreme, Sahnesteif, Gelierzucker und natürliche Lebensmittelfarbstoffe gibt es alle in Bio-Qualität. Wie der Name verspricht, sind alle Produkte vegan und es finden sich auch Ei- und Eiweiß-Ersatz sowie etwa pflanzliche Geliermittel aus Agar Agar im Portfolio. Jährlich entwickelt das Unternehmen nach eigenen Angaben bis zu zehn Neuprodukte.

Engagement mit Auszeichnung

2020 wurde die Biovegan GmbH von der Oskar-Patzelt-Stiftung (unter dem Motto ‚Meilensteine setzen‘) mit dem ‚Großen Preis des Mittelstandes‘ für ihre Innovationen und ihr besonderes ökologisches und soziales Engagement ausgezeichnet. Im selben Jahr hat sie das Onlineportal Statista in Kooperation mit dem Wirtschaftsmagazin Capital in der Kategorie ‚Lebensmittel & Kosmetik‘ zu einem von Deutschlands innovativsten Unternehmen gekürt.

Parallel dazu wurden 100 Prozent der Anteile Biovegans von der Stuttgarter Beteiligungsgesellschaft Finexx übernommen, die den strategischen Aufbau des Backzutaten-Herstellers weiter vorantreiben soll. Als neuer Geschäftsführer wurde Marc Oliver Dittrich eingesetzt.

Ein Herzensprojekt der Firma ist die Kooperative ‚VanillAMI‘, die den nachhaltigen Anbau von Bourbon-Vanille auf Madagaskar garantiert. Rund 500 kleinbäuerliche Familien erhalten durch die direkte Abnahmegarantie Biovegans ein faires und gesichertes Einkommen. Seit 2020 ist die Bio-Bourbon-Vanille zudem als erste und bisher einzige mit dem Siegel der Rainforest Alliance zertifiziert.

Im Zuge seines Nachhaltigkeitsengagements verfolgt der Betrieb das Ziel, komplett plastikfrei zu werden. Dafür werden bereits für einige Produkte kompostierbare Verpackungen verwendet, die innerhalb von sechs bis zwölf Monaten verrotten. Paletten-Hauben und Versandtaschen, die früher aus Kunststoff bestanden, wurden durch nachhaltigere Alternativen aus Pappe oder Papier ersetzt.

War Biovegan früher dem Fachhandel vorbehalten, werden heute auch alle namhaften Drogerieketten und der klassische Lebensmitteleinzelhandel beliefert.

Konventionelle erweitern die Auswahl

Dass der Bio-Backzutatenmarkt floriert, zeigt sich auch im Einstieg der konventionellen Branche. Der bekannte niedersächsische Hersteller Ruf hat die Nachfrage erkannt und sein Sortiment um eine Bio-Range erweitert, die inzwischen in puncto Vielfalt an das Angebot der traditionellen Bios heranreicht. Es gibt Kakaonibs, Dekor und Schokostreusel, Mohnfüllung, Orangen- und Zitronenschale, Agartine und Speisestärke, Hefe und Backpulver, Vanilleschoten und veganen Ei-Ersatz, dazu Besonderheiten wie Agavenzucker mit Ingwer und Kokosblütenzucker mit Tonka. Insgesamt sind 25 Bio-Zutaten auf der Homepage gelistet, ein gebündeltes Bio-Sortiment wurde bislang noch nicht zusammengestellt.

Ob andere konventionelle Hersteller mitziehen werden, bleibt abzuwarten. Beim Konkurrenten Pickerd sind als erste Bio-Entwicklungen bisher nur Fruchtpasten zu finden, die zum Verfeinern von Kuchen, Desserts und Eis verwendet werden können. Die neue Bio Bourbon Vanille-Mühle wurde von der Lebensmittelpraxis in der Kategorie Gewürze zum ‚Produkt des Jahres 2022‘ gekürt.

Beim Marktführer Dr .Oetker wurde bereits 2007 ein erstes Bio-Sortiment gestartet, das mittlerweile jedoch wieder eingeschlafen ist. Bis auf ‚Streusel-Spass‘ in Bio-Qualität müssen nachhaltigkeitsbewusste Kunden sich bei anderen Marken und Herstellern bedienen.

Lena Renner

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