Kaffee
Neue Esskultur sucht das Kaffee-Erlebnis
Bio-Kaffee bei Markenherstellern, Regio-Röstereien und Start-ups

Das beliebteste Heißgetränk in Deutschland ist und bleibt Kaffee. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt mittlerweile bei über 165 Litern. Röstereien und Handelsanbieter können das ganze Jahr über mit einer regelmäßigen Nachfrage rechnen. Ein Wandel lässt sich allerdings darin beobachten, dass die Verbraucher viel bewusster nach hochwertigen und ausdrucksstarken Kaffees suchen. Zum anderen achten sie mehr auf die Herkunft – möglichst aus fairem Handel und ökologischer Erzeugung. Zur Auswahl stehen Kaffees von wenigen großen wie von vielen kleinen privaten Betrieben.
Ein Lebensmittel, aber zahlreiche Angebotsformen: Je nach Bedarf kann der Handel seinen Kunden Röstungen für Espresso oder Kaffee und für unterschiedliche Zubereitungsarten anbieten. In Folge der wachsenden Zahl an Haushalten mit Vollautomaten werden neben dem klassischen gemahlenen Kaffeepulver verstärkt ganze Bohnen gekauft. Einige Unternehmen ergänzen die Auswahl mit Kaffee-Pads und Kapseln sowie Instantprodukten.
Dabei legen überzeugte Bio-Anbieter durchgängig Wert auf Qualität. Die Kaffeebohnen dürfen in Mischkulturen unter Schattenbäumen und ohne Pestizide, synthetische Dünger sowie Gentechnik wachsen. Und nur die reifen Kaffeekirschen werden schonend von Hand geerntet. Dazu kommen als ein weiterer Ausdruck von Nachhaltigkeit die inneren Werte, sprich zuverlässige und faire Handelsbeziehungen mit den Kaffeebauern und Kooperativen.
Während konventionelle Ware überwiegend aus Brasilien kommt, liegen die kleinen Bio-Plantagen oft in Peru, Mexiko, Südindien und teils in Afrika, etwa dem Kaffeeursprungsland Äthiopien.
Doch die Herkunft ist nur der erste Schritt. Nur bei einer schonenden Langzeitröstung mit deutlich tieferen Temperaturen als industriell üblich kann sich die angelegte Aromenvielfalt richtig entfalten. Stichwort Aromen: Die geschmacklichen Nuancen beim Zusammenspiel aus über 800 Aromen hängen von den klimatischen Verhältnissen im Ursprungsland ab. Viele Röstereien greifen diesen Aspekt in Form von reinen Bio-Länderkaffees (single origin) oder Plantagenkaffees (single estate) auf.
Fairness
Unabhängig vom Bio-Interesse wächst das Bewusstsein dafür, dass die eigene Kaufentscheidung nicht zuletzt ein gesellschaftspolitisches Zeichen setzt – für bessere Arbeitsbedingungen der Bauernfamilien. Zu oft decken die aktuellen Preise nicht einmal die Produktionskosten, leidet die Gesundheit der Menschen durch den Umgang mit Pestiziden und die körperlichen Strapazen. Der Klimawandel verschärft die Situation immer mehr. Um etwas dagegen zu tun, bevorzugen immer mehr Verbraucher fair gehandelten Kaffee. Andersherum gesagt: Kaffee zählt zu den am häufigsten gekauften Fairtrade-Lebensmitteln.
Eine besonders große Auswahl an Bio & fairen Kaffees bieten das Fair-Handelsunternehmen gepa und der Biokaffee-Pionier Wertform mit der Marke Mount Hagen. Das Fair-Handelsunternehmen bezieht die Bohnen direkt von Kleinbauernorganisationen, denen es nach eigenen Angaben durchschnittlich das Doppelte des Weltmarktpreises zahlt.
Transparenz wird großgeschrieben. So gibt die gepa auf jeder Packung an, von welcher Kaffeekooperative der Rohkaffee kommt. Die Weiterverarbeitung übernehmen mehrere erfahrene Röstereien, überwiegend in Deutschland. Eine Ausnahme machen drei Spezialitäten, bei denen dies aus Gründen der Wertschöpfung für die Erzeuger direkt im Ursprungsland geschieht. Zugpferd im Gesamtsortiment ist der Café Orgánico. Bei seiner Einführung war er der erste fair gehandelte Bio-Kaffee auf dem deutschen Markt. Nach einem aktuellen Relaunch gibt es ihn in neuem Design, Softpack und für Zubereitungsarten vom Filterkaffee bis zur Kapsel.
Während die gepa den fair-Aspekt über ein eigenes Logo (gepa+) kommuniziert, nutzt die Wertform bei ihrer Bio-Range für den fairen Ansatz teils das Fairtrade- und teils das inzwischen gut bekannte Naturland Fair-Siegel. Vor bald 40 Jahren starteten die Hamburger in Kooperation mit einer Kaffee-Farm in Papua-Neuguinea mit einem nach biologisch-dynamischen Richtlinien angebauten Kaffee. Noch immer ziert daher ein Paradiesvogel die Produkte.
Die Wertform selber hat sich zu einem Vollsortimenter mit über 30 Kaffees und Espressi, inklusive von Cappuccino, Instantsorten und Getreidekaffee entwickelt. Mit dabei die 500-Gramm-Packung gemahlen oder ganze Bohnen für den täglichen Bedarf als Favoriten sowie Single Origins aus Peru (demeter-Qualität), Äthiopien und natürlich Papua-Neuguinea für den besonderen Genuss. Mit einem Barista Crema-Blend hat Wertform außerdem den Trend zur Zubereitung mit Siebträgermaschinen aufgegriffen.
In diesen Zusammenhang passen die Spezialitäten von Original Food, die ebenfalls über das Naturland Fair-Siegel den fairen Handel und zugleich natur- und ressourcenschonenden Anbau auf den ersten Blick sichtbar machen. Das Besondere: Es handelt sich um Wildkaffee aus den bedrohten Regenwäldern der geschützten Region Kaffa in Äthiopien. Angeboten werden unterschiedlich starke Röststufen, so dass möglichst viele Kaffeevorlieben angesprochen werden dürften.
Mit dem relativ neuen Nachhaltigkeitssiegel ‚We Care‘ des FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau Deutschland) steht eine weitere Möglichkeit zur Auswahl. Der zugehörige Standard bewertet die soziale und ökologische Verantwortung entlang aller Lieferstufen und beim gesamten Sortiment.
Zu den ersten Siegelnehmern gehört Lebensbaum. Nach und nach werden die Verpackungen jetzt inklusive ‚We Care‘-Logo angepasst und aufgefrischt. Das Kaffee-Sortiment machte den Anfang. Nach dem Bestseller Kaffee Gourmet sowie den zwei zur Linie zählenden Espressi werden mittlerweile die meisten Kaffeeprodukte bis hin zu den Herkunftskaffees im neuen Design ausgeliefert.
Stark
Espresso, der kleine intensive Schwarze mit seiner nussbraunen schaumigen Crema, hat sich in Deutschland fest etabliert. Die einen schätzen ihn vor allem wegen des geringen Säuregehaltes und der guten Magenverträglichkeit, für andere verkörpert er einfach Genuss, Lifestyle und italienisches Flair. Die Auswahl ist dementsprechend groß. Auch Bio-Anbieter haben in der Regel die speziell dafür gerösteten Bohnen fest im Programm, nicht selten als Arabica-Robusta-Blend. Manchmal gibt es zusätzlich gemahlenen oder sogar entkoffeinierten Espresso.
„Wir sehen eine zunehmende Nachfrage nach individuellen, aber auch authentischen, landestypischen Bio-Röstungen“, stellt La Selva Bio-Feinkost mit Blick auf die Marktsituation für Kaffee und Espresso fest. Das Unternehmen mit Heimatsitz in der Toskana hat reagiert und im Herbst die Espresso-Linie relauncht und erweitert. Unter insgesamt vier Neuheiten finden sich der erste original in Italien geröstete Naturland Fair ‚Caffè‘ als Espresso sowie eine in der Toskana geröstete und entkoffeinierte Variante.
Passend zu den klangvollen Namen wie ‚Appassionato‘ oder ‚Elegante‘ (als Kaffee Crema) soll ein QR-Code mit einer Playlist italienischer Musik das Interesse – sicher auch junger Kaffeefans – wecken. Mount Hagen betont bei den Espressi seinerseits zusätzlich die vielseitige Verwendung neben dem puren Tassengenuss für Cappuccino oder Latte Macchiato.
Individuell
Es spricht für sich, dass viele privat geführte kleine lokale Röstereien inzwischen zumindest einen Teil ihrer Spezialitäten in Bio-Qualität anbieten und so die Angebotsvielfalt noch bereichern. Dazu gehört unter anderem Fröhlich aus Stuttgart mit peruanischem Bio-Kaffee, je nach Bedarf als reiner Arabica-Kaffee und als Espresso-Blend mit indonesischem Robusta.
Geröstet werde langsam und in kleinen Chargen, hebt Inhaberin Meike Fröhlich hervor. Der Betrieb verzichtet seit einigen Jahren auf das Fairtrade-Siegel und setzt auf direkt gehandelte Bohnen, das Vertrauen der Kunden und auf garantierte Frische: Sie könnten immer sagen, wann ein Kaffee geröstet wurde. Was ein weiterer genereller Vorteil von kleinen Privatröstereien ist.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Barista Royal aus München. Sie bezögen bei allen Kaffees die Bohnen direkt von den Erzeugern, um auf diese Weise zum einen faire Arbeits- und Einkaufsbedingungen sowie zum anderen hohe Qualität zu gewährleisten. Dabei endet der Anspruch an Fairness und Sozialgerechtigkeit für das Start-up nicht mit dem Verlassen der Herkunftsländer.
Aus diesem Grund bindet Barista Royal teilweise Menschen mit Behinderung in die Produktion mit ein. Abgefüllt werden die täglich frisch gerösteten Bohnen in wiederverschließbaren, aluminiumfreien Standbeuteln. Nach und nach will Barista Royal neben den bisher vier Kaffees und Espressi weitere auf Bio umstellen und zusätzlich in ausgewählten Supermärkten, Kaffee- und Feinkostgeschäften anbieten.
Verpackungsideen
Im Bio-Bereich haben sich anstelle der Vakuumverpackung für die gerösteten Bohnen aus Gründen des Aromaschutzes vielfach Softpacks durchgesetzt. Für Spezialitäten und kleinere Mengen kommen auch Standbeutel zum Einsatz. Eine weitere, echte Innovation gibt es jetzt dank Cofi Loco: Die Siegburger Kaffee-Rösterei füllt in umweltschonenden Mehrweg-Standardflaschen mit Aromadeckel ab.
Cofi Loco röstet und veredelt seit 2015 in traditionellem Verfahren ausschließlich biozertifizierte und fair gehandelte Bohnen, gern auch als reine Single Origins. Bislang bezögen sie mehr als 90 Prozent der Rohkaffees über die gepa und könnten dadurch umfangreiche Sozialstandards und Fairness garantieren, sagt Firmenchef Uwe Prommer.
Das gelte etwa für die Sorten aus Peru und Mexiko, die für ihre Haselnuss- und Schokoladenaromen bekannt und besonders beliebt seien. Für fortgeschrittene Genießer empfiehlt er Kaffee von der Insel Sumatra. Diese wüchsen auf Vulkanböden und zeichneten sich durch ein eher florales Aroma aus, so der Experte. Auch Cofi Loci blickt nach vorn und plant zum einen eine Erweiterung der Kaffeeauswahl. Zum anderen planen sie Cold Brew-Kaffee und andere ready-to-drink-Flaschen.
Verpackungsmäßig hat Uwe Prommer große Nachfüllbeutel im Visier. In diesem Zusammenhang lässt sich nochmal die Rösterei Fröhlich nennen, wo Kunden auf Wunsch eigene Behältnisse zum Befüllen mit Bohnen mitbringen können.
Bio-Kakao für jedes Alter
Lose Bio-Kakaopulver punkten damit, dass es sich um hochwertige und oft Edelkakaos handelt. Die Produkte zur Zubereitung von Getränken werden in den meisten Fällen mit Bio-Rohzucker statt mit billigem Industriezucker gesüßt. Dr. Goerg setzt dagegen bei den Kinderkakaogetränkepulvern Kokosblütenzucker ein. Bei beiden Alternativen geht die Entwicklung eindeutig Richtung Zuckerreduktion. Generell gar keinen Platz in Bio-Kakaos haben künstliche Aromen, Gewürze hingegen manchmal durchaus.
Pure, ungesüßte Kakaopulver ebenso wie feine Trinkschokoladen und Kakaogetränkepulver für Kinder führt zum Beispiel die gepa. Je nach gewünschten Eigenschaften werden schwach (20/22) und stark (10/12) entöltes Kakaopulver verwendet, die das Handelsunternehmen aus unterschiedlichen Ländern in transparenter fairer Bio-Qualität bezieht.
Neben Fachhandelsmarken wie Naturata oder Rapunzel mit einer breiteren Auswahl an Sorten für Kinder und Erwachsenen hat auch die österreichische Handelsagentur Eberlein eine ganze Reihe an Bio-Kakaos mit verschiedenen Kakaoanteilen und Herkünften im Programm. Als Verpackung kann der Einzelhandel zwischen Pappdosen und biologisch abbaubaren Beuteln wählen, wobei auf Wunsch auch abgefüllte Kleinmengen mit Firmen-Logo zu bekommen sind.
Immer wieder für Überraschungen sorgt dagegen Becks Cocoa von Süßwaren Albrecht, die sich auf Criollo und andere Edel-Kakaos in Bio-Qualität und aus fairem Handel spezialisiert haben. Typisch für das äußerst umfassende Sortiment ist der große Teil an mit Gewürzen, Früchten oder anderen Zutaten veredelten Sorten – in solchen Mengen, dass sie den Charakter des Kakaos unterstreichen und nicht überdecken. Die Auswahl reicht von milden Mischungen mit Vanille, scharfen Varianten mit Chili bis zu Hinguckern mit roter Bete.
Bettina Pabel
- Langzeit-Trommelröstverfahren: rund 15 Minuten bei max. 220° C und unter ständiger Rotation für eine gleichmäßige Erhitzung. Bitterstoffe und unliebsame Säuren bauen sich ab. Die angelegten Aromen können sich dagegen richtig entfalten.
- ausdrucksstarke bitter-süße Aromakomponenten, der Säureanteil sinkt, Kaffeeöle treten aus und verleihen den Bohnen Glanz. Stark und intensiv im Geschmack.
Gut zu wissen
- Langzeit-Trommelröstverfahren: rund 15 Minuten bei max. 220° C und unter ständiger Rotation für eine gleichmäßige Erhitzung. Bitterstoffe und unliebsame Säuren bauen sich ab. Die angelegten Aromen können sich dagegen richtig entfalten.
- Italienische bzw. Espresso-Röstung: durch dunklere Röstung entstehen ausdrucksstarke bitter-süße Aromakomponenten, der Säureanteil sinkt, Kaffeeöle treten aus und verleihen den Bohnen Glanz. Stark und intensiv im Geschmack.
- Espresso-Zubereitung: Für die ideale Zubereitung bieten sich Siebträgermaschinen an, wie sie auch die Gastronomie nutzt. Heißes Wasser wird mit hohem Druck für wenige Sekunden durch die fein gemahlenen Bohnen gepresst. Kaffeeöle werden fein emulgiert und das konzentrierte Aroma von einer schönen Crema begleitet. Alternativ eignen sich klassische Herdkannen oder auch Vollautomaten.
- Entkoffeinierter Kaffee/Schonkaffee: Bio-Röster entziehen den Bohnen das Koffein mit natürlicher Quellkohlensäure bzw. CO2 anstatt mit chemischen Lösungsmitteln. Für Schonkaffee (unter anderem von Oekotopia) werden die Bohnen vor dem Rösten nur schonend mit Wasserdampf behandelt. Dadurch sinkt der Gehalt an Reizstoffen, nicht aber an Koffein.Espresso-Zubereitung: Für die ideale Zubereitung bieten sich Siebträgermaschinen an, wie sie auch die Gastronomie nutzt. Heißes Wasser wird mit hohem Druck für wenige Sekunden durch die fein gemahlenen Bohnen gepresst. Kaffeeöle werden fein emulgiert und das konzentrierte Aroma von einer schönen Crema begleitet. Alternativ eignen sich klassische Herdkannen oder auch Vollautomaten.
- Entkoffeinierter Kaffee/Schonkaffee: Bio-Röster entziehen den Bohnen das Koffein mit natürlicher Quellkohlensäure bzw. CO2 anstatt mit chemischen Lösungsmitteln. Für Schonkaffee (unter anderem von Oekotopia) werden die Bohnen vor dem Rösten nur schonend mit Wasserdampf behandelt. Dadurch sinkt der Gehalt an Reizstoffen, nicht aber an Koffein.
Positiv: Laut dem Deutschen Kaffeeverband hat sich der Wachstumstrend von Kaffee weiter fortgesetzt. Im Jahr 2020 legte der Gesamtmarkt um 1,5 Prozent zu. Homeoffice und Lockdown haben vor allem zu einem starken Anstieg des Kaffeekonsums im eigenen Zuhause geführt.
Inzwischen besitzt den Untersuchungen zufolge fast jeder dritte Haushalt einen Vollautomaten zur frischen und portionsweisen Zubereitung auf Knopfdruck. Nicht zuletzt deshalb haben ganze Bohnen besonders zugelegt. Ihr Absatz stieg um 26 Prozent und liegt derzeit bei einem Marktanteil von 37 Prozent. Zum Vergleich: Kaffeepads +6 Prozent, Kaffeekapseln +4, Instantkaffees +5, gemahlener Filterkaffee +0,2. Letzterer bleibt aber weiter mit Abstand das stärkste Segment.
Negativ: Gepa-Einkaufsmanager Kleber Cruz Garcia stellt durch die Pandemie eine Verknappung der Containerschiffe fest, weshalb die Lieferketten empfindlich gestört seien.
Deutliche Preiserhöhungen und Lieferengpässe bei der Beschaffung würden anhalten, schätzt Original Food die Situation ein. Unter weiteren Preiserhöhungen für die Endverbraucher könnte jedoch die Vermarktung von Bio- und Fairtrade -Produkten leiden. Schon diese zwei Stimmungsbilder zeigen, dass die Lage durchaus angespannt ist.