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Bio-Bilanz: Daumen runter

BÖLW bewertet Bundesregierung auf der Grünen Woche

Bio-Bilanz: Daumen runter
BÖLW-Vorsitzender Felix Prinz zu Löwenstein

Bei der digitalen Internationalen Grünen Woche lud der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) im Januar zu einem politischen Pressegespräch. Darin erstellte er der Bundesregierung eine überwiegend kritische Bio-Bilanz. Die drei BÖLW-Vorstände für Landwirtschaft, Handel und Verarbeitung betrachteten verschiedene Politikfelder von der Agrarpolitik bis zum Bio-Recht.

„Wenn es drauf ankommt, kann die Politik beherzt handeln“, stellte Alexander Gerber, der Vorstand Landwirtschaft des BÖLW, mit Blick auf die Corona-Maßnahmen fest. Doch in der Agrarpolitik vermisst er ein solches Handeln noch großenteils. Zwar sei die Förderung von Biobetrieben positiv zu bewerten, ansonsten gebe es aber einen Rückbau an Umweltleistungen und das Höfesterben würde beschleunigt. Richtig wäre es, 70 Prozent der Finanzmittel der GAP an Umweltleistungen zu binden.

Auch für die Gentechnik fällt Gerbers Urteil negativ aus. Trotz des Urteils des höchsten EU-Gerichts, das CrisprCas und Co als Gentechnik einstufte, bleibe Deutschland untätig. Zur Umsetzung des geltenden Gentechnikrechts gehöre, dass diejenigen, die Gentechnik-Gewächse auf den Markt bringen, auch ein Nachweisverfahren anbieten müssen.

Die Forschungspolitik erhielt eine durchwachsene Bewertung: So seien längere Verbundprojekte zu begrüßen, ebenso das Bundesprogramm Ökolandbau, das etwas mehr Fördergelder erhielt. Die Mittel für Bio-Forschung seien jedoch nicht aufgestockt worden und lägen nach wie vor bei unter zwei Prozent der Agrar-Forschungsmittel.

Volker Krause, Vorstand Verarbeitung des BÖLW, stellte der Wirtschaftspolitik eine kritische Bewertung aus. Die regionale Wertschöpfungskette erführe zu wenig Beachtung und es gäbe keine gezielte Unterstützung für Öko-Hersteller. Hier könne sich Deutschland ein Beispiel an Österreich und Dänemark nehmen, wo alle Öko-Hersteller gefördert würden.

Auch die Ernährungspolitik konnte laut Krause nicht überzeugen: Sie beschränke sich auf Sonntagsreden und einzelne Maßnahmen wie den Nutri-Score – der zudem Bio- und Vollwertprodukte diskriminiere. Der BÖLW fordere stattdessen eine kohärente nationale Ernährungsstrategie und eine nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung mit hohem Bio-Anteil in allen öffentlichen Einrichtungen.

Eine durchwachsene Bilanz bescheinigte Marcus Wewer, der beim BÖLW den Vorstand Handel innehat, dem Bio-Recht. Auf europäischer Ebene sei die neue EU-Öko-Verordnung zu begrüßen, die zu Recht noch um ein Jahr verschoben worden wäre. So könnten die wichtigen Detailregeln mit Qualität ausgearbeitet werden. Dagegen sei das deutsche Ökolandbaugesetz bislang nicht an neue Anforderungen angepasst worden. Hier müsse am vorgelegten Entwurf noch viel passieren, damit er Bio stärkt. Wichtig sei etwa, dass der Bund mehr Verantwortung im Bereich der Bio-Kontrolle übernähme.

Die Tierhaltung erhielt von Wewer ein klares Minus. Der Schlachthofskandal im letzten Jahr habe einmal mehr besorgniserregende Zustände aufgedeckt. Die Ziele der Borchert-Kommission müssten energisch weiter verfolgt und zum Erfolg geführt werden. Stattdessen arbeite Julia Klöckner weiter an einem freiwilligen Label, das nur für einen kleinen Teil der Tiere Erleichterung bringen werde. Klöckner müsse jetzt dafür sorgen, dass eine verpflichtende, europäische Kennzeichnung wie beim Ei erfolgt und Bio als höchster gesetzlicher Tierhaltungsstandard weiter seinen Teil zum Umbau beitragen kann.

Der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein erklärte abschließend, die Bundesregierung habe noch keine Antwort auf die großen Probleme unserer Zeit gefunden: auf die Klimakrise, das Höfesterben und gefährdete Wasserreserven. Es fehle eine Politik, die konsequent und kohärent die Weichen auf Bio stellt – vor allem auf Bundesebene. Und es brauche einen Umbauplan, der den Betrieben Planungssicherheit geben kann, sowie einen integrierten Politikansatz, der alle notwendigen Bereiche und Ressorts einbindet.

Lena Renner

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