Ernährung
Von Sauerbier bis Sauerkraut
Lebensmittel haltbar gemacht

Früher waren fermentierte Lebensmittel nicht vom Speiseplan wegzudenken. Denn als Tiefkühltruhen noch nicht zum Alltag gehörten, musste haltbar gemacht und die Vitaminversorgung trotzdem sichergestellt werden. Die meisten Methoden zur Konservierung zerstören aber Vitamine und Mineralstoffe - nicht so die Fermentation. Und verschiedene Studien deuten darauf hin, dass die Produkte auch darüber hinaus dem Körper richtig gut tun.
Geeignete Mikroorganismen, zum Beispiel Milchsäurebakterien, wandeln Lebensmittel so um, dass deren Nährstoffe besser verwertbar werden und sogar neue entstehen – der Weg zu Mineralstoff- und Vitamin-reichen Endprodukten. So kann das Prinzip der milchsauren Fermentation beschrieben werden.
Fermentierte Lebensmittel regen das Wachstum von nützlichen Bakterien im Darm an und unterstützen dadurch eine gesunde Darmflora. Außerdem bestärken wissenschaftliche Studien der letzten Jahre die Annahme, dass einige sekundäre Pflanzenstoffe die unter anderem auch bei der Fermentation freigesetzt werden, eine gesundheitsfördernde Wirkung für den Menschen haben.
Milchsäure tut gut, Milchsäurebakterien noch mehr
In einer Zeit, in der Magen-Darmbeschwerden für viele Menschen zum Alltag gehören und eine gesunde Darmflora als essentiell für die ganzheitliche Gesundheit angesehen wird, werden diese eigentlich traditionellen Lebensmittel immer beliebter. Nicht immer aber sind die entsprechenden Mikroorganismen noch lebendig, wenn das Produkt verzehrt wird. Zum einen nimmt deren Zahl bei Milchprodukten wie Joghurt während der Lagerung ab, so dass der möglichst frisch verzehrt werden sollte. Zum anderen ist es das Ende aller Kulturen, wenn die Lebensmittel am Ende des Herstellungsprozesses pasteurisiert werden.
Trotzdem bleibt dann ein erhöhter Gehalt an Milchsäure und anderen hitzeresistenten Nährstoffen im Produkt zurück. Milchsäure selbst verbessert die Aufnahme von Mineralstoffen wie Kalzium, aus dem Darm und fördert das Wachstum der dort schon angesiedelten Milchsäurebakterien.
Probiotisch für den Darm
Bei den immer mehr in den Regalen zu findenden probiotischen Lebensmitteln muss der Kunde sich über den Zustand der Bakterienkulturen keine Sorgen machen. Diese Produkte enthalten größere Mengen von gesundheitsfördernden, lebenden Mikroorganismen, die aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit den Weg bis in den Dickdarm in aktiver Form überstehen, um sich dort in ausreichender Menge anzusiedeln.
Sie wirken vielen Studien nach gegen Durchfall zum Beispiel nach Antibiotika-Behandlung, stimulieren das Immunsystem und sollen die Konzentration einiger gesundheitsschädlicher Stoffwechselprodukte und krebsfördernder Enzyme im Dickdarm senken. Außerdem werden probiotische Milcherzeugnisse von Laktose-intoleranten Menschen vergleichsweise besser vertragen.
Umami mit Biss
Doch es geht nicht nur um die Gesundheit, sondern auch um den Geschmack. Milchsauer fermentierte Produkte besitzen ein feines Säurespiel mit vielen Umami-Noten. Mit dem japanischen Begriff Umami bezeichnet man einen Geschmack abseits der üblichen vier Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter. Besonders häufig ist Umami in sonst proteinreichen Lebensmitteln zu finden. Dazu kommt, dass fermentierte Produkte in der Regel ihre Textur behalten, Gemüse bleibt also knackig.
Sauerkraut, Kimchi und Co.
Bei milchsaurer Gärung von Gemüse wird dieses zerkleinert und in Salzlake eingelegt. Die Mikrobakterien, die sich auf der Gemüseoberfläche befinden, reichen aus, um die Gärung zu starten. Das läuft bei Zimmertemperatur ab, die Vitamine bleiben erhalten. In Japan gibt es eine spezielle Art der Fermentation genannt Nukazuke: Hier wird Gemüse in Reiskleie und Salz ‚vergraben‘, unter Zugabe von Kombu-Algen-Stückchen und Ingwer.
Eines der international bekanntesten deutschen Nationalgerichte ist durch Milchsäuregärung konservierter Weiß- oder Spitzkohl – das Sauerkraut. Normalerweise gehören zum Sauerkraut nur Kohl und Salz, doch gibt es Varianten mit Wein oder Ananasraspeln sowie Rezepturen mit Kräutern und Gewürzen. Frisches Sauerkraut enthält viele probiotische Milchsäurebakterien und dazu noch hohe Mengen an Vitamin C, Vitamin B12 und Ballaststoffen. Bei Bio-Anbietern wird auf die Zugabe von Zucker, Zuckeraustauschstoffen, Ascorbinsäure und Konservierungsmittel verzichtet – Zusatzstoffe, die große konventionelle Anbieter häufig hinzufügen.
Die Gärung dauert je nach Temperatur zwischen sechs Tagen und drei Monaten, die meisten Hersteller brechen aber den Prozess schon nach sieben bis zehn Tagen ab: Das Kraut schmeckt dann nicht zu sauer und es wird weniger Salz benötigt. Die meiste Ware wird nach der Kurzgärung in der Lake blanchiert, in Dosen oder Gläser abgefüllt und nach dem Verschließen auch noch pasteurisiert. Allerdings prüfen die Hersteller im Labor den Reifegrad und achten auf einen Milchsäuregehalt von mindestens 50 Prozent – die Bakterienkulturen aber sind abgetötet.
Frisch ist besser
Frisches, nicht erhitztes Sauerkraut, daher mit der ursprünglichen Menge der gewachsenen Milchsäurebakterien, gibt es auf dem Wo- chenmarkt und in Naturkostfachgeschäften und Reformhäusern. Wenn Anbieter bei ihren Gläsern oder Beuteln auf das Erhitzen verzichten, dann ist dieses Frisch-Sauerkraut kühlpflichtig. Einen besonderen Weg geht der Hersteller Nordseeküstengenuss: Dessen Demeter-zertifiziertes Bioaktives Frischsauerkraut ist im Glas gereift, nutzt also die eigene Verpackung als Gärbehälter.
Auch Demeter-zertifiziertes Bio-Kimchi bietet dieser Hersteller im Glas gereift an. Das koreanische Sauerkrautpendant soll bereits im siebten Jahrhundert entstanden sein. Es unterscheidet sich vom europäischen Sauerkraut durch die Verwendung von Chinakohl und anderen asiatischen Zutaten. Üblich ist der Zusatz von kleingeschnittenem Rettich, Ingwer, Knoblauch, Chilipulver und verschiedenen Gemüsen und Meeresfrüchten der Saison.
Es kann natürlich nicht nur Weiß- oder Chinakohl fermentiert werden. Auch verschiedene andere Kohlsorten, Karotten, Radieschen, Rettich, Rote Bete, Rotkohl, Gurken, Kürbis, Tomaten, Gemüse-Salsa-Mischungen und vieles mehr – die Liste ist lang und wer nicht zu Hause selber fermentieren möchte, der findet eine vielfältige Auswahl an Gläsern gerade bei den Bio-Herstellern.
Säfte in milchsauer
Auch von den Saftherstellern wurde die milchsaure Vergärung inzwischen wiederentdeckt. Sie führt hier nicht nur dazu, dass sich die Kohlenhydrate im Getränk verringern. Zusätzlich vermehren sich nützliche Enzyme, verschiedene Stämme von Probiotika und magenfreundliche Bakterien. Sauerkrautsaft, Rote-Bete-Saft, Möhrensaft und Gemüsemost etwa sind Sorten, die auch milchsauer fermentiert angeboten werden – allerdings der Haltbarkeit wegen pasteurisiert.
Apfelessig
Apfelessig wird aus Äpfeln gewonnen, die zu Apfelwein gären und dann noch einmal zum Essig. Auch hier bilden sich Milchsäurebakterien während der Fermentation. Neben den Vorteilen für die Darmgesundheit wird Apfelessig auch gegen Erkältungen und Entzündungen angewandt. Als probiotisches Lebensmittel sollte Apfelessig in naturbelassener, also naturtrüber und selbstverständlich unerhitzter Form eingekauft werden.
Die fermentierte Milch macht’s
Sauermilchprodukte wie Buttermilch, Dickmilch, Joghurt und Kefir gehören zu den besten Probiotikaquellen. Die ersteren werden aus Milch gewonnen, die durch Milchsäurebakterien fermentiert wird. Natur-Joghurt soll durch seinen hohen Gehalt an probiotischen Bakterien die Darmflora verbessern und gegen Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung oder Durchfall wirken.
Kefir wird traditionell aus Kuh-, Schafs- oder Ziegenmilch hergestellt. Anders als beim Joghurt werden der Milch aber nicht nur Milchsäurebakterien hinzugefügt, sondern dazu die sogenannte Kefirknolle. Dies ist ein Milchpilz, der neben Bakterien auch Hefen enthält. Dadurch wird ein Teil des Milchzuckers in Milchsäure umgewandelt und ein anderer Teil in Alkohol und Kohlensäure. Der Alkoholgehalt im frischen Kefir liegt aber höchstens bei 0,5 Volumenprozent. Kefir enthält noch mehr lebende Milchsäurebakterien als Joghurt.
Molkeerzeugnisse fallen als Nebenprodukt bei der Käseproduktion an, enthalten alle wasserlöslichen Milchbestandteile und sind reich an Eiweiß und Milchzucker. Bei der Herstellung von Hartkäse entsteht Süß- oder Labmolke, bei der Gewinnung von Weichkäse ist Sauermolke das Nebenprodukt. Die entsteht genauso wenn frische Rohmilch einige Tage bei Raumtemperatur stehen bleibt. Pure Molke ist wässrig und hat eine grünlich bis gelbliche Farbe, außerdem verdirbt sie extrem schnell. Daher ist Trinkmolke fast immer mit herkömmlichen Konservierungsverfahren (Pasteurisieren, Pulverisieren usw.) behandelt und die aktiven Mikroorganismen zerstört.
Und was ist mit Käse selbst? Lebende Milchsäurebakterien finden sich in Rohmilchkäse, so unter anderem in Gruyère, Cheddar, Parmesan und Roquefort. Je älter der Käse ist, desto mehr Milchsäurebakterien enthält er.
Fermentiertes Soja
Sojamilch lässt sich genauso fermentieren wie tierische Milch. Es kann also Sojajo- ghurt daraus hergestellt werden. Tempeh entsteht durch die Beimpfung von gekochten Sojabohnen mit verschiedenen Schimmelpilzarten.
Ein etwas spezielles Produkt ist Nattō, ein traditionelles japanisches Lebensmittel aus Sojabohnen. Diese werden ebenfalls gekocht und anschließend durch das Bakterium Bacillus subtilis ssp. natto fermentiert. Dadurch bildet sich ein fadenziehender Schleim um die Bohnen und die Speise bekommt einen starken Geruch. Das japanische Miso enthält außer Sojabohnen auch veränderliche Anteile von Reis, Gerste, anderem Getreide oder Pseudogetreide, sowie Speisesalz.
Fleisch und Fisch gibt’s auch
Bei Fleisch und Fisch spielt Fermentation eine geringere Rolle, aber auch bei diesen Lebensmitteln gibt es Beispiele. So wird die Milchsäuregärung zur Reifung von Rohwürsten wie Teewurst, Salami und anderen Rohwürsten angewendet. Eine fermentierte Fisch-Delikatesse aus Schweden ist der Surströmming, ein in Salzlake vergorener Hering.
Gesundes Brot
Weiterhin wird die Milchsäuregärung zum Brotbacken mit Sauerteig genutzt. Sauerteig bzw. ein Sauerteig-Ansatz entsteht aus Wasser und Mehl (meist Roggen) durch wilde Fermentation, also Fermentation mit in der Umgebung vorhandenen Bakterien. Durch Milchsäurebakterien und Hefen wird der Sauerteig in Gärung gehalten, das dabei entstehende Kohlenstoffdioxid lockert den Teig auf. Die vorhandene Säure sorgt dafür, dass er nicht so schnell verdirbt. Je nach Säuregehalt dessen, was mit Sauerteig hergestellt wird, können die Backwaren deutlich länger haltbar sein als Hefeprodukte und sollen leichter verdaulich sein.
Brottrunk
Der Brottrunk ist eine eingetragene Marke der Firma Kanne Brottrunk GmbH & Co. KG und basiert auf zerkleinertem und mit Quellwasser versetztem Bio-Vollkornsauerteigbrot. Nach mehreren Monaten Milchsäure- gärung wird das Ganze gefiltert und der entstandene Brottrunk direkt abgefüllt. Er bleibt nicht pasteurisiert. Inzwischen gibt es zum Original Kanne Brottrunk noch diverse Varianten, zum Beispiel mit Apfelsaft oder Zuckerrübensirup.
Sauerbier als belgische Spezialität
Die Milchsäuregärung wird auch zur Veredelung einiger Biersorten genutzt. Gerade in Belgien haben saure Biere Tradition, etwa das Lambic, ein spontan vergorenes Weizenbier, für das unvermälzter Weizen verwendet wird. Lambic-Brauer setzen auf Spontangärung; darauf also, dass die Gärung ohne Zufügen von Hefe anfängt. Manchmal kommen Früchte wie Himbeeren, Pfirsich oder Kirschen in den Gärbottich. Die populäre Kirschvariante eines solchen Bieres heißt Kriek. Faro, eine weitere Unterart des Lambic, wird mit Kandiszucker versetzt.
In Deutschland bekannt ist vor allem die Berliner Weiße, ein mit Weizenmalz gebrautes, obergäriges Bier, mit einem Alkoholgehalt von nur etwa drei Volumenprozent. Die ursprünglich in Leipzig beheimatete Original Gose verdankt ihre Säure vor der Gärung zugeführten Milchsäure-Kulturen, dazu kommt eine Prise Salz und direkt mit verbraute Koriandersamen.
Im Trend sind auch alkoholfreie fermentierte Bio-Limonaden, zum Beispiel aus Dinkelmalz.
Kombucha
Kombucha ist ein Gärgetränk, das durch Fermentierung gesüßten Tees mit einer Kombuchapilzkultur hergestellt wird. Durch alkoholische Gärung baut der Kombucha-Pilz den Zucker zu Kohlenstoffdioxid und Ethanol ab. Der Alkoholgehalt variiert dabei zwischen 0,5 und zwei Prozent. Von Bio-Herstellern gibt es Kombucha auch frisch abgefüllt, also nicht pasteurisiert.
Probiotische Nahrungsergänzungsmittel
Probiotische Nahrungsergänzungsmittel gibt es als Kapseln, Tabletten oder als Pulver. Die Kunden können aber auch auf konzentrierte Essenzen aus fermentierten Lebensmitteln zurückgreifen.
Hier macht das enzymatische Fermentationsverfahren die in den natürlichen Rohstoffen enthaltenen Vitamine, Mineralien und Pflanzenbegleitstoffe für den Organismus zugänglich - und es sollen während des Prozesses sogar weitere Mikronährstoffe entstehen, so livQ-Gründer Werner Schuegraf. Die livQ GmbH ist einer der wenigen 100-Prozent-Bio-Hersteller in diesem Bereich und in dem von ihnen entwickelten Propaferm®-Verfahren bieten sie eine kontrollierte Fermentation in einem geschlossenen System – aus 31 Bio-Zutaten.
Elke Reinecke
Fermentation ist die Umwandlung von Lebensmitteln mit Hilfe von Mikroorganismen. Es gibt zwei Arten von Fermentation: alkoholische und milchsaure. Mit Hilfe der alkoholischen Fermentation werden Spirituosen, Wein und Bier hergestellt. Bestimmte Hefen zersetzen hier die Glukose (Zucker in Getreide und Früchten) und produzieren dabei Ethanol. Bei der milchsauren Fermentation wandeln die Milchsäure-Bakterien Zucker in Milchsäure um, was Lebensmitteln einen charakteristischen säuerlichen Geschmack verleiht.
Die Fermentation wird meist entweder durch Zugabe der benötigten Enzyme oder durch Zugabe von Bakterien-, Pilz- oder sonstigen biologischen Zellkulturen gestartet. Bei Bio-Produkten kann der Verbraucher sich darauf verlassen, dass hier keine gentechnisch veränderten Mikroorganismen eingesetzt werden. Wenn die Bakterien oder Pilze bereits natürlich auf den Ausgangsstoffen vorhanden sind, läuft eine spontane Fermentation ab. Gerade in der industriellen Fermentation werden meist Reinzuchtzellkulturen zugegeben, um die Fermentation besser kontrollieren und unerwünschte Nebenprodukte ausschließen zu können.