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Auf die Nuss gekommen
Ortlieb bietet Handel individuelle Lösungen in der Verarbeitung
Ortlieb Vegetables & Nuts in Bensheim hat sich auf das Importieren, Verarbeiten und den Handel von Nüssen und Trockenfrüchten in Bio-Qualität spezialisiert. Durch den Vegan-Trend ist die Nachfrage in den letzten Jahren stark gestiegen. Das spiegelt sich auch im Umsatz wieder, der sich 2015 um 30 Prozent auf 13 Millionen Euro erhöhte. 90 Prozent seiner Produkte tragen das Bio-Siegel.
1974 begann Eberhard Ortlieb mit der Herstellung von Trockengemüse, tiefgefrorenem Gemüse und Obst für die europäische Nahrungsmittelindustrie, darunter Nestlé, Unilever und Dr. Oetker. 1988 startete er mit der Verarbeitung von Haselnüssen in der Türkei. Durch die wachsende chinesische Konkurrenz sei die Produktion von Trockengemüse eingestellt worden, so Ortlieb.
Um den Kunden immer frische Ware anbieten zu können, habe er die Verarbeitung von Nüssen in das Hauptwerk nach Bensheim verlagert. Dort werden alle Nüsse außer Erdnüsse veredelt.
Im Fokus: Haselnüsse
Vor 18 Jahren wurde seine erste Bio-Haselnuss in Aserbaidschan geknackt. Seitdem ist sie das Hauptprodukt von Ortlieb. „Der Produzent ist ein enger Partner von uns geworden“, sagt Ein- und Verkaufsleiter Marko Buljan. Nach dem Sammeln, Trocknen, Knacken, Sortieren und Verpacken der Nüsse vor Ort rollen sie als Rohware mit dem Lkw nach Bensheim. Bei Ortlieb werden sie geröstet, in verschiedene Stückgrößen gehackt oder zu Paste verarbeitet und anschließend in 5-, 10- und 20-Kilo-Gebinden verpackt.
„Wir sind Spezialisten in Sachen Haselnuss, aber unser Sortiment wird ständig dem Markt angepasst und umfasst derzeit neben anderen Nüssen beispielsweise Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne, Reis und einige Superfoods wie Cranberries, Chia-Saat oder Quinoa. Diese Produkte machen aber nur einen geringen Anteil aus“, so Buljan.
Abnehmer der verarbeiteten Produkte sind die Lebensmittelindustrie, Ölmühlen, Bäckereien, Betreiber von Internet-Shops, Müsli-, Schokoladen- und Eishersteller, Abpacker sowie Großhändler in Polen, Dänemark, Norwegen, Schweden, Frankreich und Spanien.
Lohnverarbeitung
„Neben dem Handel und der auftragsbezogenen Verarbeitung eigener Ware spielt die Lohnverarbeitung eine zunehmend größere Rolle für uns. Je nach Kundenwunsch rösten, hacken, blanchieren, hobeln oder vermahlen wir die Nüsse oder verarbeiten sie zu Paste“, sagt Ortlieb. Kunden könnten sich ihre Produkte auch mit Honig, Zucker, Salz oder Gewürzen ummanteln lassen.
„In den letzten Jahren haben wir unsere Stärke ausgebaut, für spezifische Kundenwünsche individuelle und passgenaue Lösungen zu finden. Ein Importeur kam zum Beispiel auf uns zu und fragte nach einer Lösung für seine verklebten sonnengetrockneten Aprikosen. Wir haben kurzerhand eine Maschine weiterentwickelt, mit der wir die Aprikosen voneinander trennen konnten, um sie dann zu verkleinern“, sagt er.
Über 30 Maschinen
Über 30 Maschinen verarbeiten pro Jahr 2.000 Tonnen Nüsse und Trockenfrüchte. Darunter befindet sich auch eine spezielle Hackmaschine, bei der nach dem Hacken das Überkorn über eine Schnecke erneut zugefügt wird. Das Produkt in der gewünschten Größe wird über ein Band in einen Container befördert und zur nächsten Verarbeitungsstation gebracht. Zu kleine Stücke fallen durch ein zweites Sieb und werden unter anderem zu Mehl vermahlen. Ein Ventilator trennt die lose Samenhaut von den Nüssen.
Gegenüber von der Sortier-Anlage, die helle von dunklen Nüssen durch eine optische Kamera trennt, steht seit letztem Jahr ein Röntgengerät. Es erkennt auch kleinste Glasstücke und filtert sie heraus. In wenigen Wochen wird der Maschinenpark um eine neue Paste-Maschine erweitert, die die Nüsse noch feiner zermahlen und zu einer Creme verarbeiten kann.
Liefere ein Importeur schlecht verarbeitete Produkte, helfe trotz aller Technik oft nur noch Handarbeit. Faule Nüsse würden dann auf einem Verleseband von Mitarbeiterinnen aussortiert. „Es ist nicht immer einfach, gute Ware zu bekommen“, sagt Ortlieb. „Deshalb sind wir immer auch auf der Suche nach guten Lieferanten, die ihr Handwerk verstehen und gute Produkte anbieten.“
Noch bietet das Lager Platz für 500 Paletten. Bis Ende des Jahres soll sich die Kapazität durch den Bau einer zusätzlichen Lagerhalle auf dem Betriebsgelände verdoppeln.
Im eigenen Labor werde die Qualität der Nüsse vor, während und nach der Verarbeitung geprüft, erklärt Ortlieb. Für die Qualitätskontrolle und das Qualitätsmanagement ist die Biologin Dr. Driemeyer zuständig.
Zusätzlich untersuchten auch unabhängige Labore die Einhaltung geforderter Qualitätsmerkmale.
Entwicklungsprojekt in Aserbaidschan
„Die Qualität unserer Haselnüsse aus Aserbaidschan ist immer einwandfrei. Das schätzen auch unsere Kunden“, sagt Ortlieb. 30 Frauen sorgten vor Ort dafür, dass auch unter 20 Tonnen Haselnüssen kein Steinchen zu finden sei. Die Schalen der Nüsse würden verbrannt und für die Energiegewinnung und als Dünger für die Äcker genutzt.
Aus der Zusammenarbeit mit dem Betrieb in Aserbaidschan sei nicht nur eine gute Partnerschaft, sondern auch ein Entwicklungsprojekt hervorgegangen. „Wir zahlen den Bauern Prämien, wenn sie zwischen ihren Haselnussbüschen Leguminosen anbauen. Die sorgen dafür, dass der Boden mit Stickstoff angereichert wird und die Nusssträucher kräftiger und weniger anfällig für Krankheiten werden“, so der Geschäftsführer. Die Felder würden jedes Jahr von Ortlieb und der Öko-Kontrollstelle Agreco R.F. Göderz aus Witzenhausen untersucht.
Nächstes Jahr will Ortlieb noch einen Schritt weiter gehen und seine Haselnüsse nach dem Fair-Trade-Standard Fair TSA zertifizieren lassen. Schließlich würden nachhaltig gewonnene und fair gehandelte Produkte immer mehr nachgefragt. Ortlieb: „Von der Zertifizierung profitieren alle: Die Bauern durch höhere Löhne und durch zusätzliche obligatorische Entwicklungsprojekte, unsere Kunden, deren Wunsch nach fair gehandelten Produkten erfüllt wird, und natürlich auch unsere Firma durch den Gewinn neuer Kunden.“
Sina Hindersmann