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Vegan: vom Nischenmarkt zum anerkannten Ernährungsstil

Eine rein pflanzliche Ernährung ist längst im Alltag angekommen und genießt nicht zuletzt bei  jüngeren Menschen einen hohen Stellenwert. Wegbereiter für den Erfolg war und ist die Bio-Branche. Nicht wenige Verbraucher halten die pflanzlichen Alternativen sogar per se für Bio, was jedoch keinesfalls stimmt. Trotzdem: In der Kombination bio + vegan bietet diese Ernährung in der Regel besonders viele Vorteile – für die eigene Gesundheit und die Umwelt.

Der Begriff vegan war vielen Verbrauchern vor ein paar Jahren noch fremd, obwohl es schon vor Jahrzehnten pflanzliche Milch-Alternativen in Bio-Qualität und andere vegane Produkte gab. Das hat sich vollkommen geändert. Die Zahl der Deutschen, die sich vegan ernähren, schwankt je nach Quelle zwischen 0,1 und 1 Prozent der Bevölkerung. Nicht erfasst sind bei diesen groben Schätzungen die vielen Verbraucher, die nicht immer, aber doch immer wieder gern zugreifen. Kein Wunder, schließlich lässt sich der übliche Speiseplan mit Produkten wie Nussmusen, Haferdrinks, Tofu-Varianten und Soja-Cuisine ebenso vielseitig wie geschmacklich reizvoll erweitern.  

Viele Gründe –unterschiedliche Zielgruppen

Zu den vielen möglichen Gründen für einen dauerhaften Umstieg zählen vor allem ethische Motive und der Wunsch, die Gesundheit zu fördern. So sind Veganer – genauso wie Vegetarier – Studien zufolge seltener übergewichtig und von Bluthochdruck, Diabetes Mellitus oder anderen Zivilisationskrankheiten betroffen.

Diejenigen, die tiefer in das Thema eingestiegen sind, verweisen auch oft auf den Umweltaspekt: Immerhin dienen weltweit über 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche dem Anbau von Futtermitteln und stehen daher nicht mehr für Pflanzen zur Lebensmittelproduktion zur Verfügung. Dazu kommen der hohe Wasserverbrauch in der Tierhaltung und Umweltbelastungen durch tierische Ausscheidungen und Emissionen. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass eine vegane Lebensweise im Trend liegt, selbst bei Sportlern und Stars. Und da möchten manche sicher gern einfach dazugehören. 

Im Unterschied zu Vegetariern meiden Veganer nicht nur Erzeugnisse mit oder aus Zutaten, für die Tiere ihr Leben lassen mussten. Vielmehr sind auch Milch, Eier und Honig, inklusive daraus hergestellter Produkte, sowie Lanolin beziehungsweise Wollfett tabu.

Stattdessen spielen Gemüse und Obst in flüssiger, in roher oder in erwärmter Form die Hauptrolle. Danach folgen Hülsenfrüchte und Getreide/ Pseudogetreide. Als Topping stehen Nüsse, Saaten und Pflanzenöle zur Wahl.

Dabei liefern pflanzliche Lebensmittel reichlich Ballaststoffe, die die Darmtätigkeit unterstützen und gut sättigen. Zugleich stellen viele Pflanzen eine ausgezeichnete Quelle für Kalium, Magnesium, Selen und andere Mineralstoffe beziehungsweise Spurenelemente dar. Je nach Pflanzenart lassen sich außerdem essentielle Fettsäuren und Vitamine hervorheben.

Sekundäre Pflanzenstoffe schließlich, kommen sogar einzig in ihren Namensgebern vor. Dazu zählen etwa Glukosinolate, die mit einem geringeren Risiko für Darmkrebs in Verbindung gebracht werden, antioxidative Karotine oder Anthocyane beziehungsweise Polyphenole, die als natürliche Farbgeber Appetit und Genuss fördern.

Die beispielhaft genannten stofflichen Pluspunkte treffen aber nur zu, wenn die Lebensmittel auch entsprechend nährstoffschonend hergestellt werden. Gerade hier wirkt sich Bio-Qualität besonders positiv aus: Abgesehen von so manchen Convenience-Produkten, setzen die Bio-Hersteller auf eine möglichst geringe Verarbeitung.

So überwiegen unter anderem ganz klar native Pflanzenöle sowie  geringere und damit schonende Temperaturen bei Trocknungs- oder Röstprozessen. Genauso findet man nach wie vor viele Vollkornprodukte, die mit einem deutlich höheren Gehalt an Ballast- und Mineralstoffen punkten. Nicht zu vergessen ist der Verzicht auf die Palette an konventionellen Zusatz- oder Verschwindestoffen. Diese erleichtern zwar die Produktion und verbessern manchmal die Haltbarkeit oder Optik, schmälern aber im Endeffekt die positive Bilanz der wertvollen Pflanzenkost. 

Weglassen mit Köpfchen

Natürlich enthalten je nach Tierart auch tierische Produkte entsprechend wichtige Nährstoffe, unter Umständen kann der Körper diese sogar leichter verwerten. Von daher verweisen Skeptiker einer rein veganen Ernährung auf mögliche Nährstoffdefizite.Fleisch und Fleischprodukte gelten zum Beispiel als gute und gut verfügbare Quelle für das blutbildende Eisen.

Häufig genannt wird außerdem der Knochenmineralstoff Kalzium, der sich reichlich in Käse, Joghurt und anderen Milchprodukten findet. Genauso sei durch die Pflanzenkost auf Dauer eine schlechtere Versorgung mit B-Vitaminen und Vitamin D sowie mit essentiellen langkettigen Fettsäuren (Stichwort Neurotransmitter) wahrscheinlich.

Mit einer gut zusammengestellten Lebensmittelauswahl wie sie vor allem eine abwechslungsreiche und saisonale Vollwert-Ernährung bietet, kann man solche Befürchtungen jedoch gut vermeiden.

So gehören Sesam- und andere Ölsaaten, samt der daraus hergestellten naturbelassenen Muse, Amaranth und Quinoa, Hülsenfrüchte, Fenchel, Feldsalat und Trockenfrüchte zu den guten Eisen-Quellen. Wer zugleich ein Glas Vitamin C-reichen Saft  (beispielsweise dunkelrote Beeren, Zitrusfrüchte) genießt, verbessert automatisch die Aufnahme.

Genauso vielfältig gestaltet sich die Auswahl für Kalzium, Magnesium, Phosphor und andere Mineralstoffe. Erneut heben sich Pseudogetreide wie Amaranth und Quinoa positiv ab, gefolgt von Hafer, Nüssen, Sesam oder dunkelgrünem Gemüse inklusive Kräutern. Noch ein Tipp: Wer Gemüse mit nur wenig Wasser dünstet und das Kochwasser mitverwendet, nutzt auch die in Lösung gegangenen Mineralstoffmengen aus. Quasi nebenbei kann man ansonsten mit vielen Mineralwässern zur Bedarfsdeckung beitragen.

Unabhängig davon reichern manche Bio-Hersteller eben-so wie ihre konventionellen Mitbewerber vegane Lebensmittel à la Getreidedrinks oder Frühstückscerealien mit Mineralstoffen und Vitaminen an. Allerdings dürfen Bio-Produzenten keine künstlichen Stoffe zusetzen. Sie statten ihre Rezepturen mit natürlichen Zutaten aus.

Diffiziler wird es bei den anderen Mangelkandidaten. Die Meinungen gehen hier selbst unter Ernährungswissenschaftlern auseinander: Beispielsweise braucht der Körper das fettlösliche Vitamin D vor allem für den Knochenstoffwechsel (zusammen mit Calcium und Phosphor) und für das Immunsystem. Wer sich täglich im Freien aufhält, muss zumindest im Sommer keinen Mangel befürchten – der Körper bildet es mit Hilfe des Sonnenlichts über die Haut selber.

Im Winterhalbjahr kann dagegen eine Supplementierung angesagt sein. Tabletten sind dabei in der Regel hoch dosiert (bedeuten aber eine konstante, kontrollierte Zufuhr). Der Gehalt in angereicherten Lebensmitteln und Nahrungsergänzungen ist dagegen am Tagesbedarf ausgerichtet. Tipp Nr.3: Veganer sollten hier aufpassen, denn zugesetztes Vitamin D (etwa in Getränken oder Müsli) kann auch aus tierischen Quellen stammen.

Diskutiert wird außerdem immer wieder eine ungenügende Versorgung mit dem Spurenelement Jod, das  besonders für die Funktion der Schilddrüse sorgt. Auf der anderen Seite kann auch eine übermäßige Jodzufuhr zu Gesundheitsproblemen führen. Anders als in der konventionellen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, hält sich die Bio-Branche daher mit einer Anreicherung über angereicherte Futtermittel (auf diesem Weg gelangt das Jod in Milch, Fleisch und Eier) und jodiertes Salz in Lebensmitteln zurück.

Verboten ist beides nicht, nur bei Demeter-Lebensmitteln. In jedem Fall muss die Verwendung von jodiertem Salz in der Zutatenliste kenntlich gemacht werden. So können Verbraucher selber entscheiden. Außerdem enthält das in Bio-Produkten gern verwendete Meersalz von Natur aus etwas von dem Spurenelement; Nori und andere Meeresalgen sind sogar so Jod-reich, dass Wissenschaftler vor einem zu häufigen Verzehr warnen.

Bleiben wir maritim: Zu den physiologisch besonders aktiven Omega-3-Fettsäuren gehören DHA und EPA, die vor allem in Kaltwasserfischen vorkommen. Um ihren Bedarf zu decken, steht Veganern anstelle von Fischölen Mikroalgenpulver zur Verfügung – vorwiegend in konventioneller, aber vor giftigen Blaualgen sicherer Qualität. Eine attraktive Ergänzung der Auswahl stellen ansonsten natives Hanf-, Borretschsamen-, Lein-, Raps- und Walnussöl dar.

Cobalamin als größtes Sorgenkind

Als Vitamin B12 bezeichnet man zusammenfassend die Stoffgruppe der Cobalamine, die der Körper unter anderem für die Blutbildung und zum Abbau von schädlichem Homocystein braucht. In diesem Fall erweist sich für Veganer nach bisherigen Erkenntnissen eine Ergänzung tatsächlich als sinnvoll. Sowohl bei Vitamin B12 als auch bei Vitamin D bietet es sich übrigens an, zuvor beim Arzt seinen Blutspiegel bestimmen zu lassen und so überhaupt seinen Status zu erfahren.

Neben zahlreichen Nahrungsergänzungen findet man wiederum entsprechend angereicherte Lebensmittel. Gewisse Cobalamin-Mengen enthalten ansonsten natürlich fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut oder gekeimtes Gerstengras. Da Vitamin B12 über die Mundschleimhaut aufgenommen wird, können vermutlich sogar B12-Zahncreme und Mundwasser zur Versorgung beitragen.

In diesem Zusammenhang noch ein paar Stichworte zu durchaus praktischen Nahrungsergänzungsmitteln: 1. Es handelt sich nicht um Lebensmittel des täglichen Bedarfs; die angegebenen Zufuhrempfehlungen sollten also unbedingt eingehalten werden. 2. Erwähnt sei zudem, dass für Veganer Kapselhüllen aus Gelatine tabu sind und als alternative Quelle für Omega-3-Fettsäuren fallen die Produkte insofern aus, dass es sich in der Regel um verkapseltes Fischöl handelt. 3. Die in der Bio-Branche angebotenen Kapseln haben unter anderem den Vorteil, dass bei der Gewinnung der Nährstoffe garantiert keine Gentechnik im Spiel war.

Auf den ersten Blick

Überhaupt gilt es für Veganer, dass sie beim Einkauf die Augen offen halten müssen. Stammt das zugesetzte Vitamin D vielleicht doch aus Wollwachs? Welcher Trägerstoff wird bei der Verwendung von Aromastoffen oder Vitamin verwendet, etwa Schweinegelatine? Verhindert bei den Gummibärchen Bienenwachs das Aneinanderkleben? Wurden Wein und Essig mit Hilfe von Gelatine, Casein oder Eiklar geklärt? Kam bei Backwaren möglicherweise Cystein zur Mehlbehandlung zum Einsatz? Wohl kein Verbraucher wird sich die Mühe machen, jedes Mal beim Hersteller Antworten auf solche Fragen zu erfragen.

Klarheit auf den ersten Blick bieten hier das Siegel des Vegetarierbundes (V-förmiges Blumensymbol) und der Vegan Society England (Blume). Beiden liegen definierte Regeln zu Grunde, die aber bisher nicht staatlich kontrolliert werden. Glaubwürdig sind aber auch Bio-Hersteller, die auf eine Lizenz zur Siegelnutzung verzichten und stattdessen eine eigene Vegan-Kennzeichnung entwickelt haben.

Bei verarbeiteten Produkten, etwa Suppen, Brotaufstriche, Smoothies oder Konfekt, liegt der Nutzen einer Kennzeichnung auf der Hand. Anders sieht es bei Pflanzenölen, Getreide, Chiasaat und ähnlichen Monoprodukten aus, wo das eigentlich unnötig sein mag. Eine interessante Begründung für vegan-gekennzeichnete Monoprodukte lässt sich aber doch finden und zwar, wenn Veganer von eben solchen Lebensmitteln aufgrund ihrer Nährstoffe besonders profitieren.

Bettina Pabel

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