TCM
Prävention durch gesunden Lebensstil
Kurort Bad Kötzting rückt Gesundheitsvorsorge in den Mittelpunkt
Die 7.000 Einwohner-Stadt Bad Kötzting im Bayerischen Wald ist ein Standort des gesunden Lebensstils. Seit 1991 befindet sich in dem Kurort die erste deutsche Klinik für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Sie verbindet westliche und chinesische Heilverfahren, bei denen eine vollwertige Ernährung mit Bio-Produkten eine zentrale Rolle spielt. Öffentliche Gesundheitsangebote, wie Schulungen der TCM-Ambulanz, bietet das neue Sinocur-Präventionszentrum. Auch der anliegende Edeka Aschenbrenner ist integriert: Durch sein Bio-Angebot lernen die Seminar-Gruppen die Qualität gesunder Lebensmittel zu schätzen.
In direkter Nähe vom Sinocur-Präventionszentrum liegt die TCM-Klinik. Das Konzept des staatlich anerkannten Krankenhauses richtet sich an Patienten mit chronischen körperlichen Grunderkrankungen und psychischen Problemen, deren Beschwerden sich durch Belastungen des Lebens akut verschlechtert haben. Nach einer ganzheitlichen Diagnostik auf Basis der westlichen und traditionell chinesischen Medizin, entwickeln die Ärzte für jeden Patienten ein individuelles Betreuungskonzept. Grundlegend für den dauerhaften Therapieerfolg ist neben Bewegung und Entspannung, etwa durch Qigong, eine gesunde und ausgewogene Ernährung.
Erstes Ziel der TCM: Mitte stärken
Dr. Stefan Hager ist seit 25 Jahren ärztlicher Direktor der TCM-Klinik. Er schätzt den Einfluss einer gesunden Ernährung auf den Genesungsprozess auf zirka 20 Prozent. „Da die meisten Patienten in unserer Klinik eine schwache Mitte, sprich Verdauung, haben, kann ihr Körper zunächst auch die gute energetische Bio-Nahrung nicht richtig aufschließen. Deshalb müssen wir als erstes ihre Mitte stärken, etwa mit bestimmten Essgewohnheiten und chinesischen Kräutern in Form von Tees“, erklärt er. Ziel sei, dass sich die Patienten in ihrer drei- bis vierwöchigen Krankenhausbehandlung vollwertig ernähren und ihre neuen Ernährungspläne Zuhause weiterführen.
„Statt schwer verdaulichem Brot setzen wir beim Frühstück zum Beispiel auf warmen Getreidebrei“, sagt Ernährungsberater Philipp Krumstroh. „Wir bieten sieben verschiedene Frühstücksbreie an, darunter Hirse, Polenta, Hafer, Roggen, Dinkel, Reis und Mais – alles in Bio-Qualität“, ergänzt Chefkoch Thomas Wagerer. 80 bis 90 Prozent der Lebensmittel seien Bio-zertifiziert. Zudem setze er, soweit möglich, auf lokale Hersteller, wie beim Honig. Obst, Gemüse und Molkereiprodukte bezieht er vom Großhändler Innstolz, Trockenprodukte hauptsächlich von Dennree.
Bio-Lebensmittel bringen auch geschmackliche Vorteile mit sich
„Im Gegensatz zu konventionellen Nahrungsmitteln verfügen Bio-Lebensmittel über die nötige Energie, die für die Prävention von Krankheiten benötigt wird. Denn Pflanzen, die ökologisch angebaut werden, müssen sich selbst ernähren und sind daher kraftvoller und energiereicher als jene, die mit Dünger hochgezüchtet werden“, sagt Hager.
„Mit Bio-Lebensmitteln können wir den Patienten außerdem besser vermitteln, dass eine gesunde Ernährung auch geschmackliche Vorteile mit sich bringt“, so der ärztliche Direktor weiter. Daher sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie sich auch nach der stationären Therapie an ihre Ernährungspläne halten. Immerhin gelinge das bei ungefähr 20 bis 30 Prozent der Patienten.
Hauseigene Kräuter-Apotheke
In der hauseigenen Apotheke im Untergeschoss der Klinik köchelt es täglich in den Töpfen auf den Herdplatten. Chinesische Kräuterexpertinnen vermischen bis zu 15 verschiedene Bio-Heilkräuter und kochen sie für drei bis vier Tage vor. „Jeder Patient erhält seine eigene Teekanne, aus der er über den Tag verteilt trinkt. Der Tee reinigt den Körper, da er entsprechend der TCM Schleim, Giftstoffe und Nässe ausleitet“, erklärt Hager. Die 300 verschiedenen Kräuter stammten direkt aus China. Jede Lieferung werde auf Pestizide, Schwermetalle und Pilze geprüft.
Die meisten haben eine Yang-Schwäche
Krumstroh: „Wir erstellen unsere Ernährungskonzepte auf Basis der westlichen und chinesischen Diagnosen. Um die Patienten individuell zu beraten, lassen wir uns außerdem ihre bisherige Ernährungsweise schildern. Die meisten haben eine Yang-Schwäche, das heißt, sie ernähren sich vor allem mit kalten Speisen. Wenn man zu viel Brot, Milchprodukte und Südfrüchte zu sich nimmt, fehlt die Wärme als Verdauungsfeuer.“ Krumstrohs Aufgabe ist es, das Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen.
Durch eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit Berücksichtigung der TCM-Empfehlungen könnten seiner Ansicht nach 80 Prozent der Krankheiten vorgebeugt werden. Ideal seien etwa drei verschiedene warme Mahlzeiten am Tag, statt Speisen aus reinem Brot. „Durch unsere Küche, die ihnen täglich drei warme Speisen und Tees bietet, fehlt es den Patienten an nichts – sie fühlen sich ausgeglichen“, so Krumstroh.
Tagessatz für Lebensmittel: acht Euro
„In herkömmlichen Krankenhäusern bekommen die Patienten sehr viele Speisen aus Tiefkühlprodukten sowie andere energiearme Speisen und wenig, was zur Energieerhöhung beiträgt“, beklagt er. „Unser Tagessatz für Lebensmittel ist mit acht Euro doppelt so hoch wie in einer anderen Klinik, die zuerst am Essen und Personal spart.“
Gesunde Lebensmittel seien nicht nur Teil der Therapie in der TCM-Klinik, sondern stellten generell ein Hauptkriterium bei der Bewertung eines Krankenhauses dar. „Zwar können sich unsere Patienten ihr Essen nicht aussuchen, trotzdem haben wir eine sehr gute Resonanz“, so Hager.
TCM-Küche
Frühstück gibt es als Büffet, Mittag- und Abendessen werden individuell serviert. Bei der Zubereitung der Gerichte brauche Wagerer durch die Bio-Lebensmittel weniger Gewürze, da sie einen kräftigeren Eigengeschmack hätten als konventionelle, erklärt der Küchenchef.
„Manche Patienten vertragen keine Laktose, Fruktose oder Gluten, einige bekommen Schon- oder Diabeteskost. Andere ernähren sich vegetarisch oder vegan“, sagt er und zeigt auf die Ernährungspläne an der Küchenwand.
Ideal ist eine halbvegetarische Kost
„Der Durchschnittsbürger nimmt 20 bis 25 Prozent zu viel tierisches Eiweiß zu sich. Es ist in Fleisch, Wurst, Milch, Käse und Eiern enthalten. Eine halbvegetarische Kost würde die Eiweißüberfrachtung sowie die Giftstoffbelastung schon deutlich reduzieren, abgesehen davon, ob sie biologisch ist oder konventionell. Die in der Tierzucht verwendeten Pestizide im Futter lagern sich leider bevorzugt im Fett der tierischen Produkte ab, da sie fettlöslich sind, und werden so auch leider in verschiedenen Fettstrukturen wie in den Zellwänden des Menschen eingelagert“, erklärt Hager.
„Übrigens empfehlen auch die Chinesen, nicht jeden Tag Fleisch zu essen. Denn es begünstigt Entzündungsprozesse“, ergänzt Krumstroh. Seitdem er seine Ernährung auf TCM und Bio umgestellt habe, sei er als Allergiker und Neurodermitiker fast erscheinungsfrei. Hager ist sich sicher: „Wer Bio-Produkte zu sich nimmt, vermeidet viele unnötige Belastungen.“
Sina Hindersmann