Naturkostgroßhandel
Heimat zum Anbeißen
Bio-Pionier Peter van Leendert übergibt Bio-Großhandel an die nächste Generation
© bioPress, EM
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Jan-Paul van Leendert, Charles Pulskens und Geschäftsführer und Inhaber Peter van Leendert vermarkten regionale Produkte von und für die Region Rhein-Maas/Niederrhein.
Seit 19 Jahren betreibt Peter van Leendert den gleichnamigen Naturkostgroßhandel am Niederrhein. Der Bio-Pionier war in den 70ern Mitgründer einer der ersten Verbrauchergenossenschaften für ökologisch produzierte Lebensmittel in Deutschland. Später bewirtschaftete er einen eigenen Betrieb nach Demeter-Richtlinien und gab sich schließlich ganz der Vermarktung regionaler Produkte von und für die Region Rhein-Maas/Niederrhein hin. In Zukunft werden sein Sohn Jan-Paul und sein langjähriger Mitarbeiter Charles Pulskens den Betrieb leiten.
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Ausschlaggebend für seine Entscheidung, einen Bio-Großhandel zu gründen und nicht die geplante Lehrerlaufbahn einzuschlagen, sei die Insolvenz von Kornkraft in Krefeld gewesen, dem ersten Naturkostgroßhandel in Deutschland. Peter van Leendert, der einige Jahre zuvor begann, eigene Bio-Produkte sowie die regionaler Erzeuger zu vermarkten und diese auch selbst auf seinem Marktstand in Krefeld anzubieten, habe sich für das, was am Niederrhein entstanden war, verantwortlich gefühlt.
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Sein erstes Lager schlug er für ein halbes Jahr im Innenhof eines landwirtschaftlichen Betriebs in Kaarst auf. Danach pachtete er eine Maschinenhalle in Straelen, die er mit Kühlhäusern ausstattete. 13 Jahre später wurde es auch dort zu eng. Es verschlug ihn in den Nachbarort Kerken. Die Lagerhalle mit den verschiedenen Kühlräumen misst rund 500 Quadratmeter. In der neu errichteten Etage darüber befindet sich ein Büro, das er sich mit seinem Team teilt.
Sortimentsvielfalt
Heute beliefert der Naturkostgroßhandel Peter van Leendert 90 Bio- und Hofläden, Bio-Märkte und Direktvermarkter in der Region mit Obst, Gemüse, Eiern, Käse und Milchprodukten von 60 Erzeugern und mit Erzeugnissen aus der Region. „Fast alles ist Verbandsware von Bioland, Demeter oder Naturland“, sagt Jan-Paul van Leendert. Das gelte bedingt auch für die Importware, die pro Jahr zwischen einem Fünftel und einem Drittel der Ware ausmache. Sie sei unverzichtbar, um ein Frische-Vollsortiment abbilden zu können.
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„Wir beziehen viele Produkte von der sizilianischen Demeter-zertifizierten Landbau- kooperative Salamita, andere vom italienischen Festland, aus Spanien, Frankreich, Israel und in seltenen Fällen aus Übersee – jedoch nur Schiffsware.“
Allein 14 Kartoffel- und 40 Apfelsorten gibt das breite Sortiment her. „Auch wenn wir von einer Sorte nur fünf Kisten bekommen, vermarkten wir sie“, erklärt Peter van Leendert. Er nehme auch neue Produkte in seinen Handel auf. Regelmäßig seien rund 200 Artikel im Durchlauf.
„Wir bestellen nur die Mengen eines regionalen Produkts beim Erzeuger, die unsere Kunden zuvor geordert haben. So landen das Obst und Gemüse vom Acker direkt am Tag der Ernte oder über Nacht bei ihnen. Hier wird nur gelagert, was auch lagerfähig ist“, sagt er.
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Auf die selbstgemachten Hofprodukte, wie den Zuckerrüben-Sirup und Rote-Bete-Ketchup vom Schanzenhof, ist er besonders stolz. „Die Landwirtin hat unseren Ladnern den Ketchup letztes Jahr bei unserer Hausmesse vorgestellt. Das Interesse war groß. Ich habe ihr Mut zugesprochen, das Produkt weiterzuentwickeln. Jetzt ist es eines von 16 Artikeln, die zum ‚Demeter-Produkt des Jahres‘ gewählt werden können", sagt der 59-Jährige.
Vor fünf Jahren belegte der alkoholfreie ‚Appléritif Apfel & Rose‘ von Rolf Clostermann den ersten Platz bei dem Wettbewerb und wurde auf der Biofach ausgezeichnet. Auch dessen neues ‚Apfel-Rosen-Kraut‘ ist über Peter van Leenderts Großhandel beziehbar.
Im letzten Jahr verzeichnete er einen Umsatz von 4,5 Millionen Euro. Sein Unternehmen sei stetig gewachsen, Werbung habe er aber nie gemacht. „Zuerst haben wir nur die Hofläden unserer Erzeuger beliefert, aber dann kamen Anfragen von Bioläden dazu. Die gute Qualität unserer Produkte und die Vermarktung zu fairen Preisen haben sich schnell herumgesprochen“, sagt Peter van Leendert. „Die meisten Erzeuger haben auch andere Abnehmer, wollen aber in der Regel über uns vermarkten, weil der persönliche Kontakt ziemlich eng ist.“
Dieser werde auch durch ein assoziatives Arbeiten und meist jährlich stattfindende Erzeugertreffen gepflegt, bei denen Anbauhinweise gegeben und Absprachen getroffen werden sowie aktuelle Themen, wie etwa Saatgutpflege, Hofnachfolge oder die Sicherung von Anbauflächen besprochen werden. Durch die Abstimmung und den Austausch untereinander habe sich der Niederrhein positiv entwickelt.
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Seit ein paar Jahren vermarktet Peter van Leendert mit seinem Team zusätzlich Produkte aus dem Raum Aachen und der niederländischen Region am Fluss Maas. „Regional ist für mich das, was im Umfeld einer Vermarktungsstelle wächst“, sagt er. Politische Grenzen seien nicht sein Maßstab.
Das gesunde Wachstum habe nach und nach mehr Mitarbeiter erfordert – von Anfang an seien noch alle dabei. Heute arbeiten 14 Personen eigenverantwortlich zusammen, darunter sechs Fahrer und sechs Kommissionierer. Seinen Sohn Jan-Paul zog es vor einem halben Jahr ins Unternehmen. Als Quereinsteiger.
Als sein früherer Arbeitgeber vor zehn Jahren Kurzarbeit anmeldete, eröffnete der gelernte Schreiner einen Stand auf dem Krefelder Markt. „Durch Zufall habe ich dieselbe Standfläche bekommen, die mein Vater früher hatte“, sagt er und schmunzelt. Kurz darauf war er auf zwei weiteren Märkten vertreten.
Auf dem ehemaligen Hof seiner Eltern, die es vor einiger Zeit in die Stadt zog, erntet er heute sein eigenes Obst und Gemüse. „Wir bauen auf zwei Hektar nur so viel an, wie wir selbst vermarkten können. Ein Teil wird aber auch über unseren Großhandel vertrieben“, sagt er. Seinen Abokisten-Betrieb habe er eingestellt, um seinen Vater besser unterstützen zu können.
Nachfolge
Mit dem gelernten Agraringenieur Charles Pulskens wird er den Großhandel nach und nach übernehmen. „Vieles ist gut so wie es läuft. Unsere Stärke liegt vor allem in den persönlichen Beziehungen zu unseren regionalen Bauern“, hebt Jan-Paul van Leendert noch einmal hervor. Im Gegensatz zu seinem Vater sei es für ihn denkbar, den Betrieb bei Bioläden vorzustellen.
Die Idee, in Zukunft auch andere inhabergeführte Lebensmittelmärkte zu beliefern, sei auf dem letzten Erzeugertreffen angesprochen und unterschiedlich bewertet worden, so Peter van Leendert. Daher werde sie noch weiter verfolgt.
Nach wie vor sollten ihre Produkte zu gerechten Preisen angeboten werden. „Ich stehe hinter dieser Philosophie“, so Pulskens. „Viele wollen günstige Produkte. Aber billig entspricht nicht unseren Qualitätsansprüchen. Wir wollen an erster Stelle gerechte Preise für unsere Erzeuger, auf deren hochwertige Qualität wir uns so verlassen können“. „Wir müssen nicht wachsen, aber wir können es. Langsam und gesund“, pflichtet ihm sein künftiger Geschäftspartner bei.
Ganz zurückziehen will sich Peter van Leendert aber nicht aus der Bio-Welt. „Meine Vorstellungen für heute und die Zukunft sind, Erzeuger und Konsumenten unserer Region zu vernetzen und durch assoziatives Handeln die Entwicklung vieler noch junger Initiativen des ökologischen Landbaus zu stärken und den Landwirt und seine Fähigkeit, mit der Erde zu arbeiten, zu unterstützen. Denn wenn wir alle unser Bewusstsein bündeln, können wir viel mehr bewegen.“
Sina Hindersmann