Demeter
Freier Bauer sucht freien Händler
Demeter setzt Wertschätzung künftig an erste Stelle
Demeter arbeitet an einer neuen Strategie im Handel. Der Verband mit Sitz in Darmstadt will den Vertrieb künftig an der Qualität der Zusammenarbeit und nicht mehr wie bisher an Vertriebskanälen ausrichten. Die Wertschätzung innerhalb der Prozesskette von Landwirtschaft bis zum Handel soll künftig der Maßstab sein. Ab 2016 sollen die Regeln erprobt werden.
„Forschung, Landwirtschaft, Hersteller, Handel und Konsumenten vereint Demeter als Mitglieder und bildet im Verband die gesamte Wertschöpfungskette ab. Bei anderen Verbänden sind die Hersteller nur Lizenznehmer“, sagt Demeter-Vorstand Klemens Fischer. Der biologisch-dynamische Verband ist deshalb prädestiniert für eine Strategie über die gesamte Lieferkette.
„Das Format der Verkaufsstelle ist nicht entscheidend, sondern wie wir miteinander umgehen. Innerhalb der Wertschöpfungskette muss eine gute Zusammenarbeit bestehen. Am Ende kann Grün (Bio-Laden), Blau-Gelb (Edeka) oder Rot (Rewe) stehen“, betont Fischer. Die Wertschätzung für die Wirtschaftsweise von Demeter und der einzelnen Partner in der Wertschöpfungskette rückt ins Zentrum der Vermarktung.
Demeter unterscheidet sich in den Richtlinien von anderen Verbänden. H-Milch, Homogenisierung der Milch und Nitritpökelsalz (NPS) bei Wurst sind nicht gestattet. Die Produkte sind also anders und einzigartig.
Üblicherweise dominiert bei den Jahresgesprächen der mächtige Handel über die schwächeren Hersteller. Für die Verbraucher bedeutet das niedrige Preise, für die Bauern ebenso. Für den Bauern bleibt dann zu wenig, um unsubventioniert über die Runden zu kommen.
Die Demeter-Landwirtschaft erzeugt Qualität und braucht angemessene Preise. Die Dorfkäserei Geifertshofen zahlt mit rund 60 Cent einen der höchsten Milchpreise in Deutschland. Die lange gereiften Käse haben Kilopreise von rund 25 Euro für den Endverbraucher. Solche Beispiele sind die Ausnahme und bestätigen die Regel.
Billig geht zu Lasten der Natur
„In der Landwirtschaft gehen billige Preise zu Lasten von Natur und Tier. Der Rohstoff des Demeter-Bauern soll einen nicht verhandelbaren Mindestpreis haben“, erläutert Fischer. Die langgezogene Lieferkette in Bio mit Prozent-Kalkulation sorgt allerdings für hohe Endpreise, die der Verbraucher als unerschwinglich empfindet. Die Aufschläge der Rohstoffhändler, Verarbeiter, Hersteller, Fachgroßhändler, Großhändler und Einzelhändler erfolgen prozentual. Zu viele Stufen machen die Produkte zu teuer. Da muss mit festen Aufschlägen oder kürzeren Lieferketten gearbeitet werden. „Der Paketdienst ist der neue Logistiker“, meint Fischer.
Im Naturkostfachhandel geht die Entwicklung seit Jahren in Richtung Filialisierung. Im allgemeinen Lebensmittelhandel geht es von Filialisierung in Richtung Privatisierung. Demeter will künftig die Zusammenarbeit mit dem freien Handel intensivieren, ohne das Geschäft mit den Zentralen der Filialen zu vernachlässigen.
Die selbstständigen Einzelhändler, ob Naturkost oder SEH, treffen eigenständige Sortimentsentscheidungen. Davon profitieren kleine regionale Lebensmittelhandwerker und Bauern. Dabei sind der freie Bauer und der freie Händler die natürlichen Partner. Der freie Händler kann ein Naturkost-Ladner oder ein Edekaner sein. Handel und Erzeuger begegnen sich im Idealfall auf Augenhöhe.
In Baden-Württemberg, einer Hochburg der Antroposophen, arbeitet seit 2014 mit Christian Wüst bereits ein Wertschöpfungskettenmanager, der Bauern und regionalen Handel zusammenbringen soll. Der direkte Weg bringt beiden Seiten bessere Spannen. Bauer sucht Händler. „Das Lokale tritt an die Stelle der Regionalität. Das Regionalfenster ist ohnehin nur eine Pseudo-Aufwertung für konventionelle Ware “, urteilt Fischer. Nach diesem Konzept müssten etwa die frischen Demeter- Suppen der Marke Rose von der Schwäbischen Alb im Großraum Stuttgart den Weg zum Konsumenten finden anstatt national.
Der Hersteller bleibt natürlich Herr seiner Vertriebsstrategie. Demeter-Hersteller Spielberger kann seine Marke exklusiv auf den Fachhandel ausrichten. Demeter-Rohstoffe sind knapp. Der freie Handel wird nicht mit Ware überschwemmt. Der Rohstoff reicht kaum für die bestehenden Kunden. In Deutschland wird kaum umgestellt, da die Politik Exportsubventionen vergibt, statt den Bio-Anbau zu fördern“, stellt Fischer fest.
Der Handel muss Bio abbilden
Jedweder Handel muss heute Bio abbilden. Selbst Aldi Nord, konservativster Discounter im Land, hat sein Bio-Sortiment jüngst erweitert. Bewegt sich der Discounter, reagieren die Vollsortimenter und stocken das Bio-Sortiment auf. Will dort der freie Händler in der ersten Reihe sitzen, braucht er ein besseres Bio-Sortiment als die Regie-Betriebe.
„Der SEH muss sich mittelfristig 20 Prozent Bio-Anteil auf die Fahne schreiben“, blickt Fischer in die nahe Zukunft. Sonst wird er nicht als einzigartige Einkaufsstätte, die sich von den Regiebetrieben abhebt, wahrgenommen. Wer im Wettbewerb bestehen will, braucht ein eigenständiges, an den Standort angepasstes, lokales Sortiment. „Der gute Kaufmann wird den Direktbezug suchen. Bei Bio gibt die Frische mit rund 60 Prozent Anteil den Ton an. Das Trockensortiment ist nicht kriegsentscheidend“, meint Fischer. Das grüne und rote Sortiment sieht er im Blickpunkt. Hier sind lokale Beziehungen zwischen Landwirtschaft und Handel möglich.
Verbindliche Absprachen nötig
Dafür braucht es verbindlichere Absprachen als aktuell. Bei drei Tonnen Hokkaido müsste ein Bauer aus dem Kraichgau mehrere Edeka-Händler rund um Heidelberg oder Karlsruhe finden, die die Abnahme garantieren. Die Logistik könnten die regionalen Bio-Großhändler übernehmen. Klassisch war der Großhändler ein Verteiler von Waren. Die Funktion des Gestalters von Sortimenten ist eine neue Entwicklung.
Auch die Landwirtschaft müsste sich verändern und weniger spezialisiert arbeiten. Der Getreidebauer kann Feldgemüse wie Karotten und Kohl erzeugen. Mehr Sortenvielfalt mit biologisch-dynamischen Gemüsesorten ist möglich, um die Monokultur in den Regalen bio-dynamischer zu machen. Demeter ist auf diesem Weg, auch im Tierbereich mit dem Zweinutzungshuhn und dem Bruder-Hahn-Projekt. Das männliche Küken bei den Legehennen wird hierbei nicht getötet, sondern gemästet und dann geschlachtet.
Der Lebensmittelkultur in Deutschland täten mehr lokale und regionale Demeter-Produkte gut. Jetzt wo ein Lidl im Radio mit Qualität statt mit Niedrigpreis wirbt, ist die Zeit reif.
Anton Großkinsky
Demeter Handelsvertrag für SEH
2002 hat Demeter den Vertrieb auf den qualitätsorientierten Handel ausgedehnt. Der Begriff qualitätsorientierter Handel meint den selbständigen Lebensmitteleinzelhandel. Diese Betriebe können mit Demeter einen Handelsvertrag abschließen, in dem sie sich zur qualitätsorientierten Präsentation und Vermarktung verpflichten. So muss die Beratungsqualität des Personals gewährleistet sein, und die Produkte dürfen nicht unter Wert verkauft werden. Rund 500 selbstständige Kaufleute haben einen solchen Vertrag in der Tasche.
2007 haben Edeka Südwest und Demeter einen Vertrag über die Belieferung mit Molkereiprodukten für die selbstständigen Kaufleute und die Regiemärkte geschlossen. Der Molkerei Berchtesgadener Land war es damals nicht gelungen, die komplette Demeter-Milchmenge im Fachhandel zu vermarkten. Deshalb hat Peter Schaumberger, der damalige Geschäftsführer des Demeter Marktforums, den Deal mit der Edeka Südwest gemacht.