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Editorial

Editorial Ausgabe 81/Oktober 2014, 4. Quartal

Liebe Leserin, lieber Leser!

Welchen Weg geht Bio? Ist es möglich alles regional zu vermarkten? Kann es gelingen, die Märkte in Stadt und Land direkt vom Bauern zu versorgen? Lassen sich die verbliebenen 95 Prozent der konventionellen Flächen auf Bio umstellen? Geht das mit den aktuellen Strategien?

Wir leben derzeit mit dem Spagat zwischen bester bäuerlicher Praxis, die sich mit Chemie durchschlägt, und Bio-Höfen von unter 100 und mehreren 1.000 Hektar. Eine ähnliche Schere hat sich in der Vermarktung aufgetan. Kleine Bioläden sind seit vielen Jahren am Aussterben. Jedenfalls entstehen in den guten Lagen große Bio-Handelsflächen, die eher dem kommerziellen Handel nacheifern und umfangreiche Sortimente anbieten. Die kleinen Flächen bleiben allenfalls in schlechten Einzugsgebieten erhalten. Oder sie streben in Qualität und zeigen sich bewusst als Feinkostgeschäft ohne Anspruch auf Großfläche.

 

Der größere Bio-Umsatzanteil fällt schon heute auf die herkömmlichen Einzelhandelsgeschäfte. Handelsfilialen mit meist einfältigen Bio-Sortimenten konkurrieren mit freien Kaufleuten, die ein breites und tiefes Bio-Sortiment anstreben. Dass die dann keine geeignete Vorstufe für eine professionelle Versorgung finden, behindert die Bio-Vermarktung mehr als alles andere. Eine Trendwende ist in Sicht. Ein Teil des Fachhandels tut jedoch alles, um eine Öffnung hin in den Mainstream zu verhindern. Akzeptiert wird nur, was durch die eigene Ladenkasse fließt. Das geht so weit, dass gesagt wird, 100 Prozent Bio bedeutet das Verschwinden aller Supermärkte und geht hin zu 100 Prozent Bio-Supermärkten.

Solche Vorstellungen sind so grob fahrlässig wie der Glaube der Konventionellen, man könne Bio so organisieren wie zuvor den klassischen Handel! Was nicht passt, sollte nicht die kostbare Zeit verschwenden. Die Landwirtschaft muss in erster Linie umgestaltet werden, sie belastet die Natur, nicht die Handelslandschaft. Der Handel wird auch (s)einen Wandel erleben, da können wir gewiss sein. Wer den Boden retten will und noch einiges mehr, das mit der verkorksten Landwirtschaft einhergeht, muss weiter denken.

Es braucht so viel Allianzen wie möglich, keine Blockaden. Neues Denken ist gefragt. Das hat schon vor 15 Jahren begonnen, als die Biobranche auf den Geschmack kam und Regionalität hoffähig wurde. Mit dem Anspruch auf Genuss-Erlebnisse hat die Biobranche über die verzichtserklärende Fraktion hinaus neue Zielgruppen erreicht. Der konventionelle Handel hat sich beeilt, Regionalität aufzugreifen, um nicht gänzlich abgehängt zu werden. Regionalität, Nachhaltigkeit und Sozial, das kann auch eine Rewe oder Edeka. Sie glauben sogar, das können sie besser. Und wenn die Biobranche nicht aufpasst und sich im Wettrennen um diese Eigenschaften verliert, stimmt das am Ende vielleicht auch noch.

Vom BÖLW kommen immer mal wieder Aussagen, die Bio nicht nur auf Chemiefreiheit reduziert sehen wollen. Andere, ökologische, soziale/faire Bedingungen und das Tierwohl stünden an vorderer Stelle. Gesundheit sei nur nachrangig. Der Eindruck, dass hier zu kurz gesprungen und Ganzheitlichkeit am falschen Ende aufgezäunt wird, lässt sich nicht von der Hand weisen. Schließlich endet doch alles im Wohlergehen der Menschen. Und die zählen schon deshalb mehr, weil sie in der Überzahl sind und wählen können. Die Ökobauern-Führer sollten die Verbraucher ernst nehmen. Nur wenn die ihren Vorteil erkennen, steigen sie um. Sie verhalten sich nicht anders als die Bauern. Im übrigen wird die Rolle der Gesundheit in der Hinwendung zu Bio von Studien bestätigt.

Eines können die Konventionellen nicht. Ohne Chemie auskommen! Wenn sie das erreichen wollen, wird es spannend. Dann würden sie die Grundlagen des Ökolandbaus umsetzen. Was dann? Es ist unausweichlich, dass die Biobranche an einem Strang zieht und alle ins Boot lässt, die Bio wollen. Marktplayer ebenso wie die Verbraucher. Es gilt, Wege der Vernunft zu finden. Warum sollten konventionelle Kaufleute nicht Bio anbieten können? Die wenigsten Verbraucher kaufen nur im Bioladen ein. Selbst gestandene Bio-Vermarkter versorgen sich bei Edeka und Aldi. Steht Bio in deren Regalen, wird gekauft. Das hat Ende der 90er Jahre aus dem Bio-Angebotsmarkt einen Bio-Nachfragemarkt gemacht. Daran sollte die Biobranche anknüpfen.

Erich Margrander
Herausgeber

 

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