Ausland
Bio-Gewürze aus Sansibar
BESH setzt den entwicklungspolitischen Ansatz fort
In Stone Town, der Hauptstadt der Insel Sansibar, hat das Landwirtschaftsministerium des Mutterlandes Tansania eine Niederlassung am Rande eines belebten Marktes. Dort findet der Besucher ein Büro des Lacon Instituts aus Offenburg. Ramadhan Othman sitzt am Schreibtisch an seinem Laptop. Er spricht Deutsch, hat in Bonn Agrarwissenschaften studiert und sich bei Lacon und bei der BESH in die EU-Verordnung eingearbeitet. Jetzt kontrolliert Othman auf Sansibar, der Geburtsinsel von Freddy Mercury, die Bio-Bauern.
Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) aus Baden-Württemberg hat 2013 ein Gewürzprojekt in Sansibar ins Leben gerufen. Ecoland Herbs & Spices, die Gewürztochter der BESH-Gruppe, führt das Projekt durch. In Indien, Serbien und Hohenlohe baut die Erzeugergemeinschaft schon Gewürze an. Nun ist Vorsitzender Rudolf Bühler nach Ost-Afrika gegangen. Einmal im Jahr begibt sich eine Delegation aus Schwäbisch Hall auf die ostafrikanische Insel, um den Anbau in Augenschein zu nehmen. Vorsitzender Rudolf Bühler, Verkaufsleiter Werner Vogelmann, Produktentwickler Dieter Mayer und der technische Leiter Fritz Hessenthaler nahmen das Projekt in Augenschein.
Mit einer Gruppe von 15 Bauern wollte die BESH beginnen. 21 sind es aktuell und einige stehen auf der Warteliste. „Das Interesse bei den Kleinbauern ist wirklich groß“, stellt Bühler fest. Das entwicklungspolitische Ziel lautet: Die Gewürze in Wert zu setzen durch einen Marktzugang außerhalb des globalen Rohstoffhandels mit Agrargütern. „Den direkten Marktzugang bekommen sie in Deutschland über Ecoland Herbs & Spices und erzielen bessere Einkommen“, betont Bühler.
Die Gewürz-Nelken sind berühmt
Die Nelken, eines der wichtigsten Gewürze, haben Bühler nach Sansibar gelockt. Einst war Sansibar Hochburg des Anbaus dieses tropischen Gewürzes. 80 Prozent der weltweiten Erzeugung kamen vor 50 Jahren von der Insel. Nach der Unabhängigkeit verlor die Pflanze ihre überragende wirtschaftliche Bedeutung. Die Nelke stammt ursprünglich von den Molukken, einer indonesischen Insel. Die Araber haben die Gewürzpflanze auf Sansibar eingeführt. Auf Nelken erhebt der Staat Tansania eine Steuer. Das akzeptiert Rudolf Bühler nicht. „Das Geld soll komplett den Bauern zu Gute kommen“, meint der Mann aus Hohenlohe. Auf die anderen Gewürze gibt es diese Abgabe nicht.
Kidichi, ein Landstrich im Herzen der Insel, 25 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt ist das Gewürz-Anbaugebiet. Von der asphaltierten Hauptstraße geht es in einen unbefestigten mit dem Auto schwer befahrbaren Feldweg. Es ist Regenzeit. Pfützen und Matsch erschweren das Vorwärtskommen.
Drei Acres (1,2 Hektar) Land haben die Bauern im Schnitt. Soviel hat jeder nach der Unabhängigkeit 1964 vor 50 Jahren von der Regierung bekommen. Zuvor waren sie Landarbeiter auf den Plantagen der Araber. Das Land ist eingetragen. Die Bauern haben verbriefte Rechte.
Auf den mit Zäunen und Grenzsteinen voneinander getrennten Farmen wachsen hohe, alles überragende und schattenspendende Kokospalmen. Mango, Jack-Frucht, Orangen, Pomelo, Bananen, Avocados, Kaffee und Maniok pflanzen die Bauern. Hühner und ein Rind halten die meisten ebenfalls. Die Landwirte sind Selbstversorger; der Überschuss wird auf dem lokalen Markt verkauft.
Cash Crops braucht der Bauer
Die Hütten und Häuser sind bescheiden. Für ein materiell besseres Leben brauchen die Bauern Cash Crops. Früchte, die auf dem Weltmarkt gefragt sind und Geld bringen. Das sind auf Sansibar Gewürze: Zitronengras wächst unten am Boden. An Bäumchen rankt sich der Pfeffer und die Vanille empor. An Büschen wächst das Sansibar-Gewürz Nummer eins: die Nelke. Die Rinde der Zimt-Bäume ist zum Teil abgeschält und wird zu Stange oder Pulver verarbeitet. „Phantastisch, was hier mit wenigen Mitteln geleistet wird“, begeistert sich BESH-Verkaufsleiter Werner Vogelmann.
Die Bauern verwenden alte Sorten und vermehren ihr Saatgut selbst. „Bei den Gewürzen auf Sansibar gibt es keine Hybridsorten“, teilt Ali Foum, Vorsitzender der Bio-Bauern mit. Die alten Sorten sind den modernen Hybriden überlegen. Sie sind widerstandsfähiger gegen Krankheiten und haben mehr Würzkraft. Der Gehalt an ätherischen Ölen im Pfeffer ist bei alten Sorten doppelt so hoch als bei neuen Züchtungen. Durch die eigene Vermarktung kann Herbs & Spices die Werte zu den Kunden transportieren und in einen besseren Preis umsetzen.
Für die erste Zertifizierung reiste Lacon 2013 aus Deutschland an. Der Kontrolleur traf nirgendwo auf Agrar-Chemikalien noch auf Spritzen, mit denen sie hätten ausgebracht werden können. Da ist noch nichts mechanisiert. Auf dem Feld zeigt ein Bauer Hacke, Spaten und ein Haumesser. Bei sich trägt er permanent sein Buschmesser.
„Die Bauern arbeiten seit vielen Generationen ökologisch. Wir bringen die Zertifizierung. Das sichert Zukunft, damit die Menschen nicht abwandern müssen in die Stadt. Wir streben eine Praxis nach Demeter an“, erklärt Bühler.
Demeter-Zertifizierung angestrebt
Reto Ingold aus der Schweiz ist Berater bei Demeter International. „Ich sehe eine sehr gute Basis für biodynamische Landwirtschaft“, sagt Ingold. Der Demeter-Berater erläutert den Bauern, wie mit den Präparaten die Fruchtbarkeit der nährstoffarmen tropischen Böden verbessert werden kann und die Reife unterstützt wird. Die Bauern sind aufgeschlossen gegenüber der Arbeitsweise und neugierig auf dieses neue Wissen, wie Natur funktioniert. „Demeter ist die höchste Qualitätsstufe. Da wollen wir hin“, sagt Rudolf Bühler. Bio-dynamische Nelken aus dem besten Anbaugebiet ist die Perspektive für Qualitätswurst in Hohenlohe.
Nördlich der Hauptinsel liegt Pemba. Die Nachbarinsel gehört politisch zu Sansibar. Eine Flugstunde mit der Propellermaschine ist Pemba entfernt. Dort war das traditionelle Hauptanbaugebiet für Nelken. 1001 organic, ein junges Unternehmen aus Hamburg, betreibt auf Pemba mit einer Erzeuger-Gruppe ebenfalls Bio-Gewürzanbau. Mit dem deutschen Friedemann Gille ist 1001 permanent auf Sansibar vertreten. Die BESH arbeitet mit 1001 organic zusammen. Die Hanseaten verfügen über ein Lagerhaus, und teilen es sich mit den Schwäbisch Hallern. Dort werden die Gewürze getrocknet, sortiert und verpackt.
1001 nutzt ein leer stehendes Gebäude „Das war früher eine komplette staatliche Gewürz-Verarbeitung, die aus Entwicklungshilfe finanziert wurde, aber pleite ging. Rein staatliche Programme scheitern meistens“, weiß Othman. Das Gewürzprojekt von Ecoland Herbs & Spices in Sansibar wird von der DEG (Deutsche Entwicklungsgesellschaft) gefördert in einer PPP, einer Public-Private-Partnership.
Frauen sortieren gerade Nelken in Handarbeit. Das geht nicht maschinell. Die Delegation aus Deutschland schaut sich die Nelken an. Dieter Mayer, Metzgermeister und Produktentwickler der BESH, ist von der Qualität der Nelken beeindruckt: „Ich habe noch nie so schöne Nelken gesehen. Die sind groß und aromatisch. Auch der Zimt hat ein feines Aroma“, sagt Gewürz-Kenner Mayer.
Mayer lobt die Nelken
Mayer braucht für die herkömmliche und biologische Wurst-Produktion der BESH eine Menge Gewürze: „40 bis 50 Kilo Nelken kommen bei uns jede Woche in die Wurst“, teilt Mayer mit. Viel Pfeffer wird gebraucht. Das Back-Gewürz Zimt setzt er etwa bei Blutwurst ein. Das macht den Unterschied aus zwischen einer gewöhnlichen und einer feinen Kochwurst. „Nelken und Zimt tragen zur Haltbarkeit bei. Wir brauchen solche Gewürze, weil wir ohne Nitritpöeklsalz arbeiten“, verrät der Wurstmacher. Also machen die Gewürze auch lebensmitteltechnisch einen Sinn, weil sie antibakteriell wirken.
„Die Hälfte unserer Gewürze aus eigenem Anbau verbrauchen wir selbst. Die andere Hälfte vermarkten wir“, so Bühler. Metzgereien, Restaurants, Großküchen, die eigenen Verkaufsstellen der BESH und der qualitätsorientierte Handel werden beliefert. Für die Ecoland Herbs & Spices wurde eine Range mit fairen Gewürzen entwickelt.
Beim Export der Gewürze nach Deutschland kooperieren BESH und 1001organic ebenfalls. 1001 wickelt die Ausfuhr ab. Die Gewürze gehen per Container in den Hamburger Hafen und von dort per LKW in die Gewürzmühle von Ecoland Herbs & Spices in Wolpertshausen bei Schwäbisch Hall. Hier wird auch die Ware von 1001 verarbeitet und verpackt. So haben beide Seiten einen Vorteil.
Anton Großkinsky